Entscheidungsstichwort (Thema)
Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung
Leitsatz (amtlich)
Ein bei Eintritt der Anwachsung sich vergrößernder Erbteil kann insgesamt eine auf einer wechselbezüglichen Verfügung beruhende Erbeinsetzung darstellen.
Normenkette
BGB §§ 2084, 2094, 2270
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Beschluss vom 29.11.2022) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die befristete Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 13.12.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 29.11.2022 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen des Beteiligten zu 2) zu tragen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 320.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1) ist der Sohn der Erblasserin, der Beteiligte zu 2) der Sohn des Beteiligten zu 1). Der weitere Sohn des Beteiligten zu 1), X, ist im Jahr 2016 kinderlos vorverstorben und wurde von den Beteiligten zu 1) und 2) beerbt (Bl. 48 d. Testamentsakte). Die Erblasserin war seit dem XX.XX.2015 verwitwet.
Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehemann mit notarieller Urkunde vom 12.01.2004 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin hatten die Ehegatten unter § 1 und § 2 jeweils identische Erbeinsetzungen vorgenommen, in dem sie den anderen Ehegatten, den Beteiligten zu 1), sowie beide Enkel anteilig zu ihren Erben einsetzten und Teilungsanordnungen trafen.
Dabei hatte der vorverstorbene Ehemann in § 1 folgende Anordnungen getroffen:
"1. Ich, ..., setze
a) meinen Sohn (...) zu 40 %,
b) dessen Kinder (...) zu je 15 % und
c) meine Ehefrau (...) zu 30 %
als meine Erben ein.
2. Ich treffe folgende Teilungsanordnung:
a) Für die 40 % erhält mein Sohn (...) das mir zur Hälfte gehörende Firmengrundstück (...) und die dort betriebene Einzelfirma (...).
b) Meine Ehefrau erhält für ihre 30 % die ideelle Hälfte des mir gehörenden Hausgrundstücks (...) sowie die Hälfte meiner Eigentumswohnung (...).
c) Meine Enkelkinder (...) erhalten für ihre je 15 % alles übrige Vermögen, insbesondere das noch vorhanden Land je zur Hälfte."
Die Erblasserin hatte in § 2 wie folgt verfügt:
"1. Ich, ..., setze
a) meinen Sohn (...) zu 40 %
b) dessen Kinder (...) zu je 15 % und
c) meinen Ehemann (...) zu 30 %
als meine Erben ein.
2. Ich treffe folgende Teilungsanordnung:
a) Für die 40 % erhält mein Sohn (...) meine ideelle Hälfte an dem Firmengrundstück (...) sowie das mir allein gehöhrende Hausgrundstück (...).
b) Mein Ehemann erhält für die 30 % meine ideelle Hälfte an dem Hausgrundstück (...) und meine ideelle Hälfte an der Eigentumswohnung (...).
c) Meine Enkelkinder (...) erhalten für ihre je 15 % alles übrige Vermögen, insbesondere das noch vorhanden Land je zur Hälfte."
In § 3 wurde Testamentsvollstreckung angeordnet und der Beteiligte zu 1) zum Testamentsvollstrecker ernannt. Diesem wurde zur Auflage gemacht, dass der aufgebaute Betrieb und das Betriebsgrundstück im Familienbesitz bleiben solle. In § 4 wurden für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Beteiligte zu 1) als Erbe zu 1/2 und der Beteiligte zu 2) sowie dessen Bruder als Erben zu jeweils 1/4 bestimmt. Wegen des Inhalts des Testaments im Einzelnen wird auf die notarielle Urkunde (Bl. 8 ff der Testamentsakte Bezug genommen).
Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Erblasserin am 15.09.2015 ein handschriftliches Testament, in dem sie den Beteiligten zu 1) zu ihrem Alleinerben einsetzte (Bl. 2 d.A.).
Der Beteiligte zu 1) beantragte am 19.05.2022 die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerbe ausweist (Bl. 8 d.A.). Dabei hat er u.a ausgeführt, das Verhältnis der Erblasserin zu ihren Enkelkindern sei schwierig gewesen.
Mit Verfügung vom 10.08.2022 (Bl 18 d.A.) hat das Nachlassgericht auf Bedenken an dem Erbscheinsantrag hingewiesen, weil eine Bindung an das gemeinschaftliche Testament vorliegen würde.
Sodann hat das Nachlassgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Erbeinsetzungen in dem gemeinschaftlichen Testament seien wechselbezüglich, so dass die Erblasserin an dieses gebunden wäre und nicht abweichend hätte testieren können. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 29.11.2022 (Bl. 23 ff d.A.) Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss, der dem Beteiligten zu 1) durch Aufgabe zur Post zugestellt worden ist (Bl. 27 d.A.), hat dieser mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 13.12.2022 (Bl. 29 d.A.) Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, das gemeinschaftliche Testament stehe der Wirksamkeit des Testaments vom 15.09.2015 nicht entgegen, da dieses keine Schlusserbeneinsetzung enthalte sondern lediglich wechselbezügliche Verfügungen für den ersten Erbfall. Da es sich um ein notarielles Testament gehandelt habe, sei eine Schlusserbenregelung bewusst unterblieben.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30.12.2022 (Bl. 33 d.A.) nicht abgeholfen sonder...