Leitsatz (amtlich)
1. Gegen einen Beschluss, mit dem der Antrag auf Tatbestandsberichtigung eines erstinstanzlichen Urteils wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses zurückgewiesen wird, ist ausnahmsweise die sofortige Beschwerde statthaft.
2. Für einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung besteht nach dem Eintritt der formellen Rechtskraft des Urteils kein Rechtsschutzinteresse mehr. Ein solcher Antrag ist als unzulässig zu verwerfen, auch wenn das Urteil zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht in Rechtskraft erwachsen war (Anschluss an KG, Beschl. v. 12.9.2011 - 19 U 116/10).
Normenkette
ZPO §§ 320, 567
Verfahrensgang
LG Bamberg (Beschluss vom 05.02.2013; Aktenzeichen 2 O 149/09) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Bamberg vom 5.2.2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten als unzulässig verworfen wird.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Das LG verkündete am 4.9.2012 ein Endurteil, das der im damit entschiedenen erstinstanzlichen Rechtsstreit obsiegenden Beklagten am 10.9.2012, dem unterlegenen Kläger am 7.9.2012 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.9.2012, beim LG eingegangen am selben Tag, beantragte die Beklagte die Berichtigung des Tatbestandes und hielt diesen Antrag mit weiterem Schriftsatz vom 26.10.2012 ausdrücklich aufrecht, obwohl hinsichtlich des Endurteils mangels Berufungseinlegung des Klägers mittlerweile formelle Rechtskraft eingetreten war.
Nach einer am 5.2.2013 durchgeführten mündlichen Verhandlung wies der Einzelrichter am LG den Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 5.2.2013 mit der Begründung zurück, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Berichtigung des Tatbestands liege nach Rechtskraft des zugrunde liegenden Endurteils nicht mehr vor.
Gegen diese, ihrem Prozessbevollmächtigten formlos übermittelte Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 13.2.2013, beim Erstgericht eingegangen am 15.2.2013.
Mit weiterem Beschluss vom 18.2.2013 hat der Einzelrichter bei dem LG der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des LG Bamberg vom 5.2.2013 und 18.2.2013 sowie auf die im Klage- bzw. Beschwerdeverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteivertreter Bezug genommen.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Bamberg vom 5.2.2013 hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Zwar ist gem. § 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO die Anfechtung einer Entscheidung über die Berichtigung des Tatbestandes grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Anfechtung ist jedoch dann statthaft, wenn der Berichtigungsantrag im Anwendungsbereich des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ohne sachliche Prüfung zurückgewiesen wurde (vgl. BFH, Beschl. v. 29.6.2009 - IX B 89/09 - über juris; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2009 - 4 W 220/09 - über juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.11.2008 - 12 W 57/08 - über juris; OLGReport München 2003, 110, jeweils m.w.N.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 320 Rz. 14). Dies ist hier der Fall, weil das Erstgericht den Berichtigungsantrag der Beklagten wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen und damit, wenn auch in Tenor und Gründen des Beschlusses nicht explizit zum Ausdruck gebracht, als unzulässig behandelt hat. Damit hat es aus prozessualen Gründen eine Entscheidung über den Antrag überhaupt abgelehnt, wodurch der Beschwerdeweg nach der beschränkten Generalklausel des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eröffnet ist (vgl. Zöller/Heßler, a.a.O., § 567 Rz. 34 m.w.N.).
2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Erstgericht hat die von der Beklagten beantragte, das Endurteil vom 4.9.2012 betreffende Tatbestandsberichtigung zu Recht abgelehnt, weil es hierfür an einem (auch hier erforderlichen, vgl. BFH NJW 2003, 3340 für § 108 Abs. 1 FGO) Rechtschutzbedürfnis fehlt.
a) Der Tatbestand eines Urteils liefert gem. § 314 ZPO (positiven) Beweis allein für das mündliche Parteivorbringen in einem bestimmten Rechtsstreit. Er bildet die Grundlage der Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht, ob das streitige Vorbringen umfassend gewürdigt wurde, und dient damit einer effektiven Rechtsmittelkontrolle (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 313 Rz. 11, § 313a Rz. 1). Eine darüber hinausgehende Bedeutung, etwa für etwaige Folgeverfahren oder für außerhalb des konkreten Prozessrechtsverhältnisses liegende Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Natur, ist dem Tatbestand nicht beizumessen. Dies zeigt sich auch in der gesetzlichen Wertung des § 313a Abs. 1 und 2 ZPO, wonach ein Tatbestand entbehrlich ist, wenn die Entscheidung einer Nachprüfung in der höheren Instanz nicht unterliegt.
b) Durch die Möglichkeit der Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO soll mithin allein verhind...