Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbot der Einkommensbesteuerung von Gewinnen aus im Ausland veranstalteten Lotterien, wenn Gewinne aus der Veranstaltung inländischer Lotterien einkommensteuerfrei sind
Leitsatz (amtlich)
Artikel 49 EG steht Vorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, nach denen die Gewinne aus in anderen Mitgliedstaaten veranstalteten Lotterien als steuerbare Einkünfte des Gewinners behandelt werden, während Gewinne aus in dem betreffenden Mitgliedstaat veranstalteten Lotterien von der Einkommensteuer befreit sind.
Normenkette
EG Art. 49 (früher Art. 59 EGVtr)
Beteiligte
Verfahrensgang
Ålands förvaltningsdomstol (Finnland) (Beschluss vom 05.02.2002) |
Tatbestand
Freier Dienstleistungsverkehr - Lotteriescheine - Betrag, der bei einem in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Glücksspiel gewonnen wurde - Einkommensteuer - Glücksspielsteuer - Besondere Regelung der Åland-Inseln
In der Rechtssache C-42/02
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom finnischen Ålands förvaltningsdomstol in dem bei diesem von
Diana Elisabeth Lindman
anhängig gemachten Verfahren vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 49 EG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer C. W. A. Timmermans in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. A. O. Edward (Berichterstatter) und P. Jann,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Frau Lindman, die sich selbst vertritt,
- der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, avocat,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch G. Hansson Bull und H. Klem als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und K. Simonsson als Bevollmächtigte,
- der Überwachungsbehörde der EFTA, vertreten durch E. Wright und V. Kronenberger als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin, der belgischen Regierung, vertreten durch P. De Wael als Bevollmächtigten, der Kommission, vertreten durch K. Simonsson, und der Überwachungsbehörde der EFTA, vertreten durch E. Wright, in der Sitzung vom 23. Januar 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. April 2003
folgendes
Urteil
1.
Mit Beschluss vom 5. Februar 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Februar 2002, hat der Ålands förvaltningsdomstol gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 49 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Lindman und dem Skatterättelsenämnd (Beschwerdeausschuss in Steuersachen) wegen der Zurückweisung durch diesen Ausschuss der Beschwerde, die sie erhoben hatte, um eine Herabsetzung der Besteuerung zu erreichen, der der Betrag unterzogen worden war, den sie bei ihrer Teilnahme an einer in Schweden veranstalteten Lotterie gewonnen hatte.
Rechtlicher Rahmen
A - Gemeinschaftsrecht
3.
Artikel 49 Absatz 1 EG bestimmt:
Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.
B - Nationales Recht
4.
Nach § 1 des Lotteriskattelag (552/1992) (Lotteriesteuergesetz) ist die Lotteriesteuer für in Finnland veranstaltete Spiele an den Staat zu entrichten. Nach § 2 dieses Gesetzes sind Lotterien Glücksspiele. Gemäß § 3 des Gesetzes ist der Veranstalter der Lotterie steuerpflichtig.
5.
§ 85 des Inkomstskattelag (1535/1992) (Einkommensteuergesetz) bestimmt: Gewinne aus den in § 2 des Lotteriskattelag genannten Lotterien unterliegen nicht der Einkommensteuer …. Aus den Akten ergibt sich, dass die Steuerbefreiung nur für die Lotterien nach § 2 des Lotteriskattelag gilt, die nur die in Finnland veranstalteten Spiele umfassen.
C - Die besondere Regelung der Åland-Inseln
6.
Nach dem Självstyrelselag (1144/1991) för Åland (Autonomiegesetz für die Provinz Åland) fällt die Regelung der Lotterien und anderer Glücksspiele unter die Gesetzgebungskompetenz der Provinz Åland. Die Veranstaltung von Lotterien unterliegt einer Genehmigung der Provinzregierung, deren Modalitäten durch das Landskapslag om lotterier (Provinzialgesetz über Lotterien, Ålands författningssamling 10/1966) festgelegt werden. Die Veranstaltung von Lotterien wird durch dieses Gesetz geregelt. Die Genehmigung zur Veranstaltung von Lotterien und anderen Glücksspielen nach § 3 des Landskapslag om lotterier kann einer durch eine Provinzialverordnung errichteten öffentlich-rechtlichen Ver...