Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der ordnungsgemäßen Senatsbesetzung im NPD-Verbotsverfahren (Besetzungsrüge bzgl der Richterin König sowie des Richters Maidowski). Nebenentscheidung bzw Entscheidungen über im Hauptsacheverfahren gestellte eA-Anträge sind eigenständige Sachen iSd § 15 Abs 3 S 1 BVerfGG
Normenkette
BVerfGG § 15 Abs. 3 S. 1, § 45; BVerfGGO § 23 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts ist ordnungsgemäß besetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragsgegnerin hat mit vor Beginn der mündlichen Verhandlung vorgelegtem Schriftsatz vom 1. März 2016 eine Besetzungsrüge betreffend die Richterin König und den Richter Maidowski erhoben. Sie macht geltend, beide Richter seien gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG von einer Mitwirkung im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen, weil sie ihr Richteramt nach Beginn der Beratung der Sache angetreten hätten.
Rz. 2
1. a) Die Antragsgegnerin begründet ihre Rüge zunächst damit, dass der Senat im vorliegenden Verfahren bereits am "24. Januar 2015" - mithin vor Dienstantritt der beiden genannten Richter im Juni und Juli 2014 - einen Beschluss gefasst habe, der denknotwendig eine vorherige Beratung seiner Mitglieder voraussetze. Dass Gegenstand des seinerzeitigen Beschlusses ein einstweiliges Anordnungsverfahren betreffend die vom Deutschen Bundestag einbehaltenen Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung gewesen sei, stehe dem nicht entgegen. Denn der damals gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, hilfsweise auf Aussetzung des Verfahrens, habe der Sicherstellung der prozessualen Waffengleichheit zwischen Antragsteller und Antragsgegner gedient.
Rz. 3
Aufgrund dieses Vortrages ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin sich auf den Beschluss des Senats vom 28. Januar 2014 (BVerfGE 135, 234 ff.) bezieht.
Rz. 4
b) Weiterhin trägt die Antragsgegnerin vor, die Beratung der Sache habe spätestens im April 2014 begonnen, nachdem der mittlerweile ausgeschiedene Richter Gerhardt mit gerichtlichem Schreiben vom 1. April 2014 mitgeteilt habe, das Verfahren werde ungeachtet des von der Antragsgegnerin gestellten Antrags auf Verfahrenseinstellung wegen des Vorliegens von Verfahrenshindernissen "umfassend weiter vorbereitet". Da eine "umfassende weiter[e] Vorbereitung" eine entsprechende Beratung innerhalb des Senats voraussetze, könne davon ausgegangen werden, dass die Beratung der Sache in jedem Falle vor Amtsantritt der beiden genannten Richter begonnen habe.
Rz. 5
2. Die Mitwirkung der Richterin König und des Richters Maidowski an der Beschlussfassung des Senats vom 2. Dezember 2015 (2 BvB 1/13, juris) über die Durchführung der mündlichen Verhandlung führe demzufolge zur Unwirksamkeit dieses Beschlusses.
II.
Rz. 6
Die Besetzungsrüge der Antragsgegnerin betreffend die Richterin König und den Richter Maidowski begründet keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Besetzung des Zweiten Senats.
Rz. 7
1. Der Senat hat seine ordnungsgemäße Besetzung zur Wahrung des Anspruchs aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG von Amts wegen zu prüfen, soweit Anlass hierzu besteht (vgl. BVerfGE 65, 152 ≪154≫; 131, 230 ≪233≫). Die Feststellung der richtigen Besetzung des erkennenden Gerichts erfolgt regelmäßig - so auch vorliegend - ohne Beteiligung der Richter, deren Berechtigung zur Mitwirkung zweifelhaft erscheint oder angezweifelt wird (vgl. BVerfGE 82, 286 ≪298≫; 131, 230 ≪233≫).
Rz. 8
2. Nach dem Grundsatz der personellen Beratungskontinuität gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG dürfen nach Beginn der Beratung einer Sache weitere Richter nicht hinzutreten. Was unter "einer Sache" in diesem Sinne zu verstehen ist, wird vom Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht definiert. Dass § 15 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG sich nicht des Begriffs des "Verfahrens" (vgl. nur § 23 BVerfGG) bedient, belegt, dass es sich bei der Beratung der Sache nicht um die Beratung des Verfahrens im Ganzen handelt, sondern - korrespondierend mit § 23 Abs. 1 Satz 1 GOBVerfG - um die Beratung einer konkreten Entscheidung in einem anhängigen Verfahren (vgl. Mellinghoff, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 15 Rn. 46 ff. ≪August 2015≫). Soweit Nebenentscheidungen oder Entscheidungen über im Hauptsacheverfahren gestellte Anträge auf einstweilige Anordnung ergehen, handelt es sich daher um eigenständige Sachen im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG (vgl. zur Senatspraxis etwa die Besetzung in BVerfGE 125, 385 ≪395≫ und BVerfGE 126, 158 ≪170≫ einerseits sowie BVerfGE 129, 124 ≪186≫ andererseits sowie BVerfGE 135, 259 ≪299≫ einerseits und BVerfGE 137, 345 ≪350≫ andererseits).
Rz. 9
3. Demgemäß geht die Besetzungsrüge der Antragsgegnerin fehl.
Rz. 10
a) Der von der Antragsgegnerin angesprochene Beschluss vom 28. Januar 2014 (BVerfGE 135, 234 ff.) stellt eine eigenständige Sache im dargelegten Sinne dar, denn er betrifft gesondert gestellte Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bezüglich der vom Deutschen Bundestag einbehaltenen Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung, hilfsweise auf Aussetzung des Verfahrens bis zu einer gesetzlichen Neuregelung der Vergütung ihres Verfahrensbevollmächtigten. Als andere Sache begründet er kein Hinzutrittsverbot der nach Erlass des Beschlusses vom 28. Januar 2014 neu gewählten Richterin König und des neu gewählten Richters Maidowski hinsichtlich des weiteren Verfahrens.
Rz. 11
b) Die Beratung über die Zurückweisung des Antrags oder die Durchführung der mündlichen Verhandlung gemäß § 45 BVerfGG hat erst nach dem Hinzutreten der beiden genannten Richter begonnen. Zum Zeitpunkt des Amtsantritts der beiden genannten Richter befand sich das Verfahren im Stadium der umfassenden Vorbereitung durch den Berichterstatter. Demgemäß war die Beratung der Sache zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgenommen. Sie begann im Senat erst nach Abschluss der Vorbereitung und Vorlage eines Votums durch den Berichterstatter im März 2015. Zu diesem Zeitpunkt gehörten die Richterin König und der Richter Maidowski dem Senat bereits an.
Fundstellen
Haufe-Index 10245693 |
BVerfGE 2017, 1 |
BVerfGE 2017, 18 |
BVerfGE 2017, 5 |
BVerfGE 2017, 9 |
NJW 2016, 2313 |