Verfahrensgang

AG Strausberg (Entscheidung vom 18.05.2022; Aktenzeichen 14 Ds 273 Js 16696/21)

 

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 18. Mai 2022 aufgehoben.

Die Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Strausberg hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. In den getroffenen Feststellungen ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagte am 3. Februar 2021 bei Abgabe der sog. eidesstattlichen Versicherung in einer Zwangsvollstreckungssache gegen sie die Frage 11 des Ergänzungsblatts II zum Vermögensverzeichnis gegenüber der Gerichtsvollzieherin falsch beantwortet habe. Die Angeklagte habe die in dem Formular gestellten Frage bezüglich ihres hälftigen Miteigentumsanteils an einem Grundstück ("Ist die Zwangsvollstreckung und/oder Zwangsverwaltung angeordnet") mit "ja" beantwortet und dazu ergänzend erklärt, seit dem 6. Juli 2018 sei die Zwangsversteigerung bezüglich dieses Grundstücks angeordnet. Tatsächlich habe das Amtsgericht Strausberg das Zwangsversteigerungsverfahren bereits zuvor mit Beschluss vom 30. Oktober 2020 aufgehoben und der Angeklagten sei diese Entscheidung am 22. Oktober 2020 per Zustellungsurkunde zugestellt worden, so dass sie die Unrichtigkeit ihrer Angaben im Protokoll über die Abnahme der Vermögensauskunft habe zumindest erkennen können und müssen. Die Angaben eines Schuldners im Rahmen einer Vermögensauskunft müssten so richtig und vollständig sein, dass sie dem Gläubiger einen etwaigen Zugriff ermöglichen und ihn nicht zu verfehlten Maßnahmen verleiten, denn für einen Gläubiger sei gerade auch von Bedeutung, ob ein im Vermögensbestand des Schuldners vorhandenes Grundstück bereits durch staatliche Maßnahmen wie die Anordnung der Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung als Vermögenswert gesichert sei, also nicht mehr frei am Markt verkäuflich und damit, ob er sofort Vollstreckungsmaßnahmen einleiten müsse und/oder Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf eine von ihm künftig beabsichtigte Zwangsvollstreckung.

Gegen die Verurteilung wendet sich die Angeklagte mit der Sprungrevision und führt mit der Sachrüge näher aus, dass sie sich mit Blick auf das Schutzgut der strafrechtlichen Regelungen der §§ 156, 161 StGB (staatliche Rechtspflege; kein Schutz von Individualinteressen) nicht strafbar gemacht habe; zumal sie sich bei der eidesstattlichen Versicherung nach § 802c ZPO nach dessen Wortlaut lediglich zu den ihr gehörenden Vermögensgegenständen habe erklären müssen, nicht aber zu den Umständen eines (bereits beendeten) Zwangsversteigerungsverfahrens. Die Angeklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und sie freizusprechen.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist mit ihrer Zuschrift vom 8. August 2022 der Revision der Angeklagten beigetreten und beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 18. Mai 2022 aufzuheben und die Angeklagte auf Kosten der Staatskasse, die auch ihre notwendigen Kosten zu tragen habe, freizusprechen. Zur Begründung hat die Generalstaatsanwaltschaft folgendes ausgeführt:

"Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte mit der allein erhobenen Sachrüge, das ihr zur Last gelegte Verhalten erfülle keinen Straftatbestand. Bei Abgabe der Vermögensauskunft gegen-über der Gerichtsvollzieherin sei sie nicht verpflichtet gewesen, die aktuelle Vollstreckungssituation hinsichtlich ihres Grundstücks anzugeben, so dass die Fehlerhaftigkeit ihrer Angaben insoweit nicht der Strafbarkeit des § 156 StGB unterliege. Diese Norm schütze zudem nicht die Individualinteressen von Personen, die ihre privaten Rechte geltend machen wollten, sondern Rechtsgut sei nur die staatliche Rechtspflege.

Die gemäß § 335 StPO zulässige Sprungrevision hat in der Sache Erfolg. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch nicht.

Die wahrheitsgemäße Abgabe einer Vermögensauskunft nach § 802c Abs. 3 ZPO, wonach der Schuldner zur Auskunftserteilung alle ihm gehörenden Vermögensgegenstände anzugeben hat, ist eine von § 156 StGB erfasste Versicherung.

Die Pflicht zur Vermögensauskunft setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorlagen (BeckOK ZPO/Fleck, § 802c Rdnr. 1).

Dazu verhalten sich die amtsgerichtlichen Urteilsgründe nicht. Da aber der Gerichtsvollzieher diese von Amts wegen zu prüfen hat (Paulus in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 802c Rdnr. 9), konnte das Amtsgericht wohl davon ausgehen, dass sie entsprechend vorlagen. Dies kann jedoch ebenso dahinstehen wie die im Urteil nicht erörterte Frage, ob die Angeklagte ihre falschen Angaben möglicherweise rechtzeitig berichtigt hat (§161 Abs. 2 StGB).

Denn es fehlt an der Verletzung einer strafbewehrten Auskunftspflicht der Angeklagten. Zu der Frage, ob die ihr gehörende Immobilie einer Zwangsverwaltung unterlag oder ob insoweit ein...

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