Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Nr. 15 Abs. 2. Verfall von Rechten aus Optionsscheinen. Pflicht der Bank zur ausreichenden Kundenaufklärung. Ersatzloses Erlöschen. Wertverlust. Schadensvermeidung. Keine Verkaufspflicht der Bank mangels Kundenanweisung
Leitsatz (amtlich)
a) Bei der sich aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte ergebenden Pflicht, den Kunden über den Verfall von Rechten aus Optionsscheinen zu benachrichtigen, handelt es sich für die Bank grundsätzlich nicht um eine Bring-, sondern um eine Schickschuld.
b) § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt nicht für Benachrichtigungen nach § 666 BGB oder Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte.
c) Eine Bank kommt ihrer Verpflichtung aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbindungen für Wertpapiergeschäfte, den Kunden über den Verfall von Rechten aus Optionsscheinen zu benachrichtigen, nur dann in ausreichendem Maße nach, wenn der Mitteilung unmißverständlich zu entnehmen ist, daß das Optionsrecht mit Ablauf der hierfür vorgesehenen Frist möglicherweise ersatzlos erlischt und ohne einen rechtzeitigen Verkauf oder die fristgerechte Ausübung des Optionsrechts ein etwaiger Wert verloren geht.
d) Die Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens” gilt auch dann, wenn es für den aufzuklärenden Teil vernünftigerweise zwei Handlungsalternativen gibt, deren Wahrnehmung jeweils geeignet gewesen wäre, den entstandenen Schaden zu vermeiden.
e) Bei einem Optionsrecht, das auch nach dem Ende seines Börsenhandels ausgeübt werden kann, ergibt sich weder aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte noch aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG eine Verpflichtung der Bank, die Optionsscheine vor dem Ende ihres Börsenhandels auch ohne eine Weisung des Kunden zu verkaufen.
Normenkette
BGB § 130 Abs. 1 S. 1, §§ 269, 666; WpHG § 31 Abs. 1 Nr. 1; Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Nr. 15
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 27.03.2001) |
LG Hof (Urteil vom 20.01.2000) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 27. März 2001 aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hof vom 20. Januar 2000 teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus weitere 8.709 EUR nebst 4% Zinsen seit dem 1. September 1997 zu zahlen.
Die Rechtsmittel des Klägers im übrigen und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz in Anspruch, weil sie ihn nicht auf den bevorstehenden Verfall von Optionsscheinen hingewiesen habe. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten, einer Direktanlagebank, ein Depotkonto sowie ein Kontokorrentkonto zur Verrechnung von Wertpapiergeschäften. Vertragsbestandteil waren die „Sonderbedingungen für das Discount Brokerage” (künftig: Sonderbedingungen). Deren Nr. 15 Abs. 2 lautet:
„Options- und Wandlungsrechte
Über den Verfall von Rechten aus Optionsscheinen oder Wandlungsrechten aus Wandelschuldverschreibungen wird die Bank den Kunden mit der Bitte um Weisung benachrichtigen, wenn auf den Verfalltag in den „Wertpapier-Mitteilungen” hingewiesen worden ist.”
Der Kläger kaufte am 18. März und am 30. Mai 1997 über die Beklagte insgesamt 1.400 Optionsscheine, die zum Bezug von Aktien der D. B. berechtigten. Sie hatten am 30. Juni 1997 einen Wert von 102.200 DM. Nach Ablauf der an diesem Tage endenden Optionsfrist wurden die Optionsscheine dem Depot des Klägers als wertlos entnommen.
Der Kläger begehrt die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 102.200 DM nebst Zinsen. Er macht geltend: Er habe von der Beklagten keine Mitteilung darüber erhalten, daß die Optionsfrist am 30. Juni 1997 ablaufe und die Optionsscheine sodann wertlos würden. Auch ohne eine Weisung sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Optionsscheine an deren letztem Börsenhandelstag zu veräußern.
Die Beklagte trägt vor, sie habe den Kläger vom Verfall der Optionsscheine mit folgendem, am 4. Juni 1997 zur Post gegebenen Schreiben informiert:
„Sehr geehrter Kunde,
die oben genannten Optionsscheine werden zum 30. Juni 1997 fällig.
Wir erlauben uns, darauf aufmerksam zu machen, daß die Optionsscheine voraussichtlich bis zum 23. Juni 1997 an der Börse gehandelt werden.
Wir bitten Sie, sich rechtzeitig mit Ihrer depotführenden Stelle w/Verkauf bzw. Optionsscheineausübung in Verbindung zu setzen. Ohne Ihre Weisung werden wir von uns aus in dieser Angelegenheit nicht tätig werden.”
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 51.100 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. September 1997 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist überwiegend begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten in Höhe von zwei Dritteln des Klageantrags.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch wegen positiver Forderungsverletzung des Depotvertrages zu. Ihrer Pflicht aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen zur Benachrichtigung des Klägers vom Verfall der Optionsscheine sei die Beklagte mit der Absendung ihres Schreibens vom 4. Juni 1997 nachgekommen. Eine Bringschuld liege insoweit nicht vor, so daß die Beklagte für den Zugang des Schreibens nicht hafte. § 130 BGB könne hier weder unmittelbar noch analog angewendet werden, weil das Benachrichtigungsschreiben keine Willenserklärung darstelle.
Der Inhalt des Schreibens sei ausreichend gewesen, um den Kläger rechtzeitig auf den bevorstehenden Ablauf der Optionsausübungsfrist hinzuweisen. Weitere Ausführungen, insbesondere zu den Folgen der Versäumung der Ausübungsfrist, seien nicht veranlaßt gewesen. Zu einer nochmaligen Benachrichtigung habe die Beklagte auch im Hinblick auf das Ausbleiben einer Weisung des Klägers gegen Ende des Optionsscheinshandels an der Börse keinen Anlaß gehabt.
Es stelle ebenfalls keine Pflichtverletzung dar, daß die Beklagte die Optionsscheine nicht am letzten Tag des Börsenhandels auch ohne eine Weisung des Klägers verkauft habe. In Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen sei ein Verkauf von Optionsrechten ohne entsprechenden Kundenauftrag nicht vorgesehen. Die Initiative für einen Verkauf habe wegen der verschiedenen Handlungsmöglichkeiten und ihrer Folgen allein beim Anleger zu verbleiben.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Die Beklagte hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB a.F. dem Kläger den entstandenen Schaden zu ersetzen, da sie ihre Verpflichtung, ihn vom Verfall der Rechte aus den Optionsscheinen zu benachrichtigen, mit Absendung des Schreibens vom 4. Juni 1997 nicht erfüllt hat, die Erfüllung dieser Verpflichtung jedenfalls mit Ablauf der Frist zur Ausübung der Option am 30. Juni 1997 unmöglich geworden ist und die Beklagte dies auch zu vertreten hat. Der Kläger hat sich aber ein Mitverschulden in Höhe von einem Drittel anrechnen zu lassen.
1. Zu Unrecht meint die Revision allerdings, die Beklagte habe ihrer Benachrichtigungspflicht aus Nr. 15 Abs. 2 der – insoweit mit den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (WM 1995, 362 ff.) identischen – Sonderbedingungen bereits deshalb nicht genügt, weil sie den Zugang ihres Schreibens vom 4. Juni 1997 beim Kläger nicht nachgewiesen habe. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nur für eine ordnungsgemäße Absendung eines inhaltlich ausreichenden Benachrichtigungsschreibens Sorge zu tragen, ist nicht zu beanstanden.
a) Bei der sich aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen ergebenden Benachrichtigungspflicht handelt es sich für die Beklagte nicht um eine Bring-, sondern um eine Schickschuld. Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen konkretisiert die sich aus § 666 BGB ergebenden Benachrichtigungspflichten. Ihre Verpflichtungen aus dem Depotvertrag mit dem Kläger hat die Beklagte gemäß § 269 BGB grundsätzlich an ihrem Geschäftssitz zu erfüllen; das gilt im Zweifel auch für Nebenpflichten, insbesondere Auskunftspflichten (BGH, Urteil vom 30. September 1976 – II ZR 107/74, WM 1976, 1230, 1232; Erman/Kuckuk, BGB 10. Aufl. § 269 Rdn. 4). Daß die Parteien hinsichtlich des Leistungsortes eine anderweitige Vereinbarung getroffen und bezüglich der hier in Rede stehenden Benachrichtigungspflicht eine Bringschuld der Beklagten vereinbart hätten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine solche Bestimmung des Leistungsortes ergibt sich weder aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen noch aus der Natur des Schuldverhältnisses. Die Beklagte hatte keinen Grund, das Risiko des Zugangs einer ausschließlich im Interesse des Kunden erfolgenden Benachrichtigung zu übernehmen, zumal die Nachricht für diesen nur eine Erinnerungshilfe darstellt. Sie schuldete deshalb nur die sorgfältige Auswahl des Boten und die ordnungsgemäße Absendung der Benachrichtigung, nicht aber deren Zugang.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach die einem anderen gegenüber in dessen Abwesenheit abgegebene Willenserklärung – erst – in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem sie ihm zugeht, nichts anderes. Diese Vorschrift gilt unmittelbar nur für empfangsbedürftige Willenserklärungen; sie wird von der herrschenden Meinung zwar entsprechend angewendet auf geschäftsähnliche Handlungen (MünchKomm/Einsele, BGB 4. Aufl. § 130 Rdn. 4; Soergel/Hefermehl, BGB 13. Aufl. § 130 Rdn. 4; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. § 130 Rdn. 15). Hierzu gehören auch Mitteilungen und Anzeigen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft (vgl. Erman/Palm, aaO Einl. § 104 Rdn. 6; Staudinger/Dilcher, aaO Einl. zu §§ 104 bis 185 Rdn. 20), nicht aber bloße Benachrichtigungen nach § 666 BGB oder Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen (vgl. BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl. § 666 Rdn. 4).
Zu Unrecht beruft sich die Revision insoweit auf die Entscheidung des Senats vom 28. Februar 1989 (XI ZR 80/88, WM 1989, 625, 626). In diesem Urteil, das die Unterrichtung des Lastschriftschuldners von der Nichteinlösung einer Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren betraf, hat der Senat zwar ausgeführt, daß die von Rechtsprechung und Schrifttum zu § 130 BGB entwickelten Rechtsgrundsätze über den Zugang von Willenserklärungen im Falle der Abgabe gegenüber einem Abwesenden entsprechende Anwendung finden könnten, wenn es nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine der Unterrichtung des Adressaten dienende Mitteilung gehe. Diese Ausführungen betrafen jedoch die – seinerzeit verneinte – Frage, ob auch die Eltern eines volljährigen Mitteilungsadressaten als geeignete Empfangsboten in Betracht kommen können. Daß eine Verpflichtung zu Auskünften und Benachrichtigungen im Sinne des § 666 BGB erst mit Zugang gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt sei, sollte damit nicht zum Ausdruck gebracht werden.
2. a) Zu Recht rügt die Revision jedoch die Ansicht des Berufungsgerichts, der Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 4. Juni 1997 sei ausreichend gewesen, den Kläger rechtzeitig auf den bevorstehenden Ablauf der Optionsausübungsfrist am 30. Juni 1997 hinzuweisen. Nach Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen war die Beklagte verpflichtet, den Kläger „über den Verfall von Rechten aus Optionsscheinen … mit der Bitte um Weisung zu benachrichtigen, wenn auf den Verfalltag in den Wertpapier-Mitteilungen hingewiesen worden ist”. Diese Verpflichtung hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 4. Juni 1997 nicht in ausreichendem Maße erfüllt.
Mit ihm hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt: „Die oben genannten Optionsscheine werden zum 30. Juni 1997 fällig”. Diese Mitteilung macht den „Verfall” der Optionsscheine zum 30. Juni 1997 nicht in ausreichendem Maße deutlich. Insbesondere geht aus dem Schreiben der Beklagten nicht hinreichend klar hervor, daß dem Kläger der ersatzlose Verfall der Scheine und damit ein Totalverlust droht, wenn er sie nicht bis zum 23. Juni 1997 verkauft oder rechtzeitig die Option ausübt. Das ergibt sich auch nicht aus der Bitte der Beklagten, sich rechtzeitig mit der depotführenden Stelle wegen eines Verkaufs bzw. der Ausübung der Option in Verbindung zu setzen.
Vielmehr vermittelt die Verwendung des Begriffs „fällig” den unzutreffenden Eindruck, daß zu dem genannten Zeitpunkt eine Leistung aus den Optionsscheinen zu erwarten sei. Die Mitteilung der Beklagten war damit sogar geeignet, den Irrtum hervorzurufen oder zu bestärken, bei einem werthaltigen Optionsschein werde vom Emittenten, wie das bei zahlreichen Optionsscheinen der Fall ist, nach Ablauf der Optionsausübungsfrist automatisch ein Wertausgleich gezahlt. Eine Bank kommt ihrer Verpflichtung, den Kunden von dem Verfall von Rechten aus Optionsscheinen zu benachrichtigen, deshalb nur dann in ausreichendem Maße nach, wenn der Mitteilung unmißverständlich zu entnehmen ist, daß das Optionsrecht mit Ablauf der hierfür vorgesehenen Frist möglicherweise ersatzlos erlischt und ohne einen rechtzeitigen Verkauf oder die fristgerechte Ausübung des Optionsrechts ein etwaiger Wert verloren geht.
b) Die Erfüllung ihrer sich aus Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen ergebenden und mit dem inhaltlich unzureichenden Schreiben vom 4. Juni 1997 nicht erfüllten Benachrichtigungspflicht ist der Beklagten mit Ablauf des 23. Juni 1997, dem letzten für den in Rede stehenden Optionsschein vorgesehenen Börsenhandelstag, jedenfalls aber mit Ablauf der Optionsausübungsfrist am 30. Juni 1997, unmöglich geworden. Das folgt aus dem zeitgebundenen Charakter der Benachrichtigungspflicht, deren Zweck spätestens nach Ablauf der Optionsfrist nicht mehr erfüllt werden kann. Diese Unmöglichkeit hat die Beklagte auch zu vertreten, da ihre Mitarbeiter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten erkennen müssen, daß das Schreiben vom 4. Juni 1997 nicht geeignet war, die Benachrichtigungspflicht zu erfüllen.
c) Die Nichterfüllung der der Beklagten obliegenden Benachrichtigungspflicht ist für den vom Kläger geltend gemachten Schaden ursächlich geworden. Das gilt auch im Hinblick auf den vorgetragenen Irrtum des Klägers, bei Verfall eines werthaltigen Optionsscheines werde grundsätzlich automatisch ein Wertausgleich gezahlt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß bei einer inhaltlich ordnungsgemäßen Benachrichtigung vor dem Verfall des Optionsscheins ein solcher Irrtum des Klägers beseitigt worden wäre. Dies geht zu Lasten der Beklagten, die aufgrund der Verletzung ihrer vertraglichen Aufklärungspflicht darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also den Hinweis unbeachtet gelassen hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 124, 151, 159 f. und vom 14. Mai 1996 – XI ZR 188/95, WM 1996, 1214, 1216; BGH, Urteil vom 6. April 2001 – V ZR 402/99, WM 2001, 1158, 1160).
Das gilt ungeachtet des Umstands, daß der Kläger zwei Handlungsalternativen hatte, nämlich zum einen die Veräußerung der Optionsscheine bis zum letzten hierfür vorgesehenen Börsenhandelstag und zum anderen die Ausübung der Optionsrechte bis zum Ende der dafür bestimmten Frist. Zwar besteht die Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens” nur in Fällen, in denen es für den aufzuklärenden Partner vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt, die vollständige und richtige Auskunft also keinen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte (Senatsurteile BGHZ 124, 151, 161; vom 10. Mai 1994 – XI ZR 115/93, WM 1994, 1466, 1467; vom 11. März 1997 – XI ZR 92/96, WM 1997, 811, 813 und vom 9. Juni 1998 – XI ZR 220/97, WM 1998, 1527, 1529). Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens hat jedoch auch dann zu gelten, wenn es für den aufzuklärenden Teil vernünftigerweise zwei Handlungsalternativen gibt, deren Wahrnehmung jeweils geeignet gewesen wäre, den entstandenen Schaden zu vermeiden.
So liegt es hier. Bei einer Veräußerung der Optionsscheine am 23. Juni 1997, ihrem letzten Börsenhandelstag, hätte der Kläger einen Veräußerungserlös in Höhe von jeweils 73,20 DM erzielt, bei Ausübung der Optionsrechte am 30. Juni 1997 deren Wert in Höhe von jeweils 73 DM realisiert. Mehr als den letztgenannten Betrag je Optionsschein macht er als Schaden nicht geltend.
3. Den Kläger trifft an der Entstehung des eingetretenen Schadens jedoch ein Mitverschulden, das in Höhe von einem Drittel zu bewerten ist.
a) Der Kläger hat den ihm entstandenen Schaden dadurch mitverursacht und mitverschuldet, daß er sich gegen Ende der Laufzeit der Optionsscheine nicht um diese gekümmert hat. Optionsscheine verbriefen das Recht, vom Emittenten zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Lieferung bestimmter Werte für einen festgelegten Preis oder die Zahlung eines Geldbetrages zu verlangen (Kienle in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 106 Rdn. 64). Von ihrem Wesen her stellen Optionsscheine daher zeitgebundene Rechte dar. Den Inhaber trifft deshalb – vor allem gegen Ende ihrer Laufzeit – die Obliegenheit, Optionsscheine nicht völlig unbeobachtet zu lassen. Gegebenenfalls hat er sich über die von ihm zur Realisierung eines etwaigen inneren Wertes der Optionsscheine zu unternehmenden Schritte zu informieren. Daran hat es der Kläger, der aufgrund der Kaufbelege über die Laufzeit der Scheine informiert war, erkennbar fehlen lassen. Er durfte nicht blind auf die Richtigkeit seiner Annahme vertrauen, beim Verfall eines werthaltigen Optionsscheins werde stets automatisch ein Wertausgleich gezahlt.
Die Höhe des Anteils des Klägers an der Mitverursachung und sein Mitverschulden bewertet der Senat unter Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile beider Parteien mit einem Drittel. Diese Abwägung kann der Senat selbst vornehmen, da insoweit weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr zu treffen sind (vgl. Senat, Urteile vom 12. Oktober 1999 – XI ZR 294/98, WM 1999, 2255, 2256 und vom 24. Juli 2001 – XI ZR 164/00, WM 2001, 1716, 1717).
b) Die Mitverursachung und das Mitverschulden auf seiten des Klägers ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb geringer zu bewerten, weil die Beklagte hier zusätzlich eine Pflicht verletzt hätte, die Optionsscheine auch ohne eine entsprechende Weisung des Klägers an deren letztem Börsenhandelstag zu veräußern. Eine solche Verpflichtung traf die Beklagte nicht.
aa) Anders als Nr. 15 Abs. 1 der Sonderbedingungen, die mit Nr. 15 Abs. 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (WM 1995, 362 ff.) identisch ist und den Verkauf von Bezugsrechten am Ende des Bezugsrechtshandels auch ohne entsprechende Weisung des Kunden vorsieht, enthält Nr. 15 Abs. 2 der Sonderbedingungen für Optionsscheine keine entsprechende Regelung. Einer ergänzenden Vertragsauslegung oder dem Grundsatz von Treu und Glauben kann eine Verkaufsverpflichtung der Beklagten ebenfalls nicht entnommen werden. Dem steht bereits der Umstand entgegen, daß die Beklagte durch einen Verkauf der Optionsscheine ohne Weisung dem Kläger die Möglichkeit genommen hätte, die Aktien durch Ausübung der Option innerhalb der noch bis zum 30. Juni 1997 laufenden Frist zu beziehen. Aus der Sicht der mit den Absichten des Klägers nicht vertrauten Beklagten war es durchaus möglich, daß es diesem gerade darauf ankam, die Aktien zu erwerben, z.B. weil er sie schon „leer” verkauft hatte oder weil er sie für eine zukunftsträchtige Anlage hielt.
bb) Eine Verpflichtung der Beklagten, die Optionsscheine am letzten Tag ihres Börsenhandels auch ohne Weisung des Klägers zu verkaufen, ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, wonach ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet ist, Wertpapierdienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse seiner Kunden zu erbringen. Es kann dabei dahinstehen, ob diese Vorschrift als Norm des öffentlichen Aufsichtsrechts überhaupt geeignet ist, unmittelbar in die vertraglichen Beziehungen der Parteien hineinzuwirken. Im Hinblick auf die auch nach Ablauf des Börsenhandels der Optionsscheine verbleibende Handlungsalternative des Klägers lag der Verkauf der Optionsscheine eben nicht notwendigerweise in seinem Interesse. § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verpflichtete die Beklagte deshalb nicht zu einem solchen Verkauf.
III.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und der Klage zu zwei Dritteln stattgeben.
Unterschriften
Nobbe, Siol, Bungeroth, Joeres, Wassermann
Fundstellen
Haufe-Index 767917 |
BGHZ |
BGHZ, 5 |
BB 2002, 1504 |
DB 2002, 1495 |
NJW 2002, 2703 |
BGHR 2002, 732 |
EWiR 2002, 833 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1442 |
WuB 2002, 1159 |
ZIP 2002, 1238 |
JZ 2003, 97 |
MDR 2002, 1135 |
VersR 2003, 210 |
BKR 2002, 682 |
ZBB 2002, 332 |
ZGS 2002, 266 |
FB 2002, 760 |
LMK 2003, 25 |