Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2) werden der Beschluß des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 9. März 2000 aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin hat wegen der Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen Klage gegen die den gleichen Nachnamen tragenden P.T. und L.T. erhoben. Hierauf bestellte sich Rechtsanwältin S. für den nunmehrigen Beschwerdeführer P.T. als Beklagten zu 1), was der Numerierung in der Klagebegründungsschrift entsprach. Im Protokoll des Termins vor dem Landgericht vom 14. Juli 1999 wurde die Reihenfolge der Beklagten umgekehrt und der Beschwerdeführer als Beklagter zu 2) bezeichnet. In diesem Termin erging gegen den nunmehr als Beklagten zu 1) bezeichneten L.T. Teilversäumnisurteil über 36.269,29 DM nebst Zinsen.
Mit Teilurteil vom 27. August 1999 wurde der Beschwerdeführer als Beklagter zu 2) verurteilt, als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) 36.269,29 DM nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil wurde seiner Prozeßbevollmächtigten am 23. September 1999 zugestellt. Mit am 1. Oktober 1999 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, dem eine vollständige Kopie des angefochtenen Urteils beigefügt war, hat der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt W., Berufung gegen dieses Urteil eingelegt und hierbei L.T. als Beklagten zu 1) und Berufungskläger bezeichnet. Nachdem die Klägerin Erteilung des Rechtskraftvermerks für das Teilversäumnisurteil vom 14. Juli 1999 gegen den Beklagten zu 1) beantragt hatte, wies das Berufungsgericht Rechtsanwalt W. darauf hin, daß die Berufung vom 1. Oktober 1999 unzulässig sei, weil das Teilurteil vom 27. August 1999 lediglich den Beklagten zu 2) betreffe, während gegen den Beklagten zu 1) schon früher ein Teilversäumnisurteil ergangen sei. Rechtsanwalt W. beantragte hierauf mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1999 Berichtigung des Rubrums dahin, daß der Vorname des Berufungsklägers „P.” statt „L.” laute. Auch wenn die Parteibezeichnung in der Berufungsschrift falsch gewesen sei, habe sich aus dem beigefügten Urteil eindeutig ergeben, daß das Rechtsmittel vom Beschwerdeführer eingelegt werde, da nur dieser durch die angefochtene Entscheidung beschwert sei. Zugleich legte er für diesen vorsorglich nochmals Berufung ein, verbunden mit dem Antrag, gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Mit Beschluß vom 9. März 2000 hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen. Die Berufung des Beklagten zu 1) vom 1. Oktober 1999 könne nicht als Berufung des Beklagten zu 2) ausgelegt werden, so daß dieser erst am 1. Dezember 1999 und damit zu spät Berufung eingelegt habe. Wiedereinsetzung könne nicht gewährt werden, da der Prozeßbevollmächtigte des Beschwerdeführers hätte prüfen müssen, in wessen Namen er Berufung einlegen solle.
Gegen diesen am 23. März 2000 zugestellten Beschluß hat der Beschwerdeführer mit am 5. April 2000 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
Das gemäß § 519 b ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel erweist sich in der Sache als begründet.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß strenge Anforderungen an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers zu stellen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Formvorschrift des § 518 Abs. 2 ZPO nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (Senatsurteil vom 15. Dezember 1998 – VI ZR 316/97 – NJW 1999, 1554 sowie Senatsbeschluß vom 7. November 1995 – VI ZB 12/95 – NJW 1996, 320 jeweils m.w.N.). Daran fehlt es, wenn in der Berufungsschrift der Rechtsmittelführer in der Weise unrichtig bezeichnet ist, daß anstelle des wirklichen Berufungsklägers ein anderes, mit ihm nicht identisches Rechtssubjekt bezeichnet wird (BGH, Beschluß vom 16. Juli 1998 – VII ZB 7/98 – NJW 1998, 3499). Das bedeutet jedoch nicht, daß die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre. Vielmehr kann sie auch im Weg der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (Senatsurteile vom 15. Dezember 1998 (aaO) und vom 13. Oktober 1998 – VI ZR 81/98 – NJW 1999, 291, Senatsbeschluß vom 18. April 2000 – VI ZB 1/00 -, jeweils m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt nicht nur bei einer Vertauschung der Parteirollen, wie sie dem Senatsurteil vom 13. Oktober 1998 (aaO) zugrunde liegt, sondern auch dann, wenn wie im Streitfall die Verwechslung innerhalb einer aus mehreren Personen bestehenden Parteiseite erfolgt ist. Seine Anwendung setzt allerdings voraus, daß bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers ausgeschlossen sind (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1998 (aaO) sowie Senatsbeschluß vom 7. November 1995 (aaO)).
2. Das Berufungsgericht hat dies im Ansatz nicht verkannt und auch nicht übersehen, daß im Fall einer fehlerhaften Bezeichnung des Rechtsmittelklägers auch Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für die Auslegung der Berufungsschrift heranzuziehen sind, wenn wie im Streitfall eine vollständige Abschrift des Urteils für das Berufungsgericht beigefügt ist (Senatsurteil vom 15. Dezember 1998 (aaO)).
Soweit dem angefochtenen Beschluß entnommen werden könnte, daß bei eindeutiger, jedoch fehlerhafter Bezeichnung des Berufungsklägers kein Raum für eine Auslegung sei, findet diese Auffassung in dem vom Berufungsgericht herangezogenen Beschluß des VII. Zivilsenats vom 16. Juli 1998 (aaO) keine Stütze, auch wenn der Leitsatz dieses Beschlusses mißverständlich sein mag. Ausweislich der Gründe ist dort die Ermittlung der richtigen Berufungsklägerin bei deren eindeutiger, tatsächlich jedoch fehlerhafter Angabe in der Berufungsschrift im Ergebnis daran gescheitert, daß der Berufungsschrift das erstinstanzliche Urteil nicht beigefügt war. Auch das Senatsurteil vom 15. Dezember 1998 (aaO) besagt nicht, daß bereits die Berufungsschrift für sich genommen auslegungsbedürftig sein muß. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob im Fall einer Diskrepanz zwischen der Parteibezeichnung in der Berufungsschrift und dem tatsächlich Gewollten, wie sie hier vorliegt, aus den beigefügten Unterlagen und insbesondere dem angefochtenen Urteil zweifelsfrei festgestellt werden kann, wer Rechtsmittelführer ist. Wie der Senat im Urteil vom 15. Dezember 1998 (aaO) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dargelegt hat, darf nämlich die Zulässigkeit der Berufung unter Beachtung der Verfahrensgarantie des Grundgesetzes den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfG, NJW 1991, 3140), nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Angaben scheitern, wenn für Gericht und Prozeßgegner das wirklich Gewollte deutlich wird (so auch BGH, Beschluß vom 11. Februar 1999 – V ZB 27/98 – NJW-RR 1999, 938).
Tatsächlich hat das Berufungsgericht denn auch eine Auslegung vorgenommen, hierbei jedoch die Anforderungen an die zweifelsfreie Kenntlichmachung des Rechtsmittelführers überspannt. Entscheidend ist nämlich, daß der als Berufungskläger bezeichnete Beklagte zu 1) durch das angefochtene Urteil des Landgerichts nicht beschwert war. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Sachverhalten, die dem Beschluß des BGH vom 16. Juli 1998 (aaO) und dem Senatsurteil vom 13. Oktober 1998 (aaO) zugrunde liegen. Im letztgenannten Urteil hat der Senat darauf hingewiesen, daß die Person des Rechtsmittelführers bei vernünftiger Betrachtung zweifelsfrei zu erschließen gewesen wäre, wenn der Berufungsschrift eine Urteilsabschrift beigefügt gewesen wäre, aus der sich ergeben hätte, daß nur eine der Parteien beschwert war. Da sich jedenfalls für den fachkundigen Leser, dessen Sicht hier maßgeblich ist (Senatsurteil vom 15. Dezember 1998 (aaO)), aus dem der Berufungsschrift beigefügten Urteil in eindeutiger Weise ergab, daß durch dieses Urteil nur der Beklagte zu 2) beschwert war, war auch der vom Berufungsgericht erwogene Umstand, daß der Beklagte zu 1) im Tenor des landgerichtlichen Urteils dahingehend erwähnt sei, daß der Beklagte zu 2) neben dem Beklagten zu 1) als Gesamtschuldner verurteilt werde, nicht geeignet, ernsthafte Zweifel daran zu erwecken, daß als Rechtsmittelkläger nur der Beklagte zu 2) in Betracht kam.
Deshalb mußte die Auslegung der am 1. Oktober 1999 und mithin fristgerecht eingegangenen Berufungsschrift zum Ergebnis führen, daß der Beklagte zu 2) als Berufungskläger anzusehen war, so daß das Berufungsgericht die mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1999 vorsorglich eingelegte nochmalige Berufung nicht als unzulässig verwerfen durfte, sondern diese als gegenstandslos zu behandeln hatte. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Entscheidung über das vorsorgliche Wiedereinsetzungsgesuch des Beschwerdeführers. Vielmehr war die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Groß, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller, Dr. Dressler, Wellner
Fundstellen
Haufe-Index 538964 |
NJW-RR 2000, 1661 |
VersR 2000, 199 |