Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an öffentliche Bekanntmachung des Zwangsversteigerungstermines im Internet. Zugang zu Teilen der Terminsbestimmung durch Link auf andere Seite
Leitsatz (amtlich)
Wird die Terminsbestimmung durch Veröffentlichung im Internet bekannt gemacht, schadet es nicht, wenn die Aufforderungen nach § 37 Nr. 4 und 5 ZVG erst nach Anklicken eines mit "amtliche Bekanntmachung" gekennzeichneten Links wahrzunehmen sind.
Normenkette
ZVG § 39 Abs. 1 Alt. 2
Verfahrensgang
LG Kleve (Beschluss vom 07.03.2013; Aktenzeichen 4 T 39/13) |
AG Geldern (Entscheidung vom 29.01.2013; Aktenzeichen 9 K 33/12) |
Tenor
Dem Beteiligten zu 1) wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. G. bewilligt. Der Beteiligte zu 1) hat monatliche Raten von 15 EUR an die Bundeskasse zu leisten.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Kleve vom 7.3.2013 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 112.750 EUR für die Gerichtsgebühren und 202.701 EUR für die anwaltliche Vertretung des Beteiligten zu 1).
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligte zu 2) betreibt die Zwangsversteigerung in den im Eingang dieses Beschlusses genannten Grundbesitz des Beteiligten zu 1) (Schuldner). Das Vollstreckungsgericht bestimmte durch Beschluss vom 4.12.2012 den Versteigerungstermin auf den 29.1.2013 und verfügte am 7.12.2012 folgende Angaben für die Internetveröffentlichung der Teminsbestimmung: die Wiedergabe des Aktenzeichens, die Bezeichnung der Verfahrensart (Zwangsversteigerung), des Grundbuchblatts, des Objekts und seiner Lage, eine Beschreibung des Grundstücks, Mitteilungen zu dessen Verkehrswert sowie die Angaben zu dem anberaumten Termin und zu dem Ort der Versteigerung. Nach dem Veröffentlichungsvermerk der Urkundsbeamtin und dem beigefügten Ausdruck des veröffentlichten Textes ist die Veröffentlichung im Internet-Portal (www.zvg-portal.de) der Verfügung gemäß erfolgt. Auf der Internetseite befanden sich ferner ein Link auf einen Server mit Karten und Lichtbildern sowie ein Link auf eine amtliche Bekanntmachung: "amtliche-Bekanntmachung.pdf" Bei einem Mausklick darauf öffnete sich eine pdf-Datei mit einem Abbild des gerichtlichen Beschlusses über die Bestimmung des Versteigerungstermins; darin enthalten waren die Aufforderungen i.S.v. § 37 Nr. 4 und 5 ZVG.
Rz. 2
In dem Termin vom 29.1.2013 ist der Beteiligte zu 3) Meistbietender geblieben. Das Vollstreckungsgericht hat ihm mit Beschluss vom gleichen Tage den Zuschlag erteilt. Die Zuschlagsbeschwerde des Schuldners hat das LG zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will er weiterhin die Versagung des Zuschlags erreichen.
II.
Rz. 3
Das Beschwerdegericht meint, der Versteigerungstermin sei ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die nach § 37 Nr. 4 und 5 ZVG erforderlichen Angaben seien in ausreichender Weise veröffentlicht worden. Es genüge, dass sie auf dem Server des Portals abgelegt und zum Abruf bereitgestellt worden seien, auch wenn darauf über einen weiteren Link habe zugegriffen werden müssen.
III.
Rz. 4
Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Rz. 5
1. Zu Recht sieht das Beschwerdegericht die Zuschlagsbeschwerde des nach § 97 Abs. 1 ZVG beschwerdeberechtigten Schuldners als zulässig an. Zwar rügt dieser nicht die Verletzung eigener Rechte, sondern stützt die Beschwerde allein darauf, dass die Bekanntmachung des Versteigerungstermins die nach § 37 Nr. 4 und 5 ZVG erforderliche Aufforderung an die Gläubiger und sonstige Inhaber von Rechten nicht erkennen ließ. Die Vorschrift des § 100 Abs. 2 ZVG, wonach eine Zuschlagsbeschwerde nicht auf einen Grund gestützt werden kann, die nur das Recht eines anderen betrifft, gilt aber nicht für die von Amts wegen zu berücksichtigenden, in § 83 Nr. 6 und 7 ZVG bezeichneten Zuschlagsversagungsgründe (§ 100 Abs. 3 ZVG). Ein solcher liegt vor, wenn die Bekanntmachung der Terminsbestimmung den Vorgaben des § 37 ZVG nicht genügt; der Zuschlag ist dann nach § 83 Nr. 7 ZVG wegen Verletzung der Vorschrift des § 43 Abs. 1 ZVG zu versagen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.2013 - V ZB 53/12, NJW-RR 2013, 915 Rz. 6 m.w.N.).
Rz. 6
2. Frei von Rechtsfehlern ist ferner die Annahme des Beschwerdegerichts, dass die öffentliche Bekanntmachung der Terminsbestimmung (§ 39 Abs. 1 ZVG) ordnungsgemäß und der Zuschlag daher nicht gem. § 83 Nr. 7 ZVG zu versagen war.
Rz. 7
a) Die Vorschrift des § 43 Abs. 1 ZVG, nach der die Terminsbestimmung sechs Wochen vor dem Versteigerungstermin bekannt gemacht sein muss, ist verletzt, wenn die Bekanntmachung inhaltlich nicht den zwingenden Vorgaben des § 37 ZVG genügt (BGH, Beschl. v. 17.1.2013 - V ZB 53/12, a.a.O.). Erforderlich sind u.a. die Aufforderungen an die Inhaber nicht aus dem Grundbuch ersichtlicher (§ 37 Nr. 4 ZVG) oder der Versteigerung entgegenstehender Rechte (§ 37 Nr. 5 ZVG). Die Bekanntmachung muss die der Vorschrift entsprechenden Androhungen des Rechts- oder Rangverlusts enthalten. Gemäß § 37 Nr. 4 ZVG ist darauf hinzuweisen, dass nicht eingetragene Rechte bei einem Unterlassen der Anmeldung bis zum Versteigerungstermin nach § 45 Abs. 1 ZVG bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt werden und nach § 110 ZVG bei Verteilung des Erlöses allen anderen Rechten im Rang nachgehen. Die Inhaber der Versteigerung entgegenstehender Rechte sind aufzufordern, vor Zuschlagserteilung die Aufhebung oder die Einstellung der Zwangsversteigerung (§§ 771, 769 ZPO) herbeizuführen, weil andernfalls nach §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZVG der Versteigerungserlös an die Stelle des erloschenen Rechts tritt (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2013 - V ZR 155/12, BGHZ 199, 31 Rz. 19).
Rz. 8
b) Die Terminsbestimmung muss die in § 37 Nr. 4 und 5 ZVG genannten Aufforderungen auch dann enthalten, wenn sie - wie hier - nach § 39 Abs. 1 Alt. 2 ZVG nur in dem für das Gericht bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem durch Veröffentlichung im Internet bekannt gemacht wird (vgl. zu dieser Art der Bekanntmachung BGH, Beschl. v. 16.10.2008 - V ZB 94/08, NJW 2008, 3708). Wie die Veröffentlichung im Internet beschaffen sein muss, insb. ob und inwieweit Teile der Terminsbestimmung allein durch einen Verweis (Link) auf eine andere Seite zugänglich gemacht werden dürfen, ist allerdings nicht gesetzlich geregelt. In den Materialien zum Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005 (BGBl. I 837, 857) findet sich lediglich der Hinweis, dass einer Anregung des Bundesrats entsprechend die kostenintensive Printveröffentlichung nicht mehr notwendig sein soll (BT-Drucks. 15/4952, 51).
Rz. 9
aa) Die an die Bekanntmachung im Internet zu stellenden Anforderungen sind nach den Zwecken zu bestimmen, denen die Veröffentlichung der Terminsbestimmung dient (OLG Hamm OLGZ 1991, 193, 196). Diese soll im Interesse der bestmöglichen Verwertung des Grundstücks ein möglichst breites Publikum auf die Versteigerung aufmerksam machen und diejenigen, deren Rechte von der Versteigerung berührt werden, zur Wahrung ihrer Rechte veranlassen (BGH, Beschl. v. 19.6.2008 - V ZB 129/07, NJW-RR 2008, 1741 Rz. 11; Beschluss 16.10.2008 - V ZB 94/08, NJW 2008, 3708 Rz. 27; Beschl. v. 17.1.2013 - V ZB 53/12, NJW-RR 2013, 915 Rz. 7). Hier geht es um die zuletzt genannte Funktion der öffentlichen Bekanntgabe der Terminsbestimmung. Mit dieser sind die dem Versteigerungsgericht unbekannten Berechtigten in der Art eines Aufgebots aufzufordern (Jaeckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., §§ 37, 38 Rz. 5; Reinhard/Müller, ZVG, 3 u. 4. Aufl., § 37 Anm. I; Sieg, MDR 1961, 1003, Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 37 Rz. 5.1), ihre im Grundbuch nicht eingetragenen Rechte am Grundstück bis zum Versteigerungstermin anzumelden und aus ihren Rechten, die der Versteigerung entgegenstehen, eine Einstellung oder Aufhebung des Verfahrens herbeizuführen. Die Inhaber solcher Rechte müssen Gelegenheit erhalten, ihre Belange im Zwangsversteigerungsverfahren effektiv zur Geltung zu bringen (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2013 - V ZR 155/12, BGHZ 199, 31 Rz. 21). Es ist daher sicherzustellen, dass ein aufmerksamer Nutzer des für die Veröffentlichung gewählten Mediums auch die Aufforderungen nach § 37 Nr. 4 und 5 ZVG zur Kenntnis nimmt (vgl. LG Frankenthal Rpfleger 1988, 421, 422 für eine Veröffentlichung im Amtsblatt).
Rz. 10
bb) Die von dem Beschwerdegericht - anhand des in der Akte befindlichen Veröffentlichungsvermerks und eines Belegstücks (vgl. dazu Böttcher, ZVG, 5. Aufl., §§ 39, 40 Rz. 2; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 39 Rz. 2.7) - festgestellte Veröffentlichung der Terminsbestimmung genügt diesen Anforderungen. Sie erfolgte im Internet Portal "www.zvg.portal.de", welches mit dem für Nordrhein-Westfalen bestimmten Bekanntmachungsportal "www.justiz.de" (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2008 - V ZB 94/08, NJW 2008, 3708 Rz. 7 u. 21) verlinkt ist. Dass sich die nach § 37 Nr. 4 und 5 ZVG erforderlichen Angaben nicht unmittelbar auf der Internetseite mit den grundlegenden Informationen zu dem Versteigerungstermin befanden, sondern erst nach Anklicken eines neben dem Hinweis "amtliche Bekanntmachung:" befindlichen Links ("amtliche Bekanntmachung.pdf") wahrgenommen werden konnte, schadet nicht. Ein aufmerksamer, an Details der konkreten Zwangsversteigerung interessierter Nutzer erkennt ohne Weiteres, dass mithilfe dieses Links weitere Mitteilungen des Versteigerungsgerichts zu erschließen sind. Dem Nutzer bleibt schon nicht verborgen, dass es mehrerer "Klicks" bedarf, um über die Startseite von "www.justiz.de" bzw. über das (verlinkte) Portal "www.zvg-portal.de" zu der Information über ein spezifisches Zwangsversteigerungsverfahren zu gelangen; es kann daher angenommen werden, dass er auf dieser Seite befindliche weiterführende Links zur Kenntnis nimmt und sie anklickt, wenn ihm an näherer Information zu dem Objekt oder dem Verfahren gelegen ist. Gerade ein Inhaber von Rechten an dem zu versteigernden Grundstück wird es nicht versäumen, einem mit "amtliche Bekanntmachung" gekennzeichneten Link nachzugehen, kann er doch in erster Linie in dem als "amtlich" gekennzeichneten Teil der Veröffentlichung Hinweise des Gerichts für Gläubiger und andere Betroffene des Verfahrens erwarten.
Rz. 11
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht der Wirksamkeit der Bekanntmachung auch nicht entgegen, dass der Link "amtliche Bekanntmachung" auf eine PDF-Datei führt und daher nur geöffnet werden kann, wenn die entsprechende Software zur Verfügung steht. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bekanntmachung der Terminsbestimmung im Internet ausreichen zu lassen, bringt es mit sich, dass nur Interessierte mit Zugang zu entsprechender technischer Ausstattung solche Veröffentlichungen wahrnehmen können. Bedenken gegen deren Wirksamkeit könnten in diesem Zusammenhang nur aufkommen, wenn besonders aufwendige, wenig verbreitete Technik erforderlich wäre, um sie zur Kenntnis zu nehmen; das trifft auf die zur Öffnung von PDF-Dateien notwendige Software indessen nicht zu.
Rz. 12
cc) Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 16.10.2008 (V ZB 94/08, NJW 2008, 3708 Rz. 26 ff.) noch Zweifel geäußert hat, ob das Portal "www.justiz.de" Bietinteressenten und Gläubigern hinreichend einfachen und effektiven Zugang zu den Terminsbestimmungen in Zwangsversteigerungssachen gewährt, hält er hieran nicht mehr fest. Auf der Startseite von "www.justiz.de" öffnet sich nunmehr über den Link "Bekanntmachungen" ein Link "Zwangsversteigerungstermine", der wiederum zu dem Portal "www.zvg-portal.de" führt. Dieses enthält verschiedene Möglichkeiten, die Suche nach Zwangsversteigerungsterminen bzw. -objekten einzugrenzen, u.a. nach der Adresse des Objekts, nach Bundesland und AG sowie nach Terminen. Defizite bei der Nutzung der Portale sind von dem Beschwerdegericht nicht festgestellt worden und werden auch von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.
IV.
Rz. 13
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschl. v. 29.9.2011 - V ZB 65/11, NJW-RR 2012, 145 Rz. 12). Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist für die Gerichtsgebühren nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses zu bestimmen, dessen Aufhebung der Schuldner erreichen wollte (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG); er entspricht dem Meistgebot einschließlich des Werts der bestehen bleibenden Rechte (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert für die anwaltliche Vertretung des Schuldners richtet sich nach dem Wert des versteigerten Objekts (§ 26 Nr. 2 RVG).
Fundstellen
Haufe-Index 6978562 |
BB 2014, 1473 |
NJW 2014, 8 |
EBE/BGH 2014, 212 |
NJW-RR 2014, 955 |
CR 2014, 824 |
WM 2014, 1181 |
ZIP 2014, 1556 |
ZfIR 2014, 603 |
JZ 2014, 423 |
MDR 2014, 862 |
Rpfleger 2014, 531 |
ITRB 2014, 226 |
MMR 2014, 708 |
RENOpraxis 2014, 183 |
RdW 2014, 497 |
VE 2014, 132 |