Gesetzestext

 

(1) Ansprüche auf Leistungen, die auf Grund von Verträgen gewährt werden, dürfen nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, wenn

1. die Leistung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang und nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit gewährt wird,
2. über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden darf,
3. die Bestimmung von Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen als Berechtigte ausgeschlossen ist und
4. die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall, nicht vereinbart wurde.

(2) 1Um dem Schuldner den Aufbau einer angemessenen Alterssicherung zu ermöglichen, kann er unter Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Kapitalmarkt, des Sterblichkeitsrisikos und der Höhe der Pfändungsfreigrenze, nach seinem Lebensalter gestaffelt, jährlich einen bestimmten Betrag unpfändbar auf der Grundlage eines in Absatz 1 bezeichneten Vertrags bis zu einer Gesamtsumme von 256.000 Euro ansammeln. 2Der Schuldner darf vom 18. bis zum vollendeten 29. Lebensjahr 2.000 Euro, vom 30. bis zum vollendeten 39. Lebensjahr 4.000 Euro, vom 40. bis zum vollendeten 47. Lebensjahr 4.500 Euro, vom 48. bis zum vollendeten 53. Lebensjahr 6.000 Euro, vom 54. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 8.000 Euro und vom 60. bis zum vollendeten 67. Lebensjahr 9.000 Euro jährlich ansammeln. 3Übersteigt der Rückkaufwert der Alterssicherung den unpfändbaren Betrag, sind drei Zehntel des überschießenden Betrags unpfändbar. 4Satz 3 gilt nicht für den Teil des Rückkaufwerts, der den dreifachen Wert des in Satz 1 genannten Betrags übersteigt.

(3) § 850e Nr. 2 und 2a gilt entsprechend.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Mit der Aufgliederung der Alterssicherungssysteme geht eine Fragmentierung der Vollstreckungsregeln einher. Rentenansprüche der Beschäftigten aus der gesetzlichen Sozialversicherung wegen Alters, §§ 35 ff SGB VI, wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit, § 43 SGB VI, oder für Hinterbliebene, §§ 46 ff SGB VI, sind nach § 54 IV SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbar. Aufgrund landesrechtlicher Regelungen gleichgeschaltet sind auch Renten aus berufsständischen Versorgungswerken (BGHZ 160, 196, 202; Smid FPR 07, 443). Ansprüche auf wiederkehrende Zahlungen, die vom Arbeitgeber aufgrund eines früheren Arbeits- oder Dienstverhältnisses erbracht werden sowie Beamtenpensionen, stellen nach § 850 II Arbeitseinkommen dar (§ 850 Rn 27). Dabei ist unerheblich, ob die Zahlungen unmittelbar durch den Arbeitgeber oder durch eine Unterstützungskasse bzw einen Pensionsfond erfolgen. Ansprüche aus privaten Versicherungsverträgen zur Versorgung eines Dienstverpflichteten sind schließlich nach § 850 III b als Arbeitseinkommen geschützt (§ 850 Rn 32).

 

Rn 2

Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zum Pfändungsschutz für die Altersvorsorge v 26.3.07 (BGBl I, 368) bestand va bei Versorgungsrenten selbständig erwerbstätiger Versicherungsnehmer eine Schutzlücke, da für deren private Altersvorsorge die bestehenden Vollstreckungsschutzregeln nicht eingriffen (BGH NZI 08, 93 [BGH 15.11.2007 - IX ZB 34/06] Rz 18). § 851c stellt die Ansprüche auf private Versicherungsrenten den anderen Rentenansprüchen gleich. Laufende Rentenzahlungen werden wie Arbeitseinkommen geschützt. Um die Versorgungsfunktion erfüllen zu können, wird auch ein gewisser Kapitalsockel dem Vollstreckungszugriff entzogen. Vorrangiges Ziel von § 851c ist, die Existenzgrundlage des Schuldners im Alter zu sichern, dem hinreichende Subsistenzmittel belassen werden, um ein angemessenes Leben führen zu können (BGH WM 11, 128 Rz 20). Aufgabe ist die Unterhaltssicherung, nicht der Vermögensschutz. Zugleich beseitigt die Regelung die Ungleichbehandlung bei der Altersvorsorge Selbständiger ggü anderen Alterssicherungssystemen. Durch die gestaffelten Jahresbeiträge und das gedeckelte Kapitalvolumen nach Abs 2 sowie die umfassende Anwendung der Lohnpfändungsregeln nach Abs 1 werden zugleich auch die Interessen der Gläubiger angemessen berücksichtigt. Zudem soll der Staat dauerhaft von der Erbringung der Sozialleistungen entlastet werden (BGH NZI 11, 67 [BGH 25.11.2010 - VII ZB 5/08]).

 

Rn 3

Über die Existenzsicherung im Alter hinaus, ermöglicht § 851c einen adäquaten Lebensunterhalt in anderen Versorgungsfällen durch privaten Versicherungsschutz bei Berufsunfähigkeit und bei der Hinterbliebenenversorgung.

B. Anwendungsbereich und Systematik.

 

Rn 4

Der persönliche Anwendungsbereich von § 851c ist nicht auf Selbständige bzw ehemals Selbständige beschränkt. Die Regelung gilt für alle natürlichen Personen unabhängig von ihrer erwerbswirtschaftlichen Stellung, die einen Altersversicherungsvertrag nach Abs 1 oder 2 geschlossen haben (Wollmann S 37). Sie erfasst Selbständige, wie Freiberufler, Landwirte und andere Unternehmer, nichtselbständig Erwerbstätige, dh Arbeitnehmer und Beamte einschl der Berufssoldaten (Dietzel S 28; aA LG Bonn ZVI 09, 214 [LG Bonn 03.04.2009 - 6 T 101/08]), und nicht erwerbswirtschaftlich Tätige, wie Hausfrauen oder -männer, Studierende, Arbeitslose, Rentner, aber auch Häftlinge. Unerheblich ist, ob ander...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt HSO FV Sachsen online Kompaktversion. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen