Gesetzestext

 

(1) Solange der Erbe die Erbschaft nicht angenommen hat, ist eine Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, nur in den Nachlass zulässig.

(2) Wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben ist eine Zwangsvollstreckung in den Nachlass vor der Annahme der Erbschaft nicht zulässig.

A. Normzweck.

 

Rn 1

§ 778 befasst sich mit der vorläufigen Rechtsstellung des Erben bis zu einer Annahme der Erbschaft. Er behandelt die insoweit bestehenden unterschiedlichen Vermögensmassen, zum einen den Nachlass und zum anderen das eigene Vermögen des Erben. Die Vorschrift dient dem Zweck, diese beiden Vermögensmassen vor Annahme der Erbschaft durch den Erben auch im Vollstreckungsverfahren getrennt zu halten. § 778 I hat den Zweck, den Erben, welcher die Erbschaft noch nicht angenommen hat, vor Vollstreckungsmaßnahmen der Nachlassgläubiger zu schützen; er ergänzt insoweit § 1958 BGB, wonach vor der Annahme der Erbschaft ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden kann. Die Vollstreckung kann nur in den Nachlass erfolgen, somit in das ererbte Vermögen einschl der Surrogate. § 778 II dagegen bezweckt den Schutz des Nachlasses ggü den Privatgläubigern des Erben, solange letzterer die Erbschaft noch nicht angenommen hat.

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

Die Vorschrift gilt für jede Art der Zwangsvollstreckung, auch für die Arrestvollziehung nach § 928 (RGZ 60, 179, 181). § 778 greift dann nicht mehr ein, wenn der Erbe die Erbschaft gem §§ 1946 ff BGB angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB hat verstreichen lassen. Bei Miterbschaft läuft für jeden Miterben eine eigene Ausschlagungsfrist; die Voraussetzungen des § 778 sind damit für jeden einzelnen Miterben gesondert zu prüfen.

C. Voraussetzungen.

I. § 778 I.

 

Rn 3

Gemäß § 778 I ist die Zwangsvollstreckung in das eigene Vermögen des Erben wegen Nachlassverbindlichkeiten ausgeschlossen, wenn diese nicht gleichzeitig auch Eigenschulden des Erben sind. Zu den Nachlassverbindlichkeiten iSd § 1967 II BGB gehören nicht nur die vom Erblasser herrührenden Schulden, sondern auch die Verbindlichkeiten, die aus dem Erbfall und in der Person des Erben entstehen, die sog Erbfallschulden, wie Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten gem §§ 2303 ff BGB, Vermächtnisse gem §§ 2150, 2174 BGB, Auflagen gem §§ 2192 ff, 1934b II BGB, vermächtnisähnliche Ansprüche wie Voraus des § 1932 BGB und Dreißigster gem § 1969 BGB, ebenso die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers gem § 1968 BGB. Für die Nachlasskosten haften allein die Erben (Ddorf Rpfleger 68, 98; Staudinger/Marotzke § 1967 BGB Rz 37); es sind dies Kosten, die durch die Eröffnung einer Verfügung vTw entstehen; ebenso Kosten der Nachlasssicherungsmaßnahmen, der Errichtung von Nachlassinventar und einer Nachlasspflegschaft, einer Nachlassverwaltung oder einer Pflegschaft für den Nacherben. Auch Erbschaftssteuern sind keine Nachlassverbindlichkeiten (Ddorf FamRZ 99, 1465; Hamm OLGZ 90, 393, 395; Staudinger/Marotzke § 1967 BGB Rz 33; aA BFHE 168, 206, 210). Nicht anwendbar ist § 778 I auf die sog Nachlasserbenverbindlichkeiten, für die der Erbe nicht nur als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, sondern auch unabhängig von seiner Erbenstellung haftet (Staudinger/Marotzke § 1967 BGB Rz 5).

 

Rn 4

Hat die Vollstreckung bereits vor dem Tod des Titelschuldners begonnen, wird die Vollstreckung in den Nachlass ohne weiteres nach § 779 fortgesetzt. Beginnt sie erst nach dem Tod des Erblassers, ist eine Umschreibung des Titels nach § 727 erforderlich; da diese gem § 1958 BGB gegen den vorläufigen Erben nicht erfolgen kann, muss, soweit die Erbschaft noch nicht angenommen wurde, ein Nachlasspfleger gem § 1961 BGB bestellt werden; antragsberechtigt ist der Gläubiger (St/J/Münzberg Rz 7; Zö/Geimer Rz 6).

II. § 778 II.

 

Rn 5

Gemäß § 778 II ist die Vollstreckung wegen Eigenverbindlichkeiten des Erben in den Nachlass vor Annahme der Erbschaft nicht statthaft; sie darf nur in das Eigenvermögen des Erben erfolgen; auch die Vollstreckung in Nachlass-Surrogate ist ausgeschlossen. Sind mehrere Erben vorhanden, bedarf es gem § 740 für die Zwangsvollstreckung in einen Nachlass bis zur Erteilung eines gegen alle Erben ergangenen Titels. Damit kann aus dem Titel gegen nur einen der Miterben nicht in den Nachlass vollstreckt werden. Ausgenommen ist der Fall, dass persönliche Verbindlichkeiten sämtlicher Miterben vorliegen, für welche diese als Gesamtschuldner haften (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 5).

D. Rechtsbehelfe.

I. § 778 I.

 

Rn 6

Verstoßen die Vollstreckungsorgane gegen § 778 I kann der Erbe einer Vollstreckung wegen Nachlassschulden in sein eigenes Vermögen im Weg des § 771 begegnen, da er insofern Dritter ist (St/J/Münzberg Rz 3; so im Ergebnis auch MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann § 779 Rz 7). Er kann auch Erinnerung gem § 766 bzw sofortige Beschwerde nach § 793, ggf iVm § 11 I RPflG einlegen (St/J/Münzberg Rz 3; Zö/Geimer Rz 11; zweifelnd MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann § 779 Rz 7). Der Gläubiger des Erben kann Erinnerung gem § 766 II einlegen, wenn unter Berufung auf § 7...

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