Gesetzestext

 

1Solange ein Veräußerungsverbot der in den §§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art besteht, soll der Gegenstand, auf den es sich bezieht, wegen eines persönlichen Anspruchs oder auf Grund eines infolge des Verbots unwirksamen Rechts nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden. 2Auf Grund des Veräußerungsverbots kann nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erhoben werden.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Gemäß § 772 S 1 soll eine Veräußerung und Überweisung bei Vorliegen eines relativen Veräußerungsverbotes nach §§ 135, 136 BGB nicht erfolgen. § 772 S 1 stellt eine Verfahrensvorschrift dar, die auch dem Schutz des Schuldners dient; dieser soll vor einem ungünstigen Verwertungsergebnis geschützt werden (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 19; Musielak/Voit/Lackmann Rz 3; aA Hambg MDR 66, 515, 516; St/J/Münzberg Rz 11).

 

Rn 2

§ 772 S 2 schützt den Dritten. Er stellt ihm die Interventionsklage nach § 771 zur Verfügung und gibt ihm damit die Möglichkeit, die Verwertung entspr dem Gedanken des § 772 S 1 von vornherein zu verhindern (St/J/Münzberg Rz 10; Schuschke/Walker/Raebel Rz 5). § 772 S 1 hat auf die Wirksamkeit etwa durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen keinen Einfluss; diese sind lediglich dem Dritten ggü, der sich auf § 135 I 2 BGB beruft, unwirksam. § 772 S 2 schützt damit den Dritten vor der Gefahr der Verwertung der Sache und damit auch vor der Gefahr, dass der Erwerber im Vollstreckungsverfahren ohne Rücksicht auf das Recht des Dritten lastenfreier Eigentümer wird und hiermit das relative Veräußerungsverbot der §§ 135 I 2, 136 BGB vereitelt würde.

B. Anwendungsbereich, Abgrenzung.

I. Anwendbarkeit.

 

Rn 3

§ 772 wird sowohl in der Mobiliar- als auch in der Immobiliarzwangsvollstreckung angewendet.

 

Rn 4

Diese Vorschrift gilt nur für relative gesetzliche und behördliche Veräußerungsverbote. Gesetzliche Veräußerungsverbote enthalten bspw die §§ 88, 156 VVG, 21 I InsO (Musielak/Voit/Lackmann Rz 1; Zö/Herget Rz 1). Behördliche Veräußerungsverbote sind solche nach §§ 938 II, 1019 BGB, ebenso nach § 111c StPO (Musielak/Voit/Lackmann Rz 1; Zö/Herget Rz 1). Nicht unter § 772 fallen die relativen Veräußerungsverbote zug eines Hypothekengläubigers gem §§ 1124 II, 1126 S 3 BGB, da hier spezialgesetzliche Regelungen bestehen (Zö/Herget Rz 1). Zu den zu berücksichtigenden behördlichen Veräußerungsverboten gehören nicht die Vormerkung, auch nicht der Widerspruch nach § 899 BGB. Das dem Widerspruch zugrunde liegende Recht des § 899 BGB kann jedoch eine Klage aus § 771 rechtfertigen (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 10, 11). Auch die iRd Zwangsvollstreckung und der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergehenden Verfügungs- und Veräußerungsverbote unterfallen nicht § 772; der Zugriff weiterer Gläubiger ist gesetzlich geregelt (St/J/Münzberg Rz 2; Zö/Herget Rz 1). Rechtsgeschäftliche Veräußerungsverbote fallen nicht unter § 772; diesen kommt gem § 137 BGB dingliche Wirkung nicht zu (Wieczorek/Schütze/Spohnheimer Rz 10).

 

Rn 5

Auf absolute Verfügungsverbote des § 134 BGB ist § 772 nicht anzuwenden; diese umfassen bspw die Verfügungsbeschränkungen des Gesellschafters gem § 719 I BGB, des Ehegatten gem §§ 1365 I, 1369 I BGB und die Beschränkungen, die gem § 1984 I BGB mit der Nachlassverwaltung verbunden sind, sowie die Verfügungsbeschränkungen durch Testamentsvollstreckung nach § 2211 BGB (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 7), ebenso die Abtretungsverbote der §§ 399, 413 BGB (für letztere BGHZ 40, 156, 159, 160) sowie vereinbarte Abtretungsverbote (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 8). Absolute Verfügungsverbote sind auch die Verfügungsbeschränkungen des Insolvenzschuldners nach § 81 InsO und das Veräußerungsverbot nach § 21 II Nr 2 InsO.

II. Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen.

 

Rn 6

§ 772 S 1 ist eine Verfahrensvorschrift, die auch den Schuldner schützt (Rn 1). Dem Schuldner steht daher die Erinnerung offen. Der Dritte kann zwischen Erinnerung nach § 766 und der Interventionsklage wählen.

C. Voraussetzungen.

 

Rn 7

§ 772 S 1 betrifft nicht den Vollstreckungszugriff, sondern nur die Veräußerung oder Überweisung im Weg der Zwangsvollstreckung, somit die Verwertung. Pfändung ist somit von § 772 S 1 nicht erfasst, ebenso wenig die Eintragung einer Sicherungshypothek; auch können Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung angeordnet werden. Die Versteigerung selbst soll nicht erfolgen, wenn diese aufgrund eines persönlichen Rechtes betrieben wird oder ein dingliches Recht vom relativen Veräußerungsverbot erfasst wird. Ein Rechtschutzbedürfnis für die Klage besteht dann, wenn mit einer Vollstreckungsmaßnahme begonnen wird; bereits dann zeichnet sich die konkrete Gefahr der Verwertung ab. Das Rechtschutzbedürfnis besteht bis zur Beendigung der Zwangsvollstreckung einschl der Verwertung.

D. Urteil, Urteilswirkungen.

 

Rn 8

Das der Klage stattgebende Urt spricht aus, dass die Veräußerung im Weg der Zwangsvollstreckung bzw die Überweisung unzulässig ist. Die Rechtskraft erstreckt sich nur darauf, dass wegen des bestehenden Veräußerungsverbotes die Verwertung unzulässig ist. Nicht von der Rechtskraft umfasst ist die Frage, ob das Veräußerungsverbot tatsächlich zug des Dritten besteht....

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt HSO FV Sachsen online Kompaktversion. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen