Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Infektion mit Covid-19-Virus. Unfallereignis. Unfallkausalität. Nachweis. erhöhtes Infektionsrisiko. Büroarbeitsplatz. keine Beweiserleichterung. infizierte Kontaktperson. Arbeitskollegin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Infektion mit dem Covid-19-Virus kann ein Unfallereignis im Sinne des § 8 Abs 1 S 2 SGB 7 sein, denn das Eindringen eines Krankheitserregers -hier von Viren- in den Körper ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis.

2. Für den Nachweis der Unfallkausalität im Einzelfall ist der Covid-19-Risikorechner für Aerosolübertragung und Ansteckungsgefahr in Innenbereichen des Max-Planck-Institutes für Chemie nicht geeignet.

3. Dem Versicherten ist bei allgemeinem Infektionsrisiko keine Beweiserleichterung im Zusammenhang mit dem Kausalitätsnachweis in Form des prima-facie-Beweises (Anscheinsbeweis) einzuräumen.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 (nachfolgend: Covid-19-Virus) als Arbeitsunfall festzustellen ist.

Der 1981 geborene Kläger, der als Prüfer beim R in S beschäftigt ist, infizierte sich im April 2021 mit dem Covid-19-Virus. Ein Nachweis im PCR-Test erfolgte am 14.04.2021.

Mit Unfallanzeige vom 09.06.2021 teilte der R mit, der Kläger mache geltend, sich am Arbeitsplatz mit dem Covid-19-Virus infiziert zu haben. In einer der Unfallanzeige beigefügten Stellungnahme gab der Kläger an, er gehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, sich im dienstlichen Rahmen am 07.04.2021 von seiner Kollegin (nachfolgend: K) angesteckt zu haben. Er habe mit dieser eine kurze Unterhaltung in seinem Büro geführt. Auch habe es einen ständigen Luftaustausch zwischen seinem und dem im Flur gegenüberliegenden Büro der K gegeben. Am 07.04.2021 sei er im Rahmen der bestehenden Präsenspflicht in den Räumlichkeiten des R tätig gewesen. Vor dem 07.04.2021 habe er in der Zeit vom 27.03.2021 bis 06.04.2021 Urlaub (Osterferien) gehabt und am 08.04.2021 sowie am 09.04.2021 seinen Dienst in Telearbeit von zu Hause aus verrichtet. Ein am 09.04.2021 durchgeführter PoC-Antigentest im Corona-Schnelltestzentrum in einer Apotheke in D sei negativ gewesen. Am Abend des 11.04.2021 hätten sich erste Symptome wie eine Einschränkung des Geschmackssinns, ein trockener Hals mit leichtem Reizhusten sowie ein leichtes Unwohlsein eingestellt. Nachdem er zunächst davon ausgegangen sei, er habe eine „normale Erkältung“, habe er sich am 12.04.2021 erneut zur Arbeit in den R begeben. Dort erfuhr er, dass K am 09.04.2021 positiv auf das Covid-19-Virus getestet worden war. Daraufhin habe er umgehend einen Selbsttest durchgeführt, der positiv ausgefallen sei. Eine anschließend am 14.04.2021 durchgeführte PCR-Testung bestätigte sein positives Ergebnis ebenso wie eine Covid-19-Infektion der im gemeinsam Haushalt lebenden Ehefrau und beider Töchter.

Im April 2021 galten im R die folgenden innerdienstlichen Anweisungen, die nach Angaben des Klägers auch eingehalten wurden:

- Maskenpflicht in den Dienstgebäuden, außer im eigenen Büro, wenn man sich dort alleine aufhält;

- Einhaltung der AHA-Regeln;

- Bereitstellung von Flächen- und Händedesinfektionsmitteln in allen gemeinsam genutzten Büros bzw. Räumen;

- Präsenzpflicht reduziert auf einen Tag/Woche, vier Tage konnten in Telearbeit zuhause gearbeitet werden;

- Doppelbüros dürfen nur von einer Person genutzt werden.

Nach Angaben des Klägers besteht bei ihm als Folge seiner Covid-19-Erkrankung ein chronischer Zustand der Erschöpfung (Fatigue-Syndrom).

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber in einer Stellungnahme vom 09.07.2021 mit, der Kläger sei in der Kontaktliste der K nicht aufgeführt worden, weil lediglich ein höchstens 5 Minuten dauerndes Gespräch unter Einhaltung eines Abstandes von mindestens zwei Metern und mit Maske stattgefunden habe. Neben dem Kläger und K sei am 17.04.2021 ein weiterer Mitarbeiter der Abteilung positiv auf das Covid-19-Virus getestet worden.

Mit Bescheid vom 15.07.2021 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Covid-19-Infektion des Klägers als Arbeitsunfall ab, da ein stattgehabter intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person (Indexperson) nicht hätte nachgewiesen werden können und sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass Arbeitsbedingungen mit größeren Einfluss auf die Erregerverbreitung und - aufnahme bestanden hätten.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er trug vor, er habe am 07.04.2021 auf Grund der kühlen Temperaturen ein einzelnes Fenster seines Büros gekippt gehabt. Dies habe zu einem Luftaustausch zwischen seinem und dem im Flur gegenüberliegenden Büro der K geführt, so dass die durch die infektiösen Aerosole belastete Luft in sein Büro gelangen konnte. K und er hätten in ihren Büros keine Maske getragen. Auch während des kurzen Gesprächs habe lediglich K eine Maske getragen, er selbe...

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