Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne des § 71 Abs 3 SGB 11. Berufsausübungsfreiheit gemäß Art 12 GG

 

Orientierungssatz

Eine ausgebildete Altenpflegerin besitzt gegenüber der Pflegekasse keinen individuellen Anspruch auf Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft gemäß § 71 Abs 3 SGB 11. Bei den §§ 71, 72 SGB 11 handelt es sich lediglich um Qualitätsanforderungen an die als Leistungserbringer zugelassenen stationären Pflegeinrichtungen. Die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft stellt keinen formalen Akt dar, den die Pflegekasse vorzunehmen hätte. Ein Verstoß gegen Art 12 GG ist nicht ersichtlich.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.05.2011; Aktenzeichen B 3 P 5/10 R)

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung der Klägerin als Pflegefachkraft im Sinne des § 71 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB XI). Die Klägerin ist ausgebildete Altenpflegerin und arbeitet seit 1995 als Altenpflegerin in verschiedenen Einrichtungen und von März 1998 bis Juli 2002 als Altenpflegerin im stationären Bereich. Von April 2005 bis 31.1.2007 machte die Klägerin eine Weiterbildung zur Managerin im Sozial- und Gesundheitsbereich. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 04.02.2008 die Beklagte unter Fristsetzung bis 11.02.2008 aufgefordert, die Klägerin als Pflegefachkraft anzuerkennen. Für den Fall fruchtlosen Fristablaufs wurde gerichtliche Klärung angedroht. Da innerhalb der Frist keine Stellungnahme der Beklagten erfolgte, wurde am 29.02. 2008 mit Schreiben vom 26.02.2008 Klage erhoben. Der Bevollmächtigte der Klägerin begründet die Klage damit, dass § 71 Abs. 3 SGB XI die Anspruchsgrundlage für die Anerkennung als verantwortliche Pflegekraft sei. § 71 müsse eine eigenständige Anspruchsgrundlage des Arbeitnehmers auf Anerkennung als Pflegefachkraft darstellen, da es nicht sein könne, dass die Voraussetzungen des § 72 SGB XI in § 71 SGB XI geprüft würden. Dies würde bedeuten, dass Arbeitnehmer, die die Weiterbildung als verantwortliche Pflegekraft durchlaufen hätten sich nicht als solche bewerben könnten. Denn erst im Zusammenhang mit der Vergabe eines Versorgungsvertrages würde geprüft werden, ob der Mitarbeiter die Voraussetzungen des § 71 SGB XI erfülle. Die Klägerin wäre in ihrem Recht auf Berufsausübung eingeschränkt, so dass Art. 12 Abs. 2 Grundgesetz (GG) tangiert sei. Das Gericht hat beim Klägerbevollmächtigten angefragt, worin die rechtliche Beeinträchtigung der Klägerin liegen solle, da sie laut Lebenslauf seit dem 1. November 2007 als Pflegedienstleistung beschäftigt ist. Der Klägerbevollmächtigte teilte mit, dass die Klägerin seit 29.04.2008 nicht mehr als Pflegedienstleitung beschäftigt sei.

Die Beklagten erwiderten, dass sie aufgrund eines anderen gleich gelagerten Falles der Prozessbevollmächtigte davon unterrichtet worden seien, dass ein Anspruch auf Anerkennung unabhängig von einem Versorgungsvertrag mit einem Pflegedienst nicht bestehe. Im vorliegenden Verfahren sei der Prozessbevollmächtigte der Klägerin daher nicht gesondert angeschrieben worden. Das Sozialgericht Konstanz habe in einer Entscheidung bereits festgestellt, dass die Anerkennung als Pflegefachkraft kein formaler Akt sei, den die Beklagten vorzunehmen hätten. Die Voraussetzungen, die eine Pflegefachkraft zu erfüllen habe ergeben sich allein nach dem Gesetz und seien erst zu prüfen, wenn der Abschluss eines Versorgungsvertrages begehrt werde. Dieser Auffassung schließt sich die Beklagte an. Der Klägerbevollmächtigte teilte dann mit, dass eine effektive Anerkennung in gleich gelagerten Fällen durch die Beklagte zu 1 schon erfolgt sei. In Fällen, in denen eine verantwortliche Pflegefachkraft aus einem bestehenden Versorgungsvertrag ausscheide, und die Pflegeeinrichtungen die Stelle neu besetzen müsse, könne diese keine Arbeitnehmer berücksichtigen, die noch keine Tätigkeit als Pflegefachkraft ausgeübt hätten, da sie nicht wüsste, ob diese Arbeitnehmer die Voraussetzungen als verantwortliche Pflegefachkraft erfüllen würden. Auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts, welches im Zusammenhang mit einem Versorgungsvertrag ergangen sei, helfe den Arbeitnehmern nicht. Ein sachlicher Grund, weshalb die Voraussetzungen, die Pflegefachkraft nach § 71 Abs. 3 SGB XI erfüllen müsse, erst zu prüfen sei, wenn der Abschluss eines Versorgungsvertrages anstehe, sei nicht ersichtlich. Ansonsten könne die Pflegefachkraft ihren Beruf nicht frei wählen. Die Klägerin sei vom 01.03.2008 bis 05.05.2008 arbeitslos gewesen. Seit 05.05.2008 sei sie als stellvertretende Heimleiterin und stellvertretende Pflegedienstleiterin beschäftigt. Verantwortliche Pflegefachkräfte im Sinne des § 72 SGB XI seien der Heimleiter und die Pflegedienstleitung.

Der Bevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 26.02.2008,

die Beklagten werden verurteilt, die Klägerin als verantwortliche Pflegefachkraft für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen anzuerkennen.

Die Bevo...

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