Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für Adoptivkinder im Rahmen der Anwartschaft für Arbeitslosengeld. Arbeitslosengeldanspruch. Anwartschaftszeit. Verlängerung der Rahmenfrist. Kinderbetreuung- bzw -erziehung. Vollendung des 3. Lebensjahres. älteres Adoptivkind. sonstige Versicherungspflicht. Verfassungsmäßigkeit. EuGH-Vorlage
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F., wonach sich die Rahmenfrist nur um Zeiten der Betreuung eines Kindes verlängerte, in denen das Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, enthielt keine Regelungslücke und war nicht verfassungswidrig.
2. Dies gilt sinngemäß auch für die Neuregelung des § 26 Abs. 2a SGB III, wonach Personen in der Zeit, in der sie ein Kind erziehen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen versicherungspflichtig sind.
3. Eine Pflicht zur EuGH-Vorlage besteht nicht, wenn bei Nichtzulassung der Revision die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ab 1. Oktober 2006 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.
Die … 1959 geborene Klägerin meldete sich am 1. August 2006 mit Wirkung vom 1. Oktober 2006 arbeitslos und beantragte Alg. In einer hierzu vorgelegten Arbeitsbescheinigung heißt es, die Klägerin sei vom 1. November 1985 bis zum 30. September 2006 als kaufmännische Angestellte bei der P. R. GmbH & Co. KG in H. beschäftigt gewesen. Der Arbeitgeber habe das Beschäftigungsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 30. September 2006 gekündigt. In der Zeit vom 5. Mai 2003 bis zum 18. Februar 2006 habe die Klägerin aus Gründen der Elternzeit kein Arbeitsentgelt erhalten. 2003 hatte die Klägerin das … 1998 geborene und aus Haiti stammende Kind Pa. adoptiert.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, dass die Anwartschaftszeit - eine der Voraussetzungen für den Bezug von Alg - nicht erfüllt sei. Denn die Klägerin habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 1. Oktober 2006 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden; Kindererziehungszeiten seien nach § 26 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres versicherungspflichtig.
Hiergegen erhob die Klägerin am 25. Oktober 2006 Widerspruch. Zur Begründung verwies sie darauf, dass ihr bei Abgabe des Antrags Leistungen in Höhe von ca. 1.100,00 EUR monatlich in Aussicht gestellt worden seien. Auf die jetzt herangezogene Regelung sei sie zu keinem Zeitpunkt hingewiesen worden. Die Nichtberücksichtigung von Erziehungszeiten nach dem 3. Lebensjahr eines Kindes im Rahmen einer Alg-Anwartschaft benachteilige sie gegenüber Eltern, die ein Kind bis zum Alter von drei Jahren betreuten. Dies sei ein eklatanter Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG). Nachdem sie auch während der Erziehungszeit krankenversichert gewesen sei, habe aus ihrer Sicht Versicherungspflicht im Sinne von § 26 Abs. 2a SGB III vorgelegen; anderenfalls hätte eine entsprechende Aufklärung erfolgen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass die Klägerin in der Rahmenfrist vom 1. Oktober 2004 bis 30. September 2006 nur in der Zeit vom 19. Februar 2006 bis zum 30. September 2006 (224 Kalendertage) eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. Für den geltend gemachten Anspruch hätte sie gemäß § 123 Abs. 1 SGB III jedoch innerhalb der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis stehen müssen. Die Zeit der Erziehung des Kindes Pa. in der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis 18. Februar 2006 könne nicht als versicherungspflichtige Zeit anerkannt werden. Nach § 26 Abs. 2a SGB III seien ab 1. Januar 2003 Personen grundsätzlich versicherungspflichtig in der Zeit, in der sie ein Kind erzögen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Der Sohn der Klägerin habe das dritte Lebensjahr allerdings bereits im Februar 2001 vollendet. Ein Anspruch auf Bewilligung von Alg könne auch nicht aus der Zusage von Mitarbeitern der zuständigen Arbeitsagentur abgeleitet werden, weil diese nicht schriftlich erfolgt sei (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).
Die Klägerin hat am 4. Januar 2007 bei dem Sozialgericht (SG) Kiel Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend geltend gemacht: Die Regelung, wonach die Elternzeit nach dem dritten Lebensjahr des Kindes unberücksichtigt bleibe und der Anspruch auf Alg verlorengehe, w...