Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Ausbildungsstätte für Psychotherapie. rückwirkende Erhöhung der Honorare für antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen mit Wirkung vom 2012. Verwirkung von Nachzahlungsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. Die rückwirkende Erhöhung der Honorare für antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen (einschließlich der Einführung von Strukturzuschlägen nach den Gebührenordnungspositionen 35251 und 35252 (juris: EBM-Ä 2008)) mWv 2012 gilt auch für die ermächtigten Ambulanzen staatlich anerkannter Ausbildungsstätten für Psychotherapie (vgl BSG vom 12.12.2018 - B 6 KA 41/17 R = SozR 4-2500 § 117 Nr 7).
2. Nachzahlungsansprüche der Träger dieser Ausbildungsstätten können mangels rechtzeitiger Vorbehalte einer Nachforderung aber verwirkt sein.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. November 2017 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.929,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15. Dezember 2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 189.685 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht eine Nachvergütung ambulanter psychotherapeutischer Leistungen der Ambulanz einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte für Psychotherapie in den Quartalen I/2012 - III/2016 aufgrund wiederholter rückwirkender Änderung der Bewertung der antragspflichtigen Leistungen des Abschnitts 35.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) und Einführung eines sog Strukturzuschlags.
Der Kläger ist Träger einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte für Psychotherapie nach § 28 des Gesetzes über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz - PsychThG; im streitbefangenen Zeitraum: § 6 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ≪Psychotherapeutengesetz - PsychThG aF≫), deren Ambulanz zur ambulanten psychotherapeutischen Behandlung ermächtigt ist.
Für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 schlossen die anerkannten psychotherapeutischen Ausbildungsinstitute in Niedersachsen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen die „Vereinbarung gemäß § 120 Abs. 2 und 3 SGB V über die Vergütung der Leistungen der Ambulanzen an den Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG“ vom 28. Februar 2012 (im Folgenden: Vereinbarung). Nach § 4 S 1 der Vereinbarung erfolgt die Vergütung der erbrachten Leistungen „als Einzelleistungsvergütung gemäß EBM“. Die Höhe des Punktwertes wird in der Anl 1 zur Vereinbarung festgelegt (§ 4 S 2 der Vereinbarung), die im Streitzeitraum jeweils an die Anhebungen des Orientierungswertes angepasst wurde und in der zuletzt vereinbarten Neufassung (vom 16. Dezember 2013) auf die jeweils gültige regionale Euro-Gebührenordnung verweist. Gemäß § 7 Nr 5 der Vereinbarung ist „Die Abrechnung […] längstens innerhalb der auf das Leistungsquartal folgenden vier Quartale möglich. Für nach dieser Frist eingereichte Abrechnungen besteht kein Vergütungsanspruch.“
Auf der Grundlage dieser Vereinbarung rechnete der Kläger die in seiner Ausbildungsstätte in den Quartalen I/2012 - III/2016 erbrachten psychotherapeutischen Leistungen jeweils nach Quartalsende gegenüber der Beklagten ab. Über den form- und fristgerechten Eingang dieser Abrechnungen und die Höhe der daraus resultierenden Vergütung, die die Beklagte an den Kläger auch ausgezahlt hat, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Am 22. September 2015 beschloss der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) rückwirkend zum 1. Januar 2012 Änderungen des Abschnitts 35.2 EBM (Antragspflichtige Leistungen). Neben einer Anhebung der (Punktzahl-)Bewertung der Gebührenordnungspositionen (GOP) des Abschnitts nahm der Ausschuss die GOPen 35251 und 35252 auf, die jeweils einen Zuschlag zu bestimmten psycho- und verhaltenstherapeutischen Einzel- (GOP 35251) bzw Gruppenbehandlungen (GOP 35252) vorsehen (sog Strukturzuschlag). Hinsichtlich der Berechnung des Zuschlags ergänzte er die Bestimmungen in der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM.
Im Februar 2016 führten die Arbeitsgemeinschaft der niedersächsischen Ausbildungsinstitute und die Krankenkassenverbände Verhandlungen darüber, ob und inwieweit die Änderungen des EBM im Rahmen der Vergütung der Leistungen der Ambulanzen der Ausbildungsstätten umzusetzen seien. Im Ergebnis wurde von Kassenseite lediglich eine Nachvergütung aufgrund der Erhöhung der Punktzahlen ab dem Quartal I/2015 akzeptiert. Für die Quartale I/2015 - III/2016 zahlte die Beklagte dem Kläger dementsprechend Nachvergütungen unter Berücksichtigung der erhöhten Punktzahlen.
Mit quartalsweise...