Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Bundesvereinigung. Verwaltungskostenumlage. Satzungsermächtigung. Bestimmtheitsgebot. differenzierter Grundbeitrag je Mitglied. keine Heilung unbestimmter Satzungsbestimmungen durch einfachen Satzungsbeschluss
Leitsatz (amtlich)
1. Satzungsbestimmungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die in Ausübung des Gestaltungsspielraumes zur Erhebung von Verwaltungskostenumlagen von Kassenärztlichen Vereinigungen erlassen werden, müssen dem Bestimmtheitsgebot entsprechen.
2. Eine Satzungsbestimmung, wonach eine Umlage „nach einem gegebenenfalls auch differenzierten Grundbeitrag“ erhoben werden kann, ist nicht hinreichend bestimmt.
3. Einfache Beschlüsse der Vertreterversammlung sind nicht geeignet, unbestimmte Satzungsbestimmungen zu "heilen".
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der „Jahressumme der Kopfbeiträge“ als Teil der Verwaltungskostenumlage für das Haushaltsjahr 2013.
Die Klägerin ist als Kassenärztliche Vereinigung für das Land Baden-Württemberg Mitglied der Beklagten, des Dachverbandes aller 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in Gestalt einer Körperschaft des öffentlichen Rechts auf Bundesebene.
Gemäß § 87b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verteilt eine KV die vereinbarten Gesamtvergütungen an ihre Mitglieder, entsprechend den erbrachten Leistungen und gemäß den Regelungen des Verteilungsmaßstabes. Das gilt für die Leistungen, die im Rahmen besonderer Versorgungsformen erbracht wurden, nicht. Zu diesen Leistungen gehörten 2013 die integrierte Versorgung und die hausarztzentrierte Versorgung sowie die besondere ambulante ärztliche Versorgung. Die ärztlichen Leistungen dieser Versorgungsformen vergüteten die einzelnen Krankenkassen direkt den teilnehmenden Vertragsärzt*innen gegenüber auf der Grundlage von Selektivverträgen. In der Folge hatten die Partner der Gesamtverträge die Gesamtvergütung um das Volumen der o.g. Selektivverträge gemäß § 87a Abs. 3 Satz 2 SGB V entsprechend der Zahl und Morbiditätsstruktur der teilnehmenden Versicherten zu bereinigen. Aufgabe der (einzelnen) KV war es, diese Bereinigungsvolumina jeweils zu ermitteln, eine Verteilung an die Vertragsärzte und -ärztinnen nahm sie aber nicht vor (§ 73b Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Satz 1 SGB V in der Fassung vom 22. Dezember 2011 bzw. § 73c Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB V in der Fassung vom 26. März 2007; für die integrierte Versorgung: § 140d Abs. 1 SGB V in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung).
§ 14 Abs. 2 der Satzung der Beklagten in der Fassung der Beschlüsse der Vertreterversammlung, zuletzt vom 2. März 2012 (heute wortgleich Nr. 31 der Satzung), bestimmte in § 14 („Haushalt“):
(1) Der Vorstand stellt für jedes Geschäftsjahr einen Haushaltsplan auf, den die Vertreterversammlung genehmigt.
(2) 1Zur Deckung der Verwaltungskosten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zahlen die Kassenärztlichen Vereinigungen Beiträge in Höhe eines Promillesatzes der über die Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechneten Vergütungen für ärztliche Versorgung. 2Der Promillesatz wird jährlich von der Vertreterversammlung festgesetzt. 3Die Vertreterversammlung kann anstelle der Finanzierungsweise nach den Sätzen 1 und 2 die Umlage nach einem gegebenenfalls auch differenzierten Grundbeitrag je Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung oder aus einer Kombination der Verfahrensweisen nach den Sätzen 1 bis 3 bemessen. Der Vorstand legt dazu eine Berechnung vor, welche eine Deckung der Verwaltungskosten sichert.
(3) Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
(4) ….
Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss am 8./9. Dezember 2011:
„Bei der Aufstellung des Haushalts, beginnend mit dem Haushalt 2013, ist das vom Finanzausschuss der KBV vorgestellte Modell Nr. 6 die Berechnungsgrundlage des jeweiligen Beitrags nach § 14 der Satzung der KBV.“
Modell Nr. 6 bestimmte:
„Erhebung der Verwaltungskostenumlage 2012 auf Basis der abgerechneten Honorare und Bereinigungsvolumina pro Kopf des Jahres 2010 (2013 auf Basis 2011 usw.)“
Es folgte eine grafisch aufbereitete Darstellung der einzelnen Berechnungsschritte zur Ermittlung und Anwendung des Promillesatzes für die Verwaltungskostenumlage der Beklagten. Unter „Schritt 1“ und „Ermittlung des Promillesatzes“ war die sog. „Umlagebasis“ dargestellt, sie sollte sich aus der Summe der Honorare und Bereinigungsvolumina für 2010 ergeben und davon ausgehend die „Verwaltungskostenumlage KBV“ ermittelt werden. Unter „Schritt 2“ sollte die „Anwendung des Promillesatzes“, bezogen auf das abgerechnete Honorar, erfolgen; „Schritt 3“ („Anwendung des Promillesatzes“) sah vor: „Umlage auf Bereinigungsvolumen durch Anzahl Ärzte (’Kopfbetrag’)“. „Schritt 4“ stellte das Aufkommen aus „Schritt 2“ und „Schritt 3“ als „Verwaltungskostenumlage je KV“ (grafisch) dar. Der grafischen Darst...