Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. subjektive Verfügbarkeit. fehlende Arbeitsbereitschaft. ärztliche Begutachtung. festgestellte Leistungsfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Subjektiv verfügbar ist ein Arbeitsloser nicht, wenn er in Kenntnis des vom ärztlichen Dienst festgestellten Leistungsvermögens (hier 3 bis unter 6 Stunden mit qualitativen Einschränkungen) und trotz Hinweis auf die Folgen darauf beharrt, gar nicht mehr arbeiten zu können.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens die Aufhebung einer Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) mit Wirkung zum 1. Februar 2005.

Der 1968 geborene Kläger ist gelernter Fleischermeister und absolvierte eine Umschulung zum Kaufmann für Grund- und Wohnungswesen (Zeugnis vom 17. Januar 2003), ohne jedoch in diesem Beruf zu arbeiten. Ab 19. März 2003 war der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig krank. Er erhielt Krankengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 15. September 2004. Ein Antrag des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 26. August 2005, Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2006, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Januar 2008 - S 4 ER 1863/06 - und Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 25. Juli 2008 - L 4 R 660/08 - rechtskräftig).

Am 3. August 2004 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 16. September 2004 arbeitslos. Die Beklagte bewilligte Alg beginnend ab 16. September 2004 für 360 Kalendertage. Dr. S. vom ärztlichen Dienst der Beklagten kam in seinem Gutachten vom 10. Januar 2005 zu dem Ergebnis, der Kläger könne leichte Arbeiten täglich von 3 bis unter 6 Stunden in Tagesschicht und ohne verstärkte psychoemotionale Belastung verrichten. Das Gutachten wurde dem Kläger am 27. Januar 2005 eröffnet. Der Kläger gab an, er glaube nicht, dass er derzeit eine Tätigkeit bis vier Stunden ausüben könne, er traue sich auch keinen Arbeitsversuch zu. Nach dem Vermerk der Sachbearbeiterin vom gleichen Tag wurde der Kläger mehrfach eingehend über die Folgen der Arbeitsablehnung einer zumutbaren Tätigkeit/Verfügbarkeit hingewiesen.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2005 hob die Beklage die Bewilligung von Alg ab 1. Februar 2005 mit der Begründung auf, der Kläger habe erklärt, dass er dem arbeitsmedizinisch festgestellten Leistungsvermögen nicht gewachsen sei und keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben könne. Damit stehe er der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung, sei nicht mehr arbeitslos und habe keinen Leistungsanspruch mehr. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er sei - wie durch ein vorgelegtes Atteste von Dr. M. vom 28. Januar 2005 belegt - nicht arbeitsfähig, aufgrund seines sehr schlechten gesundheitlichen Zustands auch nicht in Zukunft. Er forderte die Beklagte auf, den „unrealistischen Arztbericht“ von Dr. S. „zu vernichten“. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) endete am 23. August 2007 mit einem gerichtlichen Vergleich, wonach der Kläger die Klage zurücknahm, sich aber vorbehielt, nach Abschluss des Rentenstreits einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu stellen.

Nach den von der Deutschen Rentenversicherung Bund eingeholten Gutachten von Dr. T. (Orthopäde) vom 20. April 2005 und Dr. M. (Neurologe und Psychiater) vom 4. August 2005 war der Kläger noch in der Lage, Arbeiten von täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten ohne Publikumsverkehr. Im gerichtlichen Verfahren vor dem SG (S 4 R 1863/06) wurde zunächst auf Antrag des Klägers ein Sachverständigengutachten bei dem Anästhesisten Dr. e. eingeholt, der von einer schwankenden Arbeitsfähigkeit ausging und nicht glaubte, dass der Kläger über längere Zeit kontinuierlich drei Stunden arbeiten könne, er benötige spätestens nach ein bis zwei Stunden unterschiedlich lange Pausen. Nach dem sodann von Amts wegen eingeholten weiteren Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 26. September 2007 sollte der Kläger dagegen noch in der Lage sein, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Am 9. Juni 2008 stellte der Kläger einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X, welchen die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2008 mit der Begründung ablehnte, dass der Bescheid vom 27. Januar 2005 nicht zu beanstanden sei.

Hiergegen richtet sich die am 9. September 2008 zum SG erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass nunmehr feststehe, dass er arbeitsfähig gewesen sei und ihm somit Alg zustehe, nachdem seiner Klage auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente nicht stattgegeben worden sei. Die Voraussetzungen des § 125 Sozialgesetzbuch Drit...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen