Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswirkungen freiwilliger Pflegeleistungen eines Dritten auf die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit eines schwerbehinderten Unterhaltsverpflichteten
Leitsatz (amtlich)
Zur unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit eines Schwerstbehinderten, dessen Pflegebedarf durch freiwillige Leistungen eines Dritten gedeckt wird.
Normenkette
BGB §§ 1353, 1360, 1601 ff., § 1603 Abs. 1, §§ 1601, 1610 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 24.02.1994) |
AG Ulm |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. Februar 1994 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger macht aus übergegangenem Recht gemäß § 37 BAföG gegen den Beklagten Unterhaltsansprüche des volljährigen Sohnes des Beklagten aus geschiedener Ehe für die Zeit vom 1. August 1989 bis 31. Dezember 1990 in Höhe von insgesamt 3.546 DM geltend.
Der wiederverheiratete Beklagte ist aufgrund eines im Jahre 1987 erlittenen Verkehrsunfalles schwerstbehindert und für sämtliche körperlichen Verrichtungen auf die ständige Hilfe einer Pflegeperson angewiesen. Er wird von seiner Ehefrau betreut, die deshalb ihre Ausbildung aufgegeben hat. Seit dem Unfall bezieht der Beklagte zwei Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die im streitbefangenen Zeitraum von August bis Dezember 1989 insgesamt jeweils monatlich 4.314,21 DM, von Januar bis Mai 1990 4.518,50 DM und von Juni bis Dezember 1990 4.573 DM betrugen. Davon bestreitet er für sich und seine Frau Krankenkassenbeiträge, die von August 1989 bis Juli 1990 598,26 DM und von August bis Dezember 1990 632,48 DM, jeweils monatlich, ausmachten, sowie krankheitsbedingte Rehabilitationskosten und Sachaufwendungen, deren Berechnung und Anerkennungsfähigkeit zwischen den Parteien im einzelnen streitig sind.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem Beklagten ohne die Betreuung durch seine Ehefrau erhebliche Pflegekosten entstünden und die freiwilligen, überobligationsmäßigen Pflegeleistungen der Ehefrau nicht dazu bestimmt seien, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Beklagten gegenüber seinem volljährigen Sohn zu gewährleisten. Die Berufung des Klägers, der den Beklagten für leistungsfähig hält, weil die unentgeltlich erbrachten Pflegeleistungen der Ehefrau einer sittlichen Verpflichtung aus der Ehe entsprächen, blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Der Kläger, der dem volljährigen Sohn des Beklagten für den streitigen Zeitraum Ausbildungsförderung gewährt hat, kann den Beklagten aus gemäß § 37 BAföG übergegangenem Recht in Anspruch nehmen, soweit der Beklagte seinem Sohn Unterhalt nach §§ 1601 f, 1610 Abs. 2 BGB schuldet. Das ist zwischen den Parteien unstreitig.
Das Oberlandesgericht hat einen Unterhaltsanspruch mangels Leistungsfähigkeit (§ 1603 Abs. 1 BGB) des Beklagten verneint. Es hat zunächst 1.100 DM vom monatlichen Einkommen des Beklagten abgesetzt und dazu ausgeführt, der der Ehefrau gemäß § 1360 BGB vorrangig zu zahlende Unterhalt sei entsprechend den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Stuttgart für 1989/1990 (abgedruckt in FamRZ 1989, 139) mit mindestens 1.100 DM zu bewerten. Denn ihr eheangemessener Bedarf nach § 1578 BGB, der für § 1360 BGB die Untergrenze sei, läge wegen des krankheitsbedingten höheren Bedarfs des Beklagten nicht über dem Tabellenwert. Dieser Ansatz ist zwar nicht rechtsbedenkenfrei. Das wirkt sich aber letztlich nicht zu Lasten des Revisionsklägers aus. Der in einer intakten Ehe bestehende Familienunterhaltsanspruch gemäß §§ 1360, 1360a BGB läßt sich nicht ohne weiteres nach den zum Ehegattenunterhalt bei Trennung oder Scheidung (§§ 1361, 1569 f BGB) entwickelten Grundsätzen bemessen. Er ist seiner Ausgestaltung nach nicht auf die Gewährung einer laufenden Geldrente für den jeweils anderen Ehegatten gerichtet, die jedem von ihnen zur freien Verfügung steht. Er ist vielmehr als gegenseitiger Anspruch der Ehegatten darauf gerichtet, daß jeder von ihnen seinen Beitrag zum Familienunterhalt entsprechend seiner nach dem individuellen Ehebild übernommenen Funktion leistet (MünchKomm/Wacke BGB 3. Aufl. § 1360 Rdn. 7, 10; Soergel/Lange BGB 12. Aufl. § 1360 Rdn. 3, 15 und § 1360a Rdn. 13; Gernhuber/Coester-Waltjen Lehrbuch des Familienrechts 4. Aufl. S. 226 f; Schwab Familienrecht 7. Aufl. Rdn. 130 f, 135). Seinem Umfang nach umfaßt er gemäß § 1360a Abs. 1 BGB alles, was für die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und der gemeinsamen Kinder erforderlich ist (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1992 – VI ZR 305/91 – BGHR § 1360a Familienunterhalt 1). Sein Maß bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, so daß insoweit zwar § 1578 BGB als Orientierungshilfe herangezogen werden kann (Göppinger/Kindermann Unterhaltsrecht 6. Aufl. Rdn. 1073). Der eheangemessene Unterhalt nach § 1578 BGB findet seine Untergrenze aber nicht im Tabellenmindestunterhalt, sondern kann im Einzelfall auch unter diesen Wert sinken (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt Urteil vom 11. Januar 1995 – XII ZR 122/93 – m.w.N. zur Veröffentlichung bestimmt). Das gleiche gilt auch für den Unterhaltsbetrag, der im Rahmen des Familienunterhalts für den Bedarf des Ehegatten anzunehmen ist. Auch dieser Betrag kann unter dem angegebenen Tabellenwert liegen. Bei dem hohen Renteneinkommen des Beklagten ist das indes nicht der Fall. Legt man diejenigen Beträge zugrunde, von denen der Kläger nach seinem eigenen Vortrag in der Berufungsbegründung vom 18. November 1993 unter Berücksichtigung der von ihm anerkannten Krankenkassenbeiträge und der krankheitsbedingten Rehabilitations- und Sachaufwendungen als für den Unterhalt der Ehegatten und des Sohnes des Beklagten zur Verfügung stehendem Resteinkommen ausgeht – nämlich von August bis Dezember 1989 3.414 DM, von Januar bis Juli 1990 3.139 DM und von August bis Dezember 1990 2.858 DM – wird ersichtlich, daß der angemessene Unterhalt für die Ehefrau in jedem Falle über 1.100 DM liegt. Die Ehefrau muß sich gegenüber dem volljährigen erstehelichen Sohn des Beklagten auch nicht auf den Mindestunterhalt verweisen lassen. Wenn das Oberlandesgericht daher nur den Mindestunterhalt berücksichtigt hat, gereicht dies dem Kläger nicht zum Nachteil.
2. Dem Beklagten hat das Oberlandesgericht außer den bereits erwähnten Krankenversicherungsbeiträgen von monatlich 632,48 DM und den Sachaufwendungen von 301,66 DM 1.400 DM zur Bestreitung seiner allgemeinen angemessenen Lebenshaltungskosten belassen. Das greift die Revision nicht an; es ist auch sonst bedenkenfrei.
Darüber hinaus hat es dem Beklagten einen krankheitsbedingten Pflegebedarf in Höhe von 1.200 DM als einkommensmindernd zugebilligt und dazu u. a. ausgeführt: Zwar schulde der Beklagte seiner Ehefrau, die ihn unentgeltlich pflege, weder aus Gesetz noch aus Vertrag eine Vergütung für ihren Arbeits- und Zeitaufwand. Auch ein fiktiver Ansatz solcher Betreuungskosten scheide aus. Gleichwohl sei dem Beklagten ein erhöhter Bedarf zuzubilligen, weil er zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt sei, seiner Frau eine entsprechende Vergütung zu gewähren. Deren aus einer sittlichen Verpflichtung übernommene Pflegeleistung gehe weit über das hinaus, was sie dem Beklagten im Rahmen des § 1360 BGB schulde, und habe einen Geldwert, der nicht bereits durch ihren korrespondierenden Anspruch aus § 1360 BGB abgedeckt sei. Das Sozialhilferecht gestehe gemäß § 69 BSHG dem Pflegebedürftigen einen Mehraufwand zur Erhaltung der freiwilligen Pflegebereitschaft naher Angehöriger oder Freunde zu, und zwar ohne daß er eine entsprechende Verwendung nachweisen müsse. Dieses Anliegen müsse auch demjenigen Behinderten zugebilligt werden, der seinen Bedarf nicht aus öffentlichen Hilfen, sondern aus eigenen Einkünften decke. Dabei obliege ihm ebensowenig wie im Falle des § 1610a BGB der Nachweis, dem Betreuer entsprechende Zuwendungen für die übernommene Pflege gemacht zu haben. Der die Untergrenze für solchen Mehraufwand bildende Pflegesatz gemäß § 69 BSHG, der im streitigen Zeitraum monatlich 836 DM betragen habe, sei angesichts der ordentlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute hier auf angemessene 1.200 DM aufzustocken. Bei einem um diesen Pflegeaufwand erhöhten angemessenen Selbstbehalt sei der Beklagte zu Unterhaltsleistungen für den volljährigen Sohn nicht mehr in der Lage.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision zwar nicht in allen Teilen der Begründung, wohl aber im Ergebnis stand.
a) Auf ein fiktives Entgelt für die Pflegeleistungen der Ehefrau kann sich der Beklagte, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt, nicht berufen. Selbst für einen überobligationsmäßigen, in Geld meßbaren Einsatz kennt das Gesetz zwischen Ehegatten keine laufende Vergütungspflicht. Ein Rückforderungs- oder Erstattungsanspruch ist im Zweifel ausgeschlossen (§ 1360b BGB). Eine vertragliche Vereinbarung ist hier nicht festgestellt. Ob sich nach dem Scheitern der Ehe ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch (vgl. hierzu BGHZ 84, 361 und Senatsurteil vom 13. Juli 1994 – XII ZR 1/93 – FamRZ 1994, 1167) oder eine Berücksichtigung im Rahmen des Zugewinnausgleichs (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 – IX ZR 42/82 – FamRZ 1983, 351) ergeben kann, ist hier ohne Belang. Ebensowenig ist der Rechtsgedanke aus § 850h Abs. 2 ZPO anwendbar. Danach gilt zum Schutz des Gläubigers des dienstleistenden Schuldners eine angemessene Vergütung zwischen dem Schuldner und dem Dienstleistungsempfänger als geschuldet. Das gilt grundsätzlich auch in den Fällen einer familienrechtlichen Mitarbeitspflicht oder eines das geschuldete Maß übersteigenden Unterhalts (vgl. Senatsurteil vom 23. April 1980 – IVb ZR 527/80 – FamRZ 1980, 665, 668; BAG Urteil vom 4. Mai 1977 – 5 AZR 151/76 – NJW 1978, 343; Stein/Jonas/Münzberg ZPO 20. Aufl. § 850h Rdn. 27 jeweils m.N.). Diesen Grundsatz hat der Senat auch zum Schutz des unterhaltspflichtigen Ehegatten herangezogen, wenn der unterhaltsbedürftige Ehegatte mit einem Dritten in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt und diesem dem Haushalt führt. Auf den vorliegenden Fall läßt sich dies jedoch nicht übertragen, da der Schutzgedanke nicht für den Dienstleistungsempfänger – dies wäre hier der Beklagte – eingreift.
b) Die Revision rügt, daß das Oberlandesgericht die Leistungsfähigkeit des Beklagten verneint habe, weil es ihn unter Verweis auf § 69 BSHG zwar nicht für verpflichtet, wohl aber für berechtigt angesehen habe, seiner Ehefrau für die geleistete Pflege eine Vergütung zu gewähren. Das Oberlandesgericht verlasse damit in nicht zulässiger Weise den Anwendungsbereich des § 1603 Abs. 1 BGB, wenn es bei der Feststellung der Leistungsunfähigkeit des Beklagten nicht nur dessen Verpflichtungen für berücksichtigungsfähig erkläre, sondern auch dessen Berechtigung, bestimmte Aufwendungen zu machen, ohne Rücksicht darauf, ob sie tatsächlich gemacht werden.
Dieser Einwand besteht zu Recht. Grundsätze und Bestimmungen des auf Erwägungen der öffentlichen Fürsorge beruhenden Sozialhilferechts können zur Lösung privatrechtlicher Unterhaltsprobleme grundsätzlich nicht herangezogen werden. Der Bundesgerichtshof hat dies bereits in anderem Zusammenhang für §§ 16, 122 BSHG bei der Prüfung der Bedürftigkeit eines unterhaltsberechtigten Ehegatten, der mit einem Dritten in Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft lebt, verneint (Urteil vom 26. September 1979 – IV ZR 87/79 – FamRZ 1980, 40, 41 f; Senatsurteile vom 23. April 1980 aaO S. 668; und vom 25. Juni 1980 – IVb ZR 523/80 – FamRZ 1980, 879, 880). Entsprechendes gilt auch für § 69 BSHG.
Außer der Erstattung von – konkret nachzuweisenden – angemessenen Aufwendungen, die dem Pflegebedürftigen für die Pflegeperson entstehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BSHG, z. B. notwendige Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand und ähnliches) sowie einmaligen oder laufenden Beihilfen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BSHG, z. B. Taschengeld oder Ausgleich für Verdienstausfall oder sonstige Zuwendungen, vgl. Knopp-Fichtner BSHG 7. Aufl. § 69 Rdn. 6 und 7), wird dem Schwerstpflegebedürftigen gemäß § 69 Abs. 3 BSHG auch ein pauschaliertes, von keinem Einzelnachweis abhängiges Pflegegeld gewährt, wenn ihm nahestehende Personen oder Angehörige die Pflege unentgeltlich erbringen. Die besondere sozialpolitische Zweckbestimmung liegt nicht darin, den Pflegebedarf voll abzudecken oder die Pflegeperson zu entlohnen, sondern die Pflegebereitschaft nahestehender Personen zu fördern. Damit soll die Notwendigkeit kostspieliger stationärer Heimpflege oder Betreuung durch berufsmäßige Pfleger zugunsten einer häuslichen Pflege durch Verwandte und Freunde zurückgedrängt werden (Knopp-Fichtner aaO Rdn. 10, 15; Schellhorn/Jirasek/Seipp Bundessozialhilfegesetz 14. Aufl. § 69 Rdn. 1 und 2). Denn die Pflege in seiner gewohnten Umgebung durch vertraute Personen ist zum einen für den Behinderten angenehmer, zum anderen entlastet sie die öffentlichen Kassen. Solche fürsorgerischen und fiskalischen Erwägungen der öffentlichen Hand bestehen allein im Verhältnis zwischen Sozialhilfeträger und -hilfeempfänger, lassen sich aber nicht zu Lasten eines Unterhaltsgläubigers in das privatrechtliche Unterhaltsverhältnis zwischen Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem übertragen. Zugleich scheidet eine analoge Anwendung der Beweislastumkehr gemäß der nur auf Sozialhilfeleistungen zugeschnittenen Ausnahmevorschrift des § 1610a BGB aus (vgl. auch Künkel FamRZ 1991, 1131, 1132).
c) Die Entscheidung erweist sich jedoch aus anderem Grunde als richtig (§ 563 ZPO).
Das Unterhaltsrecht wird u. a. von dem allgemeinen Grundsatz geprägt, daß ohne Rechtsanspruch gewährte, freiwillige Zuwendungen Dritter nur dem Zuwendungsempfänger allein zugute kommen, sich aber auf ein Unterhaltsrechtsverhältnis nicht auswirken sollen, es sei denn, dem Willen des Zuwendenden läßt sich anderes entnehmen. Dabei treten zwei Fallgestaltungen auf: So führen Leistungen eines Dritten an den Unterhaltsberechtigten, die an sich geeignet wären, dessen Unterhalt zu decken, im Verhältnis zum Unterhaltsverpflichteten nur dann zu einer Minderung seiner Bedürftigkeit, wenn der Dritte damit zugleich bezweckt, den Unterhaltsverpflichteten zu entlasten. Geht sein Wille dagegen dahin, nur den Beschenkten selbst zu unterstützen, berührt dies dessen Bedürftigkeit im Verhältnis zum Unterhaltsverpflichteten im allgemeinen nicht (Senatsurteile vom 26. September 1979 aaO S. 42; vom 25. Juni 1980 aaO S. 880; vom 6. März 1985 – IVb ZR 74/83 – FamRZ 1985, 584, 585; vom 6. November 1985 – IVb ZR 45/84 – FamRZ 1986, 151, 152; und vom 25. November 1992 – XII ZR 164/91 – FamRZ 1993, 417, 419). Ähnlich sind freiwillige Leistungen Dritter an den Unterhaltsverpflichteten bei der Prüfung seiner Leistungsfähigkeit nur dann zu beachten, wenn sie nach dem Willen des Dritten nicht allein dem Unterhaltsverpflichteten zugute kommen sollen, sondern auch dem Unterhaltsberechtigten (MünchKomm/Köhler aaO § 1603 Rdn. 18, 20; § 1602 Rdn. 12a; Gernhuber/Coester-Waltjen aaO S. 672; Göppinger/Strohal aaO Rdn. 535, 537). Liegt keine ausdrückliche Willensbestimmung des Zuwendenden vor, läßt sie sich meist aus den persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander erschließen (MünchKomm/Köhler aaO § 1602 Rdn. 13a; Göppinger/Strohal aaO Rdn. 536; Köhler/Luthin Handbuch des Unterhaltsrechts 8. Aufl. Rdn. 74). Zuwendungen in diesem Sinne können auch Naturalleistungen zur Bedarfsdeckung, wie etwa persönliche Dienstleistungen in Form von Pflege und Betreuung sein (Göppinger/Strohal aaO Rdn. 538), für die der Zuwendungsempfänger andernfalls bezahlen müßte.
Derartige Zuwendungen sind auch hier gegeben. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Beklagte infolge seiner unfallbedingten Hilflosigkeit einen erhöhten Bedarf in Gestalt einer „rund um die Uhr” erforderlichen Pflege und Betreuung hat. Die ihm von seiner Ehefrau zur Deckung dieses Bedarfs gewährten Pflegeleistungen sind jedenfalls überwiegend als freiwillige Zuwendungen anzusehen. Die Revision kann diese Freiwilligkeit der Zuwendung nicht erfolgreich mit dem Einwand bekämpfen, daß die Ehefrau die Pflege als Teil ihrer Unterhaltspflicht nach § 1360 BGB schulde und der Beklagte hierauf einen Rechtsanspruch habe. Denn die Pflege eines Schwerstbehinderten geht jedenfalls weit über das hinaus, was im Rahmen der gegenseitigen Beistands- und Unterhaltspflicht der Ehegatten gemäß §§ 1353, 1360 BGB üblicherweise an Krankenpflege geschuldet wird, und ist insoweit überobligatorisch. Durch ihre unentgeltliche Pflege erspart die Ehefrau dem Beklagten denjenigen Teil seines Einkommens, den er andernfalls angesichts seines Betreuungsbedarfs für Fremdpflegekosten ausgeben müßte. Das kann aber hier nicht zur Folge haben, daß diese ersparten Mittel nunmehr für den Unterhalt des Sohnes des Beklagten zur Verfügung stehen. Wenn die Ehefrau unter Abbruch ihres Studiums und Verzicht auf eigenes Einkommen und den Erwerb einer eigenen Altersversorgung den Beklagten unentgeltlich pflegt, so ist, wie das Oberlandesgericht in anderem Zusammenhang zutreffend feststellt, davon auszugehen, daß sie damit ausschließlich den Beklagten unterstützen, nicht aber seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit im Verhältnis zu seinem erstehelichen Sohn gewährleisten will. Die durch ihre Leistung ersparten Mittel können daher nicht zum unterhaltsrelevanten Einkommen des Beklagten gezählt werden (vgl. auch Senatsurteil vom 29. Juni 1983 – IVb ZR 379/81 – n.v., in dem der Senat einem zum nachehelichen Unterhalt Verpflichteten einen „Freibetrag” für Betreuungsleistungen zugebilligt hat, die seine neue Ehefrau seinen Kindern aus erster Ehe angedeihen ließ).
d) Gegen die Höhe der vom Oberlandesgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung mit 1.200 DM angenommenen Pflegekosten werden von der Revision Bedenken nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Unterschriften
Blumenröhr, Zysk, Nonnenkamp, Hahne, Bundesrichter Sprick hat Urlaub und ist an der Unterschrift gehindert, Blumenröhr
Fundstellen
Haufe-Index 884745 |
NJW 1995, 1486 |
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