Da der Veräußerer eines Mitunternehmeranteils steuerlich betrachtet Anteile an den einzelnen Wirtschaftsgütern der Gesamthand veräußert, kann er für den Veräußerungsgewinn grundsätzlich eine Rücklage nach § 6b EStG bilden (vgl. R 6b.2 Abs. 10 EStR). Die Rücklage ist in einem fiktiven Rest-Betriebsvermögen zu bilden, das auch noch nach der Veräußerung weiter besteht. Die Rücklage kann innerhalb der Reinvestitionsfrist auf begünstigte Wirtschaftsgüter i. S. d. § 6b EStG übertragen werden. Erfolgt innerhalb der Reinvestitionsfrist keine Anschaffung begünstigter Wirtschaftsgüter, muss die Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst werden. Der Auflösungsgewinn ist als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern und unterliegt nicht den Vergünstigungen des § 16 EStG.

Voraussetzung der Rücklagenbildung ist allerdings, dass das veräußerte Wirtschaftsgut mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört hat (§ 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG). Im Falle einer Mitunternehmerschaft ist die Besitzzeit für jeden einzelnen Mitunternehmer individuell zu berechnen. Dies bedeutet, dass der Mitunternehmer für seinen Veräußerungsgewinn eine Rücklage nach § 6b EStG nur bilden kann, wenn er am Gesamthandsvermögen mindestens sechs Jahre beteiligt war.

Wird der Veräußerungsgewinn ganz oder teilweise in eine Rücklage nach § 6b EStG eingestellt, geht nach § 34 Abs. 1 Satz 4 bzw. Abs. 3 Satz 6 EStG der Tarifvorteil des § 34 EStG verloren. Da sich der Ausschluss der Tarifvergünstigung nur in § 34 EStG findet, müsste bei strenger Auslegung der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG trotz Bildung einer Rücklage dennoch gewährt werden. Nach dem Sinn und Zweck des § 16 EStG soll die Vorschrift aber nur dann anwendbar sein, wenn der Mitunternehmer schlagartig alle stille Reserven aufdeckt. Da dies im Falle der Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG aber nicht der Fall ist, muss man auch die Gewährung eines Freibetrags verweigern.

 

Beispiel

Wie Beispiel oben; G1 möchte – soweit rechtlich zulässig – den Gewinn in eine Rücklage nach § 6b EStG einstellen.

LÖSUNG Unterstellt man, dass das Grundstück und das Gebäude mindestens sechs Jahre zum Anlagevermögen der OHG gehörten, ist diese Besitzzeit der seit 1980 beteiligten G1 zuzurechnen, so dass die Voraussetzungen des § 6b EStG erfüllt sind. Da die stillen Reserven des Grundstücks (210 000 EUR ./. 60 000 EUR =) 150 000 EUR und die des Gebäudes (480 000 EUR ./. 210 000 EUR =) 170 000 EUR betragen und diese stillen Reserven der R1 zu einem Drittel zuzurechnen sind, kann sie eine Rücklage i. H. v. (320 000 EUR × 1/3 =) 106 667 EUR bilden.

Der Veräußerungsgewinn beträgt danach nur noch (341 700 EUR ./. 106 667 EUR =) 235 033 EUR. Dieser Veräußerungsgewinn ist nicht nach § 16 EStG begünstigt und daher als laufender Gewinn nach § 15 EStG zu versteuern.

Die Rücklage kann grundsätzlich vier Jahre im Rest-Betriebsvermögen fortgeführt werden (§ 6b Abs. 3 Satz 2 EStG). Unter den Voraussetzungen von Satz 3 verlängert sich die Reinvestitionsfrist auf sechs Jahre.

 

Beispiel

Fortsetzung des Beispiels:

G1 bildet im Wj. der Veräußerung (= 2020) die oben dargestellte Rücklage. In 2021 beteiligt sich G1 mit 10 % an einem geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Der Fonds errichtet auf einem ehemaligen Industriegelände eine Freifeld-Photovoltaikanlage. G1 möchte die Rücklage soweit möglich übertragen. Die Bilanz des Fonds sieht wie folgt aus (vor Übertragung der Rücklage):

 
Aktiva Passiva
Grundstück 2 000 000 EUR Darlehen 3 200 000 EUR
Anlage 3 000 000 EUR Kapital G1 180 000 EUR
    Kapital übrige Kommanditisten 1 620 000 EUR
  5 000 000 EUR   5 000 000 EUR

LÖSUNG G1 kann die Rücklage insoweit auf das Grundstück übertragen, als es ihm anteilig zuzurechnen ist (vgl. R 6b.2 Abs. 6 EStR). Da G1 ausweislich der Kapitalkonten an der GmbH & Co. KG zu 10 % beteiligt ist, sind ihr die Anschaffungskosten des Grundstücks i.H.v. (2 Mio. EUR × 10 % =) 200 000 EUR zuzurechnen. Somit kann die gesamte Rücklage i.H.v. 106 667 EUR übertragen werden. Die Übertragung der Rücklage erfolgt bilanzierungstechnisch durch Buchung in einer Ergänzungsbilanz der G1. Diese sieht wie folgt aus:

 
Aktiva Passiva
Minderkapital G1 106 667 EUR Minderwert Grundstück 106 667 EUR
  106 667 EUR   106 667 EUR

Erfolgt innerhalb der Reinvestitionsfrist keine Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts, muss die Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst werden. Dabei ist für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, eine Gewinnhinzurechnung i. H. v. 6 % vorzunehmen.

 

Beispiel

Im obigen Beispiel bildet G1 im Wirtschaftsjahr der Veräußerung (= 2020) die Rücklage i. H. v. 106 667 EUR. In den Jahren 2021 bis 2024 (= folgende vier Wirtschaftsjahre) erfolgt keine Reinvestition. G1 muss daher im VZ 2024 einen Gewinn aus der Auflösung der Rücklage i. H. v. 106 667 EUR zzgl. vier Jahre × (106 667 EUR × 6 % =) 25 600 EUR, insgesamt also 132 267 EUR nach § 24 Nr. 2, § 15 EStG versteuern.

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