Auslandsumsätze bei November- und Dezemberhilfe in der Schlussabrechnung
Praxisproblem trifft Steuerberater unerwartet
In aktuellen Schlussabrechnungsverfahren zur November- und Dezemberhilfe taucht vermehrt eine Frage auf, die viele Steuerberater und ihre Mandanten kalt erwischt: Bewilligungsstellen beanstanden nachträglich die Berechnung der indirekten Betroffenheit, weil bei der ursprünglichen Antragstellung Auslandsumsätze in den Nachweis der indirekten Betroffenheit, z. B. die Debitorenliste, eingeflossen sind. Das ist nicht selten: Die FAQ waren oft unklar, die Aussagen widersprüchlich seitens der öffentlichen Stellen dazu, was zu berücksichtigen ist.
Die Konsequenzen können dramatisch sein. Denn ohne Erfüllung der 80-Prozent-Schwelle entfällt die Anspruchsberechtigung grundsätzlich vollständig – mit der Folge, dass bereits erhaltene Hilfen vollständig zurückgefordert werden.
Die rechtliche Ausgangslage: Eindeutig, aber nicht immer klar kommuniziert
Die indirekte Betroffenheit im Sinne der November- und Dezemberhilfe setzt voraus, dass Unternehmen nachweislich und regelmäßig mindestens 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den Schließungsmaßnahmen betroffenen Unternehmen erzielen. Soweit die Theorie.
In der Praxis stellt sich die entscheidende Frage: Welche Umsätze fließen überhaupt in diese Berechnung ein? Die Antwort findet sich in den Vollzugshinweisen zur Novemberhilfe, die eindeutig auf den steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG verweisen. Dieser Paragraph erfasst ausschließlich Lieferungen und Leistungen, die im Inland erbracht werden.
Die Bundesregelung November-/Dezemberhilfe bestätigt in § 2 Abs. 3: "Der zugrundeliegende Umsatz entspricht [...] im Wesentlichen den Lieferungen und Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt seines Unternehmens ausführt."
Allerdings stellte sich in der unübersichtlichen Pandemielage wieder die Frage: Was bedeutet "im Wesentlichen"?
Klarstellung durch die Bundesregierung
Spätestens mit der Antwort auf eine schriftliche Frage im Deutschen Bundestag ( Drucksache 19/24779 vom 27. November 2020, S. 33) hat die Bundesregierung die Rechtslage unmissverständlich klargestellt: Auslandsumsätze bleiben bei der November- und Dezemberhilfe außen vor, auch wenn diese nach § 3a ff. UStG im Inland steuerbar sind. Gleichwohl: Wer hat das in der unübersichtlichen Pandemielage schon wahrgenommen?
Die Begründung: Die Schließungsanordnungen bezogen sich nicht auf Betriebe im Ausland. Folglich können mit nicht betroffenen ausländischen Unternehmen erzielte Umsätze auch nicht in die Berechnung der indirekten Betroffenheit einfließen. Dies gilt sowohl für den Zähler (Umsätze mit betroffenen Unternehmen) als auch für den Nenner (Gesamtumsatz) der Berechnung.
Abgrenzung zu späteren Hilfsprogrammen
Besonders wichtig für die Praxis ist die Abgrenzung zu den nachfolgenden Hilfsprogrammen. Bei der Überbrückungshilfe III Plus und der Überbrückungshilfe IV wurde die Umsatzdefinition erweitert. Die FAQ vom 10. August 2023 stellen klar, dass hier auch Dienstleistungen einbezogen werden, die gemäß § 3a Abs. 2 UStG im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführt wurden.
Diese Erweiterung gilt jedoch ausdrücklich nicht für die November- und Dezemberhilfe. Steuerberater müssen daher für jedes Hilfsprogramm separat prüfen, welche Umsatzdefinition anzuwenden ist.
Handlungsempfehlungen für betroffene Fälle
Wenn die Bewilligungsstelle in der Schlussabrechnung die Berücksichtigung von Auslandsumsätzen beanstandet, sind folgende Schritte geboten:
Sofortige Neuberechnung: Erstellen Sie unverzüglich eine bereinigte Debitorenliste ohne Auslandsumsätze. Identifizieren Sie alle ausländischen Kunden und berechnen Sie die Quote neu. Nur so wissen Sie, ob die 80-Prozent-Schwelle auch ohne Auslandsumsätze erreicht wird.
- Szenario 1 – Quote weiterhin über 80 Prozent: Legen Sie die bereinigte Berechnung kooperativ vor. Weisen Sie darauf hin, dass die Voraussetzungen auch nach der aktuellen Auslegung erfüllt sind. Eine kurze Erläuterung, warum ursprünglich auch Auslandsumsätze erfasst wurden, kann helfen, das Vertrauen der Bewilligungsstelle zu stärken.
- Szenario 2 – Quote fällt unter 80 Prozent: Hier wird die Situation komplex. Prüfen Sie zunächst genau, welche FAQ-Version zum Zeitpunkt der Antragstellung gültig war. Wenn die FAQ damals nicht eindeutig formuliert waren oder die Behandlung von Auslandsumsätzen nicht explizit geregelt war, können Sie Vertrauensschutz geltend machen.
Vertrauensschutz als Verteidigungslinie
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist auch im Fördermittelrecht von Bedeutung. Wenn die rechtlichen Vorgaben zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht eindeutig waren, darf eine spätere verschärfende Auslegung grundsätzlich nicht zu Lasten des Antragstellers gehen.
Konkret bedeutet dies: Hat der prüfende Dritte die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen plausibilisiert und waren die FAQ damals nicht eindeutig, kann dem Mandanten kein Vorwurf gemacht werden. Dies gilt umso mehr, wenn die Klarstellung durch die Bundesregierung erst nach der Antragstellung erfolgte.
Allerdings: Der Vertrauensschutz ist keine Garantie für einen Erfolg. Die Bewilligungsstellen vertreten häufig die Position, dass der Vorbehalt der Schlussabrechnung ein "Totalvorbehalt" sei und daher auch nachträglich strengere Maßstäbe angelegt werden dürfen. In dieser Lage sollte unbedingt anwaltlicher Rat hinzugezogen werden.
Steuerberater sollten bei allen noch offenen Schlussabrechnungen zu November- und Dezemberhilfe präventiv prüfen, ob Auslandsumsätze in die Berechnung eingeflossen sind. Eine frühzeitige Bereinigung und Neuberechnung kann spätere Auseinandersetzungen mit der Bewilligungsstelle vermeiden.
Bei bereits laufenden Beanstandungsverfahren kommt es auf eine sorgfältige Einzelfallprüfung an: Wird die Quote auch ohne Auslandsumsätze erreicht Wenn nein: Wie war die Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung? Kann Vertrauensschutz geltend gemacht werden?
Die Abgrenzung zu den späteren Hilfsprogrammen (Überbrückungshilfe III Plus und IV), bei denen Auslandsumsätze sehr wohl berücksichtigt werden, macht die Materie zusätzlich komplex. Hier ist höchste Sorgfalt geboten, um nicht Programme zu verwechseln.
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