Coronabedingtheit bei Überbrückungshilfe III

Das OVG Münster hat eine Rechtsauffassung des VG Düsseldorf im Fall des Fußball-Vereins Fortuna Düsseldorf weitgehend bestätigt. Der Hinweisbeschluss zeigt: Die Verwaltungspraxis in NRW unterstellte bei der Überbrückungshilfe III die Coronabedingtheit grundsätzlich auch dann, wenn die Umsatzeinbrüche nicht "ausschließlich" coronabedingt waren.

Die Rechtsprechung setzt den hier besprochenen Fall fort: Verwaltungsgericht kippt Rückforderung von Überbrückungshilfe III bei Fortuna Düsseldorf

Klare Ansage aus Münster

Mit seinem Hinweisbeschluss v. 22.10.2025, 4 A 1352/25, hat das OVG Münster dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen faktisch die "gelbe Karte" gezeigt. In dem Verfahren um die Rückforderung von Überbrückungshilfe III bei Fortuna Düsseldorf macht das OVG unmissverständlich deutlich, dass eine Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des VG Düsseldorf v. 15.4.2025, 16 K 937/22, voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Die zentrale Aussage des Senats lautet: Die ständige Verwaltungspraxis zur Coronabedingtheit von Umsatzrückgängen bei der Überbrückungshilfe III bedarf keiner grundsätzlichen Klärung, weil sie zwischen den Beteiligten im Grundsatz unstreitig ist und vom Verwaltungsgericht zutreffend der Entscheidung zugrunde gelegt wurde. Diese Einschätzung hat erhebliche Bedeutung für die Auslegung des Begriffs "coronabedingter Umsatzeinbruch" und könnte die Rückforderungspraxis in Nordrhein-Westfalen grundlegend beeinflussen.

Die Vorgeschichte: Das Urteil des VG Düsseldorf

Das VG Düsseldorf hatte am 15.4.2025 einen Rücknahme- und Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf aufgehoben. Die Bezirksregierung hatte argumentiert, die Umsatzeinbrüche von Fortuna Düsseldorf seien nicht ausschließlich coronabedingt gewesen, sondern auch durch den Abstieg in die zweite Bundesliga verursacht worden. Das VG Düsseldorf sah darin einen Ermessensfehler, weil keine einheitliche Verwaltungspraxis nachgewiesen werden konnte, nach der eine "ausschließliche" Coronabedingtheit erforderlich gewesen wäre.

Die Bezirksregierung hatte im Bewilligungsverfahren die Coronabedingtheit zunächst nicht gesondert geprüft. Erst später, als der Abstieg bekannt wurde, nahm sie den Bewilligungsbescheid zurück und forderte die gesamte Überbrückungshilfe III zurück. Das VG Düsseldorf bewertete dies als ermessensfehlerhaft, da die Verwaltungspraxis bei der Bewilligung keine ausschließliche Coronabedingtheit forderte.

Der Hinweisbeschluss: Bestätigung der erstinstanzlichen Bewertung

Das OVG Münster bestätigt nun im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts. Der Senat stellt in seinem Hinweisbeschluss klar fest, dass die Behauptung des beklagten Landes nicht schlüssig erscheint. Das Land hatte argumentiert, nach der ständigen Verwaltungspraxis sei Überbrückungshilfe III nur bewilligt worden, wenn ein ausschließlich coronabedingter Umsatzeinbruch vorgelegen habe.

Dem widerspricht das OVG mit einer entscheidenden Feststellung: Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Coronabedingtheit bezogen auf Überbrückungshilfe III in ständiger Praxis grundsätzlich ohne weitere Prüfung unterstellt wurde. Das Oberverwaltungsgericht führt aus, dass in der tatsächlichen Bewilligungspraxis wegen der damals sehr strengen Coronaschutzverordnungen die Coronabedingtheit der angegebenen Umsatzeinbrüche grundsätzlich unterstellt wurde. Bestätigungen von prüfenden Dritten wurden nur eingeholt, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für einen nicht auf Corona beruhenden Umsatzeinbruch vorgelegen haben.

Die entscheidende Differenzierung: Bewilligungs- versus Rücknahmepraxis

Besonders bedeutsam ist die Klarstellung des OVG zur maßgeblichen Verwaltungspraxis. Der Senat macht deutlich: Für die Frage der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligung kommt es nicht auf die Verwaltungspraxis bei Rücknahmeentscheidungen an. Soll eine Rücknahme auf einen Verstoß gegen eine ständige Verwaltungspraxis gestützt werden, muss bereits die Bewilligung rechtswidrig gewesen sein, weil sie unter Verstoß gegen eine bei der Bewilligung ständig oder regelmäßig tatsächlich angewandte behördliche Praxis ergangen ist.

Diese Differenzierung ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Sie bedeutet konkret: Die Bewilligungsstellen können nicht nachträglich strengere Maßstäbe anlegen, als sie zum Zeitpunkt der ursprünglichen Bewilligung tatsächlich angewendet haben. Wer wie Fortuna Düsseldorf den Antrag so ausgefüllt hatte, dass kein Anlass für eine vertiefte Prüfung gesehen wurde, dürfte nach ständiger Praxis Überbrückungshilfe III im beantragten Umfang bewilligt bekommen haben, ohne dass die Coronabedingtheit überhaupt geprüft wurde.

Das OVG formuliert dies unmissverständlich: Eine ausschließliche Coronabedingtheit war daher in der Bewilligungspraxis vor einer Entscheidung im Regelfall gerade nicht Gegenstand der Antragsprüfung.

Die Bedeutung des Antragsformulars

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Hinweisbeschlusses betrifft die Gestaltung des Antragsformulars. Das OVG weist darauf hin, dass das Antragsformular die Ermittlung der Umsatzeinbrüche nur in einer bestimmten Form vorsah: Die Angabe der Umsätze im Fördermonat und im Vergleichsmonat, woraus der Rückgang prozentual ermittelt wurde. Der Antragsteller hatte dabei keine Möglichkeit, nicht coronabedingte Umsatzrückgänge gesondert anzugeben.

Auch bei der Antragsbearbeitung vor der Bewilligung differenzierte die Bezirksregierung nicht durch eine entsprechende Abfrage zwischen coronabedingten und abstiegsbedingten Umsatzeinbrüchen, obwohl sich die Zugehörigkeit zur zweiten Bundesliga aus den eingereichten Unterlagen ergab. Das OVG zieht daraus eine bemerkenswerte Schlussfolgerung: Soweit der Bewilligung richtige Angaben zugrunde lagen, könnte eine Rücknahme wegen der mangelhaften Gestaltung des Antragsformulars sogar ohnehin ausgeschlossen gewesen sein.

Differenzierung zwischen falschen und richtigen Angaben

Das OVG Münster nimmt allerdings eine wichtige Differenzierung vor. Es unterscheidet zwischen Bewilligungen, die auf falschen Angaben beruhen, und solchen, die auf richtigen, aber möglicherweise unvollständigen Angaben basieren. Soweit die Bewilligung auf falschen Antragsangaben zur Coronabedingtheit beruhte, war das Rücknahmeermessen auf Null reduziert. Das betrifft nach vorläufigen Berechnungen des OVG einen erheblichen Teilbetrag.

Der entscheidende Punkt ist jedoch: Fortuna Düsseldorf hatte im Anhörungsverfahren selbst eingeräumt, dass in den ursprünglich eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertungen keine abstiegsbedingten Umsatzeinbrüche ausgewiesen waren. Erst auf Nachfrage wurde eine korrigierte Auswertung vorgelegt, die zwischen coronabedingten und abstiegsbedingten Umsatzeinbrüchen differenzierte. Soweit also Umsätze angegeben wurden, die nachweislich nicht coronabedingt waren, liegt eine Rücknahmebefugnis vor.

Gleichzeitig macht das OVG aber deutlich: Soweit die Bewilligung nicht auf falschen Angaben beruhte, dürfte das beklagte Land nicht zu einer Rücknahme verpflichtet gewesen sein. Die Coronabedingtheit von Umsatzeinbrüchen war zu versichern und lediglich "so weit wie möglich darzulegen". Daraus war bereits ersichtlich, dass ein lückenloser Nachweis weder für möglich noch für erforderlich gehalten wurde.

Auslegung des Begriffs "coronabedingt" nach den FAQ

Das OVG setzt sich auch mit der Auslegung der Ziffer 1.2 der FAQ zur Überbrückungshilfe III auseinander. Es stellt fest, dass sich aus dieser Regelung gerade nicht ergibt, dass keine Überbrückungshilfe III gewährt wurde, wenn Umsatzausfälle nicht ausschließlich coronabedingt waren. Nicht gefördert werden sollten nur Umsatzausfälle, die zum Beispiel nur aufgrund regelmäßiger saisonaler oder anderer dem Geschäftsmodell inhärenter Schwankungen auftraten.

Die Förderung von Umsatzausfällen, bei denen dies nicht ausschließlich der Fall war, deren Coronabedingtheit die Antragsteller aber nachvollziehbar und schlüssig annehmen durften, war nicht ausdrücklich und erkennbar ausgeschlossen. Diese Auslegung ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung, da sie zeigt, dass der Begriff "coronabedingt" nicht im Sinne einer ausschließlichen Kausalität zu verstehen ist.

Praktische Konsequenzen für laufende Verfahren

Der Hinweisbeschluss des OVG Münster dürfte erhebliche Auswirkungen auf laufende Rückforderungsverfahren in Nordrhein-Westfalen haben. Die zentrale Botschaft lautet: Bewilligungsstellen können nicht nachträglich strengere Maßstäbe anlegen, als sie bei der ursprünglichen Bewilligung tatsächlich angewendet haben. Wenn die Coronabedingtheit in der Bewilligungspraxis grundsätzlich unterstellt wurde, kann eine Rücknahme nicht auf die Behauptung gestützt werden, es sei eine ausschließliche Coronabedingtheit erforderlich gewesen.

Für Unternehmen, die sich in ähnlichen Situationen befinden, ergeben sich wichtige Verteidigungsmöglichkeiten. Sie sollten prüfen lassen, ob auch bei ihrer Bewilligung die Coronabedingtheit ohne vertiefte Prüfung unterstellt wurde und ob das Antragsformular überhaupt eine Differenzierung zwischen verschiedenen Ursachen von Umsatzrückgängen ermöglichte. Soweit die Angaben im Antrag richtig waren und nur nicht zwischen verschiedenen Ursachen differenziert wurde, könnte die Bewilligung rechtmäßig gewesen sein.

Bedeutung über Nordrhein-Westfalen hinaus

Obwohl der Hinweisbeschluss zunächst nur für Nordrhein-Westfalen gilt, könnte er Signalwirkung für andere Bundesländer entfalten. Die grundsätzlichen Erwägungen zur Verwaltungspraxis bei der Bewilligung, zur Bedeutung des Antragsformulars und zur Auslegung des Begriffs "coronabedingt" sind auf andere Bundesländer übertragbar. Auch dort stellt sich die Frage, ob die Bewilligungsstellen bei der Überbrückungshilfe III die Coronabedingtheit tatsächlich vertieft geprüft haben oder ob sie diese - wie in Nordrhein-Westfalen - grundsätzlich unterstellt haben.

Allerdings ist zu beachten, dass die konkrete Verwaltungspraxis in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gewesen sein kann. Eine pauschale Übertragung der Rechtsgrundsätze auf andere Bundesländer ist daher nicht möglich. Vielmehr muss in jedem Einzelfall die tatsächliche Verwaltungspraxis der zuständigen Bewilligungsstelle ermittelt und dokumentiert werden.

Ausblick: Entwicklung der Rechtsprechung

Der Hinweisbeschluss deutet darauf hin, dass das OVG Münster die Berufung des Landes Nordrhein-Westfalen voraussichtlich nicht zulassen wird. Das würde bedeuten, dass das erstinstanzliche Urteil des VG Düsseldorf rechtskräftig wird.

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