Formfalle E-Mail: Vorsicht bei Widersprüchen gegen Überbrückungshilfe-Bescheide
Das VG Hamburg hat mit Urteil v. 11.9.2025, 16 K 5288/21, eine wichtige Entscheidung zur Formwirksamkeit von Widersprüchen getroffen. Sie liegt ganz auf der Linie vieler anderer Verwaltungsgerichte. Der Fall betraf zwar die Corona-Soforthilfe, die Grundsätze lassen sich aber direkt auf die Überbrückungshilfen übertragen.
Im entschiedenen Fall hatte ein 81-jähriger Unternehmer gegen einen Widerrufs- und Rückforderungsbescheid Widerspruch per einfacher E-Mail eingelegt. Die Behörde beschied den Widerspruch sachlich und wies ihn als unbegründet zurück. Das Gericht erklärte jedoch die anschließende Klage für unzulässig, da bereits der Widerspruch formunwirksam war.
Die Formvorschriften sind zwingend
Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss ein Widerspruch schriftlich, in qualifizierter elektronischer Form oder zur Niederschrift erhoben werden. Eine einfache E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur genügt diesen Anforderungen nicht. Das Gericht stellte unmissverständlich klar: Dieser Formverstoß kann nicht geheilt werden – auch nicht dadurch, dass die Behörde den Widerspruch sachlich bescheidet.
Die Formvorschriften dienen dem Übereilungsschutz und der Rechtsklarheit. Sie stehen nicht zur Disposition der Beteiligten. Anders als bei einer bloßen Fristversäumung, die durch sachliche Bescheidung geheilt werden kann, führt ein Formverstoß zwingend zur Unzulässigkeit des gesamten Rechtsbehelfsverfahrens.
Besondere Relevanz für Überbrückungshilfen
Diese Rechtsprechung hat erhebliche Bedeutung für die noch laufenden Verfahren zu den Überbrückungshilfen. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Steuerberater für ihre Mandanten Widersprüche per einfacher E-Mail einlegen. Sie gehen dabei oft davon aus, dass die digitale Kommunikation, die bei der Antragstellung üblich war, auch für Rechtsbehelfe ausreicht.
Diese Annahme ist jedoch falsch und kann schwerwiegende Folgen haben. Wird ein Widerspruch formunwirksam erhoben und deshalb die spätere Klage als unzulässig abgewiesen, verliert der Mandant endgültig seine Rechtsschutzmöglichkeit. Die Rückforderung wird bestandskräftig.
Keine Ausnahme wegen Corona-Pandemie
Das Gericht ließ auch das Argument nicht gelten, die Corona-Pandemie habe den Gang zur Post erschwert. Die gesetzlichen Formerfordernisse gelten unabhängig von der pandemischen Lage. Zudem standen auch während der Pandemie verschiedene formgerechte Möglichkeiten zur Verfügung, etwa der Versand per Einschreiben oder die Nutzung der De-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur.
Interessant ist auch, dass die Behördenpraxis keine Rolle spielt. Selbst wenn die Förderstelle über Monate hinweg formwidrige Widersprüche sachlich beschieden hat, ändert dies nichts an der gerichtlichen Prüfung. Das Gericht muss die Formwirksamkeit in jedem Stadium des Verfahrens überprüfen.
Haftungsrisiken für Steuerberater
Für Steuerberater, die ihre Mandanten im Widerspruchsverfahren vertreten, ergeben sich aus dieser Rechtsprechung erhebliche Haftungsrisiken. Versäumen sie die formgerechte Einlegung des Widerspruchs, kann dies zu Schadensersatzansprüchen führen.
Der Schaden entspricht dabei möglicherweise der gesamten Rückforderungssumme zuzüglich Zinsen. Natürlich muss der Mandant beweisen, dass ein Rechtsbehelf Erfolg gehabt hätte – doch kann niemand voraussehen, ob sich die Rechtsprechung nicht zugunsten der Unternehmen entwickelt, so dass diese Verteidigungsmöglichkeit für Steuerberater nicht sicher ist. Bei den Überbrückungshilfen geht es oft um sechsstellige Beträge. Die Berufshaftpflichtversicherung greift zwar grundsätzlich, doch sollte es gar nicht erst zu solchen Fällen kommen.
Praktische Handlungsempfehlungen
Um Formfehler zu vermeiden, sollten Sie folgende Punkte beachten: Versenden Sie Widersprüche niemals per einfacher E-Mail. Nutzen Sie stattdessen den klassischen Postweg, idealerweise per Einwurf-Einschreiben. Alternativ können Sie die qualifizierte elektronische Signatur verwenden oder den Widerspruch persönlich zur Niederschrift bei der Behörde erheben. Auch die Erhebung per Telefax ist wirksam.
Gleichwohl empfehlen wir Steuerberatern zur Vermeidung von Haftungsrisiken immer wieder: Sie haben keine Pflicht, für die Mandanten die Rechtsbehelfsverfahren zu führen, wenn Sie das nicht vertraglich vereinbart haben. Sie sollten den Mandanten raten, die Angelegenheit spätestens ab dem Widerspruchsverfahren in anwaltliche Hände zu legen.
Prüfen Sie auch alte Fälle: Haben Sie in der Vergangenheit Widersprüche per E-Mail eingelegt, die noch nicht rechtskräftig entschieden sind? Dann sollten Sie umgehend eine formgerechte Wiederholung in Betracht ziehen.
Fazit
Die Entscheidung des VG Hamburg mahnt zur Sorgfalt im Umgang mit Formvorschriften. Gerade bei den wirtschaftlich bedeutsamen Überbrückungshilfen können Formfehler existenzbedrohend sein. Die vermeintlich moderne und schnelle Kommunikation per E-Mail erweist sich im Rechtsbehelfsverfahren als gefährliche Falle.
Tipp der Autoren: Die Kanzlei ADVANT Beiten hat für Unternehmen und Steuerberater einen Leitfaden zu Widerspruch und Klage bei den Überbrückungshilfen zusammengestellt, den Sie hier herunterladen können: Widerspruch und Klage gegen Bescheide zu Corona-Überbrückungshilfen | ADVANT Beiten
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