Serie: Schlussabrechnungen der Coronahilfen

EU-Beihilferecht bei Corona-Überbrückungshilfen: Stolperfalle Schlussabrechnung


EU-Beihilferecht bei Corona-Überbrückungshilfen

Die Schlussabrechnungen der Corona-Überbrückungshilfen rücken das EU-Beihilferecht in den Fokus. Verstöße können zur Rückforderung führen. Wir erklären in diesem Beitrag, warum das EU-Beihilferecht eine wichtige Rolle bei den Corona-Überbrückungshilfen spielt.

Das EU-Beihilferecht als übergeordneter Rahmen

Viele Unternehmen, die Corona-Überbrückungshilfen erhalten haben, stehen nun vor der Herausforderung der Schlussabrechnung. Dabei übersehen sie häufig einen entscheidenden Aspekt: das EU-Beihilferecht. Dieses europäische Regelwerk steht in der Normenhierarchie über dem nationalen Recht und muss zwingend beachtet werden.

Die deutschen Bewilligungsstellen sind an diese Vorgaben gebunden und müssen bei jeder Förderung prüfen, ob die EU-beihilferechtlichen Anforderungen erfüllt sind. Ein Verstoß kann weitreichende Konsequenzen haben - bis hin zur vollständigen Rückforderung der gewährten Hilfen.

Die Systematik des EU-Beihilferechts verstehen

Das EU-Beihilferecht basiert auf Artikel 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Dieser bestimmt, dass staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb verfälschen könnten, grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind.

Eine Beihilfe im Sinne des EU-Rechts liegt vor, wenn vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es müssen staatliche Mittel fließen, bestimmte Unternehmen oder Branchen begünstigt werden, eine Wettbewerbsverfälschung droht und der Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten wird beeinträchtigt.

Bei den Corona-Überbrückungshilfen sind diese Voraussetzungen regelmäßig erfüllt. Die Hilfen stammen aus staatlichen Mitteln, begünstigen gezielt von der Pandemie betroffene Unternehmen und können den Wettbewerb beeinflussen.

Warum die Bewilligungsstellen keine Wahl haben

Die deutschen Bewilligungsstellen können sich nicht über das EU-Beihilferecht hinwegsetzen - selbst wenn sie wollten. Das europäische Recht genießt Anwendungsvorrang vor nationalem Recht. Dies bedeutet konkret: Auch wenn eine Förderung nach deutschem Haushalts- oder Förderrecht zulässig wäre, kann sie gegen EU-Beihilferecht verstoßen.

Bei Verstößen drohen harte Sanktionen. Die EU-Kommission kann die Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen anordnen. Für die betroffenen Unternehmen bedeutet dies nicht nur die Rückzahlung der erhaltenen Mittel, sondern oft auch die Zahlung von Zinsen.

Zudem können Prüfverfahren der EU jahrelang Verwaltungsressourcen binden und erhebliche Rechtsunsicherheit schaffen. Die Bewilligungsstellen sind daher verpflichtet, bereits bei der Bewilligung und erst recht bei der Schlussabrechnung die beihilferechtlichen Vorgaben penibel zu prüfen.

Hierbei gilt aber: Viele Fragen der Überbrückungshilfen sind nicht spezifisch dem EU-Beihilferecht zuzuordnen, sondern dem deutschen Haushalts- bzw. Fördermittelrecht. Hier haben die Bewilligungsstellen wiederum einen großen Spielraum. Wenn eine Förderung EU-beihilferechtlich zulässig ist, haben sie den Spielraum nach EU-Beihilferecht, ob sie diese gewähren bzw. entziehen. Häufig berufen sich die Bewilligungsstellen dann zu Unrecht auf EU-Beihilferechtliche Gründe, warum eine Rückforderung vermeintlich zwingend sei, während sie tatsächlich nur ihr Ermessen (rechtswidrig) zu Lasten des Unternehmens ausüben. Nicht alle Fragen des deutschen Fördermittelrechts und damit der Überbrückungshilfen sind tatsächlich EU-beihilferechtlich überlagert. Nur da, wo dies der Fall ist – etwa bei der Bestimmung von Förderhöchstgrenzen – haben die Bewilligungsstellen tatsächlich keinen Spielraum mehr.

Die Prüfung folgt einem klaren Schema

Bei der beihilferechtlichen Prüfung gehen die Behörden systematisch vor. Zunächst wird geprüft, ob überhaupt eine Beihilfe im Sinne des EU-Rechts vorliegt. Ist dies der Fall, stellt sich die Frage, ob diese ohne vorherige Genehmigung durch die EU-Kommission gerechtfertigt sein kann.

Für die Corona-Überbrückungshilfen hat die EU-Kommission spezielle Regelungen geschaffen. Der "Befristete Rahmen für staatliche Beihilfen" (Temporary Framework) ermöglichte es den Mitgliedstaaten, Unternehmen während der Pandemie unbürokratisch zu unterstützen. Allerdings galten auch hier strenge Obergrenzen und Voraussetzungen.

Die Unternehmen mussten nachweisen, dass sie durch die Pandemie betroffen waren. Zudem durfte die Summe aller erhaltenen Corona-Hilfen bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten.

Besondere Herausforderungen bei der Schlussabrechnung

Bei der Schlussabrechnung der Überbrückungshilfen zeigen sich die beihilferechtlichen Anforderungen besonders deutlich. Die Bewilligungsstellen müssen nun im Detail prüfen, ob die gewährten Hilfen tatsächlich berechtigt waren.

Ein häufiges Problem: Viele Unternehmen haben Hilfen aus verschiedenen Programmen erhalten - neben den Überbrückungshilfen etwa auch Kurzarbeitergeld, KfW-Kredite oder Soforthilfen. All diese Unterstützungen müssen in der Gesamtschau betrachtet werden, um die beihilferechtlichen Höchstgrenzen einzuhalten.

Stellt sich bei der Schlussabrechnung heraus, dass ein Unternehmen insgesamt zu viele Hilfen erhalten hat, droht die anteilige Rückforderung. Dies kann Unternehmen in eine schwierige Lage bringen, da sie die Mittel oft bereits für den Unternehmenserhalt eingesetzt haben.

Praktische Konsequenzen für betroffene Unternehmen

Die Bedeutung insbesondere der Obergrenzen wird oft von Unternehmen und Steuerberatern unterschätzt. Verneint etwa eine Bewilligungsstelle die Anwendbarkeit des Beihilferahmens Schadensausgleich und fällt das Unternehmen daher „zurück“ in einen anderen Beihilferahmen, kann dies schnell einen Kaskadeneffekt auslösen. Denn dann gelten oft andere – niedrigere – Schwellenwerte mit der Folge, dass sich automatisch nach EU-Beihilferecht Rückforderungen ergeben. Das wird oft übersehen. Bei solchen Nachfragen sollte man daher unbedingt besondere Sorgfalt walten lassen und die Folgen klar durchdenken.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Ihr Unternehmen bereits vor der Pandemie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war. Das EU-Beihilferecht sieht vor, dass Unternehmen in Schwierigkeiten grundsätzlich keine Beihilfen erhalten dürfen - es sei denn, es gelten Ausnahmetatbestände. Allerdings gibt es hier auch wieder Ausnahmen für kleine Unternehmen. Diese Fragen sind oft komplex – bitte holen Sie sich hier anwaltliche Hilfe.

Lehren für künftige Förderprogramme

Das EU-Beihilferecht mag auf den ersten Blick wie bürokratischer Ballast erscheinen. Tatsächlich dient es aber dem fairen Wettbewerb im Binnenmarkt und verhindert, dass einzelne Staaten ihre Unternehmen durch übermäßige Subventionen bevorzugen. Wer diese Systematik versteht und beachtet, kann Fördermittel rechtssicher in Anspruch nehmen - auch in Krisenzeiten. Bei zukünftigen vergleichbaren Situationen müssen die Bewilligungsstellen dieses Recht konsequenter beachten, um lange und schwierige Schlussabrechnungsverfahren mit hohen Rückforderungen zu vermeiden.


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Schlagworte zum Thema:  EU-Recht , Beihilfe , Coronavirus
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