Praxis der Bewilligungsstellen in der Schlussabrechnung bei familiären Verflechtungen

Die Bewilligungsstellen zeigen bundesweit eine strenge Prüfpraxis, die zu zahlreichen Rückforderungen von bereits gewährten Teilen der Hilfen oder sogar zu Ablehnungen ganzer Schlussabrechnungen führt. Dieser Beitrag beleuchtet die aktuelle Praxis der Bewilligungsstellen und gibt praktische Hinweise zum Umgang mit dieser Problematik.
Die Bedeutung eines Unternehmensverbunds bei den Überbrückungshilfen
Ein Unternehmensverbund hat erhebliche Auswirkungen auf die Antragsstellung und Bewilligung von Überbrückungshilfen. Grundsätzlich durfte für alle Unternehmen eines Verbundes nur ein gemeinsamer Antrag gestellt werden. Dies bedeutet, dass einzelne Unternehmen innerhalb des Verbunds nicht individuell Anträge einreichen konnten, selbst wenn sie eigenständig wirtschaften. Zudem sind Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen nicht förderfähig, da sie als interne Transaktionen gewertet werden.
Eine falsche oder unvollständige Angabe über die Zugehörigkeit zu einem Unternehmensverbund kann zu Rückforderungen bereits ausgezahlter Hilfen oder sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Die Rückforderung aller Hilfen bei falsch eingereichten Schlussabrechnungen ist in Ziff. 2.1 der FAQ der Schlussabrechnungen ausdrücklich vorgesehen.
In der Regel allerdings soll es bei nachträglicher Feststellung eines Unternehmensverbunds eine sog. konsolidierte Schlussabrechnung nach Ziff. 6.4 FAQ geben - das ist derzeit auch die Praxis. Aber: Es gibt immer ein Restrisiko einer vollständigen Rückforderung bei nicht erklärtem und nachträglich von Seiten der Bewilligungsstellen festgestellten Unternehmensverbünden.
Familiäre Verflechtungen und die Definition des Unternehmensverbunds
Ein Unternehmensverbund liegt gemäß der EU-Definition (Anhang I Art. 3 Abs. 3 VO (EU) Nr. 651/2014) vor, wenn zwischen mehreren Unternehmen eine rechtliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit besteht. Dies kann sich durch Mehrheitsbeteiligungen, Kontrollrechte über Leitungsorgane oder beherrschende Einflussnahme durch Verträge oder Absprachen manifestieren. Darüber hinaus können Unternehmen auch dann als verbunden gelten, wenn sie durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe von Personen kontrolliert werden, sofern sie auf demselben oder benachbarten Markt tätig sind.
Besonders problematisch ist, dass die Bewilligungsstellen diese Definition zunehmend zulasten von Familien auslegen. Mindestens seit 2022 setzen viele Bewilligungsstellen eine unwiderlegbare Vermutung des gemeinsamen Handelns voraus, wenn familiäre Verbindungen zwischen Unternehmensinhabern (bzw. -mitinhabern) bestehen.
Dies bedeutet, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob eine wirtschaftliche oder organisatorische Abhängigkeit nachweisbar ist – entscheidend ist nur, ob die Unternehmen der Familienmitglieder auf demselben oder einem benachbarten Markt tätig sind. Leistungsbeziehungen können dabei sehr schnell einen vorgelagerten und damit benachbarten Markt begründen. Dadurch werden zahlreiche Unternehmen, die tatsächlich unabhängig agieren, dennoch als Unternehmensverbund eingestuft, was erhebliche Auswirkungen auf die Schlussabrechnung hat.
Konsequenzen der Einstufung als Familienverbund anhand eines Beispiels
Ein Praxisbeispiel veranschaulicht die Problematik:
Die Ehefrau betreibt eine gewerbliche Immobilien-GmbH, deren 100%ige Gesellschafterin sie ist. Sie vermietet Räumlichkeiten an das Reisebüro ihres Ehemannes, welches dieser als Einzelunternehmen führt. Während beide Unternehmen eigenständig wirtschaften und unabhängig voneinander agieren, nehmen die Bewilligungsstellen zunehmend eine unwiderlegbare Vermutung eines Unternehmensverbunds an.
Die Begründung: Aufgrund der familiären Verbindung der Eigentümer wird ein gemeinsames Handeln unterstellt, unabhängig davon, ob tatsächlich eine wirtschaftliche oder organisatorische Abhängigkeit besteht. Entscheidend ist allein, ob beide Unternehmen auf demselben oder einem benachbarten Markt tätig sind. In diesem Fall argumentieren Bewilligungsstellen, dass die Gewerbeimmobilien-GmbH über die Vermietung wirtschaftlich mit dem Reisebüro verbunden ist und damit ein Unternehmensverbund vorliegt. Die Vermietung sei in der Regel ein vorgelagerter Markt.
Die Folgen für die Schlussabrechnung sind gravierend:
- Die Unternehmen müssen einen konsolidierten Antrag stellen, der dazu führen kann, dass das Reisebüro keinen eigenständigen Anspruch mehr auf Überbrückungshilfen hat - bzw. sogar die Privilegien für die Reisewirtschaft bei den Überbrückungshilfen verliert, da der Unternehmensverbund insgesamt vielleicht nicht mehr seinen Schwerpunkt in der Reisewirtschaft hat.
- Zudem sind die Mietzahlungen zwischen den Unternehmen nicht als Fixkosten anerkennungsfähig, was zu finanziellen Nachteilen und möglichen Rückforderungen führt.
- In einigen Fällen drohen sogar strafrechtliche Konsequenzen wegen vermeintlich falscher Angaben - gelegentlich zeigen Bewilligungsstellen Unternehmen und Steuerberater an, wenn sie sich beim Thema Unternehmensverbund getäuscht fühlen (allerdings ist dieser Trend glücklicherweise derzeit rückläufig).
Rechtliche Kritik an der Praxis der Bewilligungsstellen
Die restriktive Handhabung der Unternehmensverbund-Regelungen durch die Bewilligungsstellen stößt auf erhebliche rechtliche Bedenken seitens der Autoren, die diese Kritik inzwischen in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren weiter austariert haben. Ein zentrales Problem ist die unwiderlegbare Vermutung des gemeinsamen Handelns allein aufgrund familiärer Verbindungen. Diese Vorgehensweise widerspricht grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien, insbesondere dem Bestimmtheitsgrundsatz. Unternehmen sollten nicht allein aufgrund von Familienzugehörigkeiten wirtschaftlich zusammengefasst werden, wenn tatsächlich keine beherrschende Einflussnahme oder enge wirtschaftliche Verflechtung besteht.
Zudem ist die Annahme eines Unternehmensverbunds ohne differenzierte Betrachtung der tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten problematisch. Die EU-Definition eines Unternehmensverbunds setzt voraus, dass eine Einflussnahme oder Kontrolle vorliegt, die über eine bloße familiäre Beziehung hinausgeht. Die pauschale Zusammenfassung von Unternehmen führt dazu, dass wirtschaftlich eigenständige Unternehmen zu Unrecht als Verbund gewertet werden und in der Folge ihre Förderansprüche verlieren oder Rückforderungen ausgesetzt sind.
Auch das Fehlen einer effektiven Möglichkeit zur Widerlegung der Vermutung des gemeinsamen Handelns verstärkt die rechtlichen Bedenken. Es wäre geboten, dass Unternehmen die Gelegenheit haben, im Einzelfall nachzuweisen, dass keine enge wirtschaftliche Verknüpfung vorliegt und sie daher als eigenständig anzusehen sind.
Der neue Leitfaden des BMWK und verbleibende Unsicherheiten
Laut dem ergänzenden Leitfaden des BMWK vom Juli 2024 zum Thema Unternehmensverbund sind Eheleute, eingetragene Partnerschaften, Eltern, Kinder und Geschwister regelmäßig als gemeinsam handelnde Personen anzusehen. Damit werden ihre Unternehmen oft zwangsweise in einen Unternehmensverbund eingeordnet, selbst wenn keine wirtschaftliche oder organisatorische Abhängigkeit besteht. Allerdings soll es auch "atypische Fälle" geben, bei denen diese Vermutung nicht greift.
Der neue Leitfaden des BMWK sollte eigentlich Klarheit in die Bewertung von Unternehmensverbünden bringen. Das gelingt jedoch nicht. Die wesentliche Problematik bleibt bestehen: Die Bewilligungsstellen setzen die Vorgaben in der Praxis oft restriktiv um und nehmen eine unwiderlegbare Vermutung gemeinsamen Handelns an. Dies führt dazu, dass Unternehmen auf den ersten Blick scheinbar kaum eine Möglichkeit haben, sich gegen eine Verbundannahme zu wehren. Zudem bleibt die Frage offen, in welchem Umfang Unternehmen auf verschiedenen Märkten tätig sein müssen, um als wirtschaftlich getrennt betrachtet zu werden.
Rechtliche Unsicherheiten ergeben sich auch in Bezug auf die Nachprüfbarkeit der Entscheidungen der Bewilligungsstellen. Während der Leitfaden als Orientierungshilfe dient, fehlt es an einer klaren Regelung, wie sich betroffene Unternehmen effektiv dagegen verteidigen können. Gerichtliche Verfahren hierzu sind langwierig, und die bisherige Rechtsprechung bietet keine einheitliche Linie, die Unternehmen in der Praxis Sicherheit geben könnte. Wir stehen bei den Schlussabrechnungen erst am Anfang.
Klar ist jedoch: Die Rechtsfrage, ob bei einer Familie ein gemeinsames Handeln wirklich unwiderlegbar vermutet werden kann, ist noch nicht abschließend entschieden. Es gibt dazu bereits viele Rechtsstreitigkeiten und es wird noch viele weitere geben. Es wird Jahre dauern, bis es in der Rechtsprechung eine Klärung gibt.
Praktische Konsequenzen für die Schlussabrechnung
Die Annahme eines Unternehmensverbunds hat erhebliche Auswirkungen auf die Schlussabrechnung:
- Nur ein Antrag für alle Unternehmen des Verbundes: Dies kann dazu führen, dass bestimmte Unternehmen keine Förderung erhalten oder bestehende Bescheide aufgehoben werden. Die konsolidierte Schlussabrechnung nach Ziff. 6.4 FAQ kann zu erheblichen Anspruchskürzungen führen.
- Konsolidierung von Umsätzen und Fixkosten: Die Zusammenrechnung kann dazu führen, dass die Fördervoraussetzungen nachträglich nicht mehr erfüllt sind, denn Umsätze und Fixkosten müssen zusammengerechnet werden. Problematisch ist: Die Fixkosten hinzukommender Unternehmen, die selbst keinen Förderantrag gestellt haben, sollen auch nach dem Leitfaden vom 19. Juli 2024 des BMWK in der Regel keine Berücksichtigung finden.
- Aberkennung bestimmter Fixkosten: Insbesondere Zahlungen zwischen Unternehmen im vermeintlichen Verbund werden oft nicht als förderfähig anerkannt.
Tipps und Tricks für betroffene Unternehmen
Nachfragen im Schlussabrechnungsverfahren zum Thema Unternehmensverbund müssen ernst genommen werden. Unzureichende Angaben oder "Erklärungen ins Blaue hinein" können als Verletzung der Mitwirkungspflicht gewertet werden. Es ist in jedem Fall transparent zu handeln, auch um Strafanzeigen wegen eines Subventionsbetrugs zu vermeiden.
Wenn eine Nachfrage kommt, ist diese zeitnah und umfassend zu beantworten. Sollte eine Konstellation vorliegen, bei der ein Unternehmensverbund im familiären Kontext vorliegen könnte, müssen prüfende Dritte
- umfassend den Sachverhalt und die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen darstellen und
- rechtlich umfassend begründen, warum sie nicht von einem Unternehmensverbund ausgegangen sind.
Gegen die Annahme eines unwiderlegbar gemeinsamen Handelns im Familienkontext sollte rechtlich argumentiert werden. Bei drohenden Rückforderungen sollten prüfende Dritte unbedingt nicht nur die Mandanten informieren, sondern sie auch dazu drängen, eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
Anwaltliche Stellungnahmen und Gutachten können im Schlussabrechnungsverfahren als Vortrag der Antragsteller eingereicht werden und helfen, die Willensbildung der Bewilligungsstelle zu prägen. Sie entlasten zudem die prüfenden Dritten, die ansonsten selbst in der Verantwortung stehen, alle rechtlichen Argumente und notwendigen Sachverhaltselemente einzuführen.
Sofern die Bewilligungsstelle dennoch auf einer konsolidierten Schlussabrechnung besteht, muss das weitere Vorgehen sorgsam abgewogen werden. Die Einreichung der konsolidierten Schlussabrechnung kann zu erheblichen Rückforderungen führen, insbesondere wenn die Fixkosten hinzutretender Unternehmen nicht berücksichtigt werden dürfen. Auf der anderen Seite gilt: Besteht die Bewilligungsstelle auf einer konsolidierten Schlussabrechnung und wird diese gar nicht eingereicht, kann eine vollständige Rückforderung der Hilfen folgen. Das kann oft keine Option sein. Dann heißt es: Konsolidieren, aber gleichzeitig sich gegen einen Unternehmensverbund verwahren, damit der Mandant sich im Zweifel im Widerspruchs- oder Klageverfahren gegen eine Rückforderung verwahren kann.
Oft kann es auch sinnvoll sein, zu argumentieren, es liege ein atypischer Fall vor. Dies muss jedoch anhand des Einzelfalls umfassend begründet werden, warum in einem solchen Fall die Annahme eines gemeinsamen Handelns zwischen den Familienmitgliedern unverhältnismäßig wäre. Es gibt hier keine klaren Kriterien, aber wir sind der Ansicht, dies kann etwa bei nachweisbar zerstrittenen Familienverhältnissen ein denkbarer Weg sein.
Fazit
Die aktuelle Prüfungspraxis der Bewilligungsstellen ist restriktiv und stellt insbesondere familiengeführte Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Hier kann es wichtig sein, nicht nur umfassend zum Sachverhalt vorzutragen, sondern auch umfassende rechtliche Argumente gegen die Annahme eines Unternehmensverbunds anzuführen. Im Zweifel ist anwaltliche Hilfe sinnvoll, denn rechtlich ist hier vieles nicht final geklärt.
Hinweis: Viele dieser Themen werden auch im Netzwerk Überbrückungshilfe unter www.überbrückungshilfe-netzwerk.de behandelt.
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