Coronahilfe Profisport wird grundsätzlich in Frage gestellt
Der Fall: Mehr als ein Einzelstreit
Ein Handball-Bundesligist klagte auf zusätzliche Coronahilfen in Höhe von rund 437.000 EUR. Das VG Köln wies mit Urteil v. 5.11.2025, 16 K 3532/23, die Klage ab – doch die Begründung geht weit über den konkreten Einzelfall hinaus. Das Gericht stellt die Rechtmäßigkeit des gesamten Förderprogramms "Coronahilfe Profisport 2021" in seiner damaligen Ausgestaltung grundsätzlich in Frage.
Die Entscheidung könnte damit Signalwirkung für zahlreiche weitere Verfahren haben und wirft die Frage auf, ob die im Rahmen dieses Programms gewährten Hilfen überhaupt beihilferechtlich zulässig waren.
Die zentrale Feststellung: Falsches Förderziel
Das Gericht arbeitet einen fundamentalen Konstruktionsfehler der Coronahilfe Profisport heraus. Die Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020 und die Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020, auf die sich das Förderprogramm stützte, waren von der EU-Kommission mit einem klar definierten Ziel genehmigt worden: Sie sollten Liquiditätsengpässe von Unternehmen beheben und sicherstellen, dass die Existenzfähigkeit der Unternehmen nicht beeinträchtigt wird.
Die Coronahilfe Profisport 2021 verfolgte jedoch faktisch ein ganz anderes Ziel. Nach Ziffer 3.3 der Förderrichtlinie erhielten Antragsteller 90 Prozent der ausgefallenen Ticketeinnahmen, ermittelt als Differenz zwischen den Einnahmen 2019 und 2021. Darüber hinaus konnten nach Ziffer 3.5 weitere 70 oder 90 Prozent der entstandenen Verluste kompensiert werden.
Das Gericht stellt fest: Vielmehr lag in der Hilfe eine Entschädigung für entgangenen Gewinn im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Jahr 2019. Genau eine solche Gewinnkompensation war aber von den herangezogenen Bundesregelungen nicht gedeckt.
Fehlende Prüfung der Fördervoraussetzungen
Noch gravierender ist die Feststellung des Gerichts, dass im Antragsverfahren die eigentli-chen Fördervoraussetzungen gar nicht geprüft wurden. Das Gericht formuliert unmissverständlich: Es wurde im Antragsverfahren ansatzweise nicht geprüft, ob die Klägerin die beantragte Coronahilfe Profisport 2021 zur Behebung eines drohenden Liquiditätsengpasses oder zur Sicherstellung ihrer Existenzfähigkeit benötigte.
Die Förderrichtlinie sah eine solche Prüfung auch gar nicht vor. Es genügte der Nachweis von Umsatzeinbußen im Vergleich zum Jahr 2019. Ob tatsächlich ein Liquiditätsengpass bestand, ob die Existenz gefährdet war, ob andere Mittel zur Verfügung standen – all dies spielte keine Rolle.
Damit fehlte es nach Auffassung des Gerichts an der "geeigneten, erforderlichen und gezielten Lösung", die der Befristete Rahmen der EU-Kommission voraussetzte. Die Förderung erfolgte nach anderen Kriterien als denen, die von der Kommission genehmigt worden waren.
Die Konsequenz: Rechtswidrige Verwaltungspraxis
Aus dieser Diskrepanz zieht das Gericht weitreichende Schlüsse. Die Verwaltungspraxis zur Coronahilfe Profisport 2021 sei "insgesamt rechtswidrig". Eine auf Art. 107 Abs. 3 Buchst. AEUV gestützte Beihilfe ohne Prüfung der eigentlichen Fördervoraussetzungen überschreite die Grenzen dessen, was die Kommission genehmigt hatte.
Das Gericht betont, dass nur der Kommission – nicht den nationalen Stellen – für die Beurteilung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit von Beihilfen ein weites Ermessen eingeräumt ist. Die nationalen Behörden hätten lediglich zu prüfen, ob eine konkrete Förderung von der erteilten Genehmigung gedeckt war. Diese einfache Prüfung hätte ergeben müssen, dass die pauschale Gewinnkompensation nicht den genehmigten Zielen entsprach.
Unterscheidung zu anderen Hilfsprogrammen
Das Gericht weist darauf hin, dass die EU-Kommission sehr wohl eine Entschädigung für Einbußen als möglich angesehen hatte – allerdings nur unter anderen Voraussetzungen. In Randnummer 15 ff. des Befristeten Rahmens hatte die Kommission auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV Entschädigungen für unmittelbar auf den COVID-19-Ausbruch zurückzuführende Einbußen für zulässig gehalten.
Allerdings verlangte sie dabei "zur Vermeidung einer Überkompensation eine strenge Quantifizierung der jeweiligen Einbußen". Genau eine solche strenge Quantifizierung und Einzelfallprüfung sah die Coronahilfe Profisport aber nicht vor.
Die Förderrichtlinie hätte sich also auf andere beihilferechtliche Grundlagen stützen müssen. Da sie dies nicht tat und sich stattdessen ausschließlich auf die Bundesregelungen berief, fehlte es nach Auffassung des Gerichts an der erforderlichen Genehmigung durch die Kommission.
Keine Heilung durch nachträgliche Umdeutung
Das Gericht erteilt auch dem Versuch eine Absage, die Förderung im Nachhinein auf andere beihilferechtliche Grundlagen zu stützen. Eine Ausweitung des Prüfungsmaßstabs auf weitere Regelungen komme nicht in Betracht, wenn sich der ursprüngliche Antrag und die behördliche Prüfung ausschließlich auf ein bestimmtes Beihilferegime bezogen hätten.
Diese Klarstellung ist bedeutsam: Das Gericht verwehrt den Behörden die Möglichkeit, nachträglich zu argumentieren, die Förderung wäre auch unter anderen Voraussetzungen zulässig gewesen. Maßgeblich ist ausschließlich die tatsächlich herangezogene Rechtsgrundlage – und diese trug die Förderung nicht.
Zudem wäre eine solche nachträgliche Umdeutung auch deshalb nicht möglich gewesen, weil die beihilferechtlichen Grundlagen bereits am 30.6.2022 ausgelaufen waren. Eine neue Beihilferegelung hätte der vorherigen Anmeldung und Genehmigung durch die Kommission bedurft.
Gleichbehandlung im Unrecht gibt es nicht
Besonders praxisrelevant ist die Feststellung des Gerichts zu Gleichbehandlungsansprüchen. Ein auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützter Förderanspruch könne "nur bei rechtmäßiger Verwaltungspraxis bestehen". Bei rechtswidriger Verwaltungspraxis biete der Gleichheitssatz keine Grundlage dafür, ebenfalls rechtswidrig staatliche Leistungen zu erhalten.
Das bedeutet konkret: Auch wenn andere Sportvereine oder -unternehmen nach demselben Muster gefördert wurden, begründet dies keinen Anspruch auf eine gleichfalls rechtswidrige Förderung. Der "Gleichheit im Unrecht"-Gedanke greift nicht.
Für die Praxis folgt daraus: Wer argumentiert, andere hätten die Förderung schließlich auch erhalten, wird damit nicht durchdringen. Das Gericht stellt unmissverständlich klar: "Die Verwaltungspraxis war insgesamt rechtswidrig und konnte daher keine subjektiven Förderansprüche aus Art. 3 Abs. 1 GG vermitteln."
Die zeitliche Komponente verschärft die Problematik
Neben der materiell-rechtlichen Problematik kommt erschwerend die zeitliche Dimension hinzu. Der Befristete Rahmen und die darauf gestützten Bundesregelungen liefen spätestens am 30.6.2022 aus. Nach diesem Stichtag war eine Bewilligung auf Grundlage dieser Regelungen grundsätzlich nicht mehr möglich.
Das Gericht macht deutlich, dass eine spätere Mittelgewährung nur dann in Betracht kommt, wenn der Betroffene bereits vor Ablauf der Geltungsdauer einen sicheren Rechtsanspruch erworben hatte. Bei zuwendungsrechtlichen Entscheidungen ist dies regelmäßig der Zeitpunkt der letzten behördlichen Ermessensentscheidung.
Im konkreten Fall war der Förderantrag bereits im Oktober 2021 bestandskräftig beschieden worden. Eine darüber hinausgehende gesicherte Rechtsposition bestand nicht. Der erst im August 2022 gestellte Antrag auf Wiederaufgreifen kam damit zu spät.
Auswirkungen auf laufende und abgeschlossene Verfahren
Die Entscheidung wirft die Frage auf, welche Konsequenzen sich für bereits gewährte Coronahilfen Profisport ergeben. Wenn das Förderprogramm in seiner Gesamtheit nicht mit den beihilferechtlichen Grundlagen vereinbar war, stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit bereits erfolgter Bewilligungen.
Für beratende Berufe ergibt sich aus der Entscheidung erhebliche Rechtsunsicherheit. Wer Mandanten bei der Beantragung von Coronahilfen Profisport beraten hat, muss nun damit rechnen, dass diese Beratung auf einer möglicherweise rechtswidrigen Grundlage beruhte.
Allerdings dürfte eine Haftung der Berater in den meisten Fällen ausscheiden. Die beihilferechtliche Problematik war weder offensichtlich noch wurde sie in der Literatur thematisiert. Die Behörden selbst sind von der Rechtmäßigkeit des Programms ausgegangen und haben entsprechend bewilligt.
Einordnung: Ein Einzelfall oder ein Systemfehler?
Die Entscheidung des VG Köln legt den Finger in eine Wunde, die möglicherweise mehrere Corona-Hilfsprogramme betrifft. Die Spannung zwischen schneller, unbürokratischer Hilfe einerseits und beihilferechtlicher Korrektheit andererseits wurde in der Pandemie zugunsten der Schnelligkeit aufgelöst.
Die Frage ist, ob diese Priorisierung rechtlich haltbar war. Das VG Köln verneint dies jeden-falls für die Coronahilfe Profisport. Andere Gerichte werden sich positionieren müssen – und möglicherweise zu anderen Ergebnissen kommen.
Letztlich könnte die Frage vor den EuGH gelangen. Nur er kann verbindlich klären, ob die Art und Weise, wie die Coronahilfe Profisport ausgestaltet war, noch von den genehmigten Bundesregelungen gedeckt war oder ob es einer eigenständigen Genehmigung auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV bedurft hätte.
Die Entscheidung des VG Köln ist nach Kenntnis der Autoren bisher nicht rechtskräftig.
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