Schlussabrechnung erhalten? Diese Vorbehalte lauern noch jahrelang

Ein Schlussbescheid zur Überbrückungshilfe III liegt vor, die abschließende Festsetzung ist erfolgt – bedeutet dies endlich Rechtssicherheit? Leider nein. Ein genauer Blick in die Bescheide zeigt: Die Bewilligungsstellen haben sich umfassende Prüfungs- und Widerrufsrechte vorbehalten, die teilweise über Jahre hinweg bestehen bleiben.
Prüfungsvorbehalte: Behörden können jederzeit nachkontrollieren
Der wohl weitreichendste Vorbehalt findet sich typischerweise in Ziffer 10 der Nebenbestimmungen der positiven Schlussbescheide. Dort heißt es unmissverständlich: "Wir behalten uns im Einzelfall im Nachgang eine Prüfung der Voraussetzungen […] vor." Diese Formulierung ist bewusst offengehalten und räumt den Behörden erhebliche Spielräume ein.
Konkret bedeutet das: Auch Jahre nach Erhalt des Schlussbescheids können die Bewilligungsstelle, das zuständige Wirtschaftsministerium oder beauftragte Dritte eine umfassende Prüfung einleiten. Sie sind dann berechtigt, sämtliche Bücher, Belege und Geschäftsunterlagen anzufordern oder sogar örtliche Erhebungen durchzuführen.
Besonders brisant: Neben den Landesbehörden haben auch der Landes- und Bundesrechnungshof sowie die EU-Kommission eigenständige Prüfungsrechte. Das schafft multiple Kontrollinstanzen, die unabhängig voneinander tätig werden können.
Prüfungen durch die EU-Kommission sind zwar nicht wahrscheinlich, tauchen in der Praxis aber bei öffentlichen Förderungen gelegentlich auf. Sie sind besonders aufwendig. Zu rechnen ist damit, dass jedenfalls Unternehmen mit hohen Fördersummen solche Prüfungen durch die EU-Kommission erhalten werden.
Was das für die Praxis bedeutet, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ungewiss. Klar ist jedoch: Sollte sich beispielsweise bei Steuerprüfungen herausstellen, dass die Unternehmen (und sei es nur versehentlich) falsche Angaben bei den Schlussabrechnungen gemacht haben, kann das Schlussabrechnungsverfahren durch diese Nachprüfung quasi wieder von vorne losgehen. Die Autoren dieses Beitrags kennen dies aus dem deutschen Fördermittelrecht und der Betreuung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die oftmals noch Jahre nach Abschluss von Projekten, Prüfverfahren für erhaltene Fördermittel erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass dies bei den Überbrückungshilfen Ausnahmefälle bleiben.
Widerrufsvorbehalte bei Verstößen gegen Nebenbestimmungen
In Ziffer 2 der Nebenbestimmungen behalten sich die Behörden vor, den Bescheid "teilweise und ggf. vollständig" zu widerrufen, wenn gegen die festgesetzten Bestimmungen verstoßen wird. Diese Widerrufsmöglichkeit ist zeitlich nicht begrenzt und kann sich auf verschiedenste Verstöße beziehen.
Typische Risikobereiche sind dabei:
- Verstoß gegen die Zweckbindung der Mittel, etwa im Falle, dass Nachzahlungen für private Käufe statt für den Betrieb eingesetzt werden.
- Nichtbeachtung der Mitteilungspflichten bei Änderungen.
- Verletzung der Steueroasen-Regelungen (gilt auch für Nachzahlungen!).
- Verstöße gegen Dividenden- und Bonusverbote bei Antragstellern mit großvolumigen Hilfen.
Steueroasen-Falle: 5 Jahre Aufmerksamkeit erforderlich
Besonders tückisch ist die Regelung zu Steueroasen in Ziffer 4 der Nebenbestimmungen. Hier gilt eine 5-Jahres-Frist ab Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheids. In diesem Zeitraum dürfen keine Lizenz- oder Finanzierungsentgelte sowie Versicherungsprämien an Unternehmen in Steueroasen entrichtet werden.
Ein Praxisbeispiel verdeutlicht die Brisanz: Ein mittelständisches Unternehmen erhält 2021 Überbrückungshilfe und schließt 2024 einen Lizenzvertrag mit einer Tochterfirma in einem Land mit niedrigem Steuersatz ab. Auch wenn dieser Vertrag wirtschaftlich sinnvoll ist, kann er zur vollständigen Rückforderung der Überbrückungshilfe führen. Die Bestimmung ist sehr weitgehend - ob sie auch dann hält, wenn die Mittel zur Zahlung des Lizenzvertrages nachweisbar nicht aus Überbrückungshilfen stammt, ist fraglich. Ein Risiko jedenfalls ist gegeben, wenn Gelder in Steueroasen fließen.
Rückforderungsrisiken: Wann wird es wirklich teuer?
Ziffer 11 der Bescheide regelt umfassend, wann Hilfen zurückgefordert werden können. Neben offensichtlichen Fällen wie falschen Angaben droht eine Rückforderung auch bei:
- Nachträglicher Feststellung, dass Voraussetzungen nicht vorlagen.
- Unwirksamkeit des Bescheids aus anderen Gründen.
- Verstößen gegen die Zweckbindung.
Zusätzlich sind die zurückzufordernden Beträge zu verzinsen, was die finanzielle Belastung erheblich erhöht. Die Zinsen werden dabei ab dem ursprünglichen Auszahlungszeitpunkt berechnet.
In der Praxis wird sich noch zeigen müssen, ob dieser sehr weitreichende Vorbehalt wirklich halten wird.
Mitteilungspflichten: Transparenz ist Daueraufgabe
Oft unterschätzt werden die umfangreichen Mitteilungspflichten. Änderungen müssen "unverzüglich" über den ursprünglich beauftragten Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt mitgeteilt werden.
Beispiele für mitteilungspflichtige Änderungen:
- Beantragung weiterer Corona-Hilfen.
- Erhalt von Versicherungsleistungen aufgrund der Betriebsschließung.
- Eintritt von Insolvenzgründen (vor Erhalt einer Nachzahlung).
Aufbewahrungspflicht: 10 Jahre Dokumentation
Die 10-jährige Aufbewahrungspflicht für alle relevanten Unterlagen ist kein Zufall. Sie entspricht der längsten denkbaren Prüfungsfrist und zeigt, wie ernst die Behörden eine nachgelagerte Kontrolle nehmen.
Dabei geht es nicht nur um die ursprünglichen Antragsunterlagen. Aufzubewahren sind sämtliche Dokumente, die für die Überprüfung der ordnungsgemäßen Verwendung relevant sein könnten – von Belegen über Geschäftsbücher bis hin zu Versicherungsunterlagen.
Beihilferechtliche Fallen: Kumulierung kann problematisch werden
Besonders komplex wird es bei der Beachtung beihilferechtlicher Obergrenzen. Die Bescheide enthalten seitenlange Erklärungen zu verschiedenen Höchstbeträgen und deren Kumulierung. Werden diese nachträglich überschritten – etwa durch weitere bewilligte Hilfen, die nicht in die Schlussabrechnung eingeführt worden waren–, kann das zur anteiligen Rückforderung führen.
Vor allem für große Unternehmen wird es hier noch ein Nachspiel geben: Denn die im europäischen Unternehmensverbund erhaltenen Hilfen werden am Ende EU-beihilferechtlich kumuliert und die EU wird prüfen, ob der Unternehmensverbund durch Hilfen von verschiedenen EU-Ländern gegen beihilferechtliche Höchstgrenzen verstoßen haben. Diese Thematik hat nach unserer Wahrnehmung noch kaum jemand im Blick.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Angesichts dieser vielfältigen Risiken sollten Unternehmen und ihre Berater folgende Punkte beachten:
- Dokumentation perfektionieren: Dokumentieren Sie dauerhaft alles, was mit Antrag und Schlussabrechnung im Zusammenhang steht.
- Compliance-System etablieren: Implementieren Sie ein System zur Überwachung aller relevanten Fristen und Mitteilungspflichten. Besonders die 5-Jahres-Frist bei Steueroasen sollte fest im Kalender stehen.
- Rechtliche Entwicklung verfolgen: Die Rechtsprechung zu Corona-Hilfen entwickelt sich kontinuierlich weiter. Bleiben Sie über aktuelle Entscheidungen informiert.
- Professionelle Begleitung sichern: Lassen Sie sich auch nach Erhalt des Schlussbescheids von erfahrenen Beratern begleiten. Die Risiken rechtfertigen diesen Aufwand.
Fazit: Entspannung nicht in Sicht
Ein Schlussbescheid zur Überbrückungshilfe bedeutet noch lange nicht das Ende der Geschichte. Die umfangreichen Vorbehalte zeigen: Unternehmen und ihre Berater müssen noch Jahre lang wachsam bleiben. Nur wer die verschiedenen Fallstricke kennt und systematisch überwacht, kann böse Überraschungen vermeiden.
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