Serie: Schlussabrechnungen der Coronahilfen

Nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Corona-Hilfen sorgt für Unmut in der Praxis


Nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Corona-Hilfen

Die Corona-Überbrückungshilfen sollten Unternehmen in der Krise schnell und unbürokratisch helfen. Vier Jahre später zeigt sich bei den Schlussabrechnungen ein anderes Bild: Bewilligungsstellen prüfen nachträglich die Wirtschaftlichkeit einzelner Anschaffungen und fordern Fördergelder zurück.

Diese Praxis wirft erhebliche rechtliche und praktische Fragen auf.

Die aktuelle Problematik

Bei der Schlussabrechnung der Überbrückungshilfen, vor allem ab der Überbrückungshilfe III, erleben viele Unternehmen eine böse Überraschung. Bewilligungsstellen hinterfragen plötzlich die Angemessenheit von Ausgaben, die während der Pandemie getätigt wurden:

  • Apple-Geräte für Werbeagenturen werden als "zu teuer" eingestuft,
  • Firmenwagen bestimmter Marken gelten als "nicht wirtschaftlich",
  • digitale Kassensysteme sollen durch günstigere Alternativen ersetzt werden,
  • selbst die Anzahl von Hygienespendern wird in Frage gestellt.

Rechtliche Grundlagen fehlen

Die FAQs zur Überbrückungshilfe III sehen keine (nachträgliche) Wirtschaftlichkeitsprüfung einzelner Anschaffungen vor. Gemäß Ziffer 3.12 der FAQs erfolgt bei der Schlussabrechnung lediglich:

  • eine Überprüfung der tatsächlichen Umsatzeinbrüche,
  • eine Überprüfung der tatsächlich angefallenen förderfähigen Fixkosten und
  • ein Abgleich mit den prognostizierten Werten aus dem Antrag.

Von einer Bewertung der Angemessenheit oder Wirtschaftlichkeit einzelner Ausgaben ist dort keine Rede. Die Prüfung der Plausibilität oblag den prüfenden Dritten (Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern) bereits bei der Antragstellung.

Eingriff in die unternehmerische Freiheit

Die nachträgliche Bewertung unternehmerischer Entscheidungen durch Behördenmitarbeiter wirft verfassungsrechtliche Fragen auf. Die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG umfasst auch die Freiheit, über die Art und Weise der Berufsausübung selbst zu entscheiden - einschließlich der Wahl der Betriebsmittel.

Wenn eine Werbeagentur für ihre Arbeit Apple-Geräte benötigt, ein Außendienstmitarbeiter einen zuverlässigen Firmenwagen braucht oder ein Restaurant in hochwertige Hygienemaßnahmen investiert, sind das unternehmerische Entscheidungen, die auf Branchenkenntnissen und betrieblichen Erfordernissen beruhen.

Problematische Bewertungspraxis

Besonders fragwürdig ist die fachliche Kompetenz für solche Bewertungen:

Beispiel 1: Ein Sachbearbeiter einer Förderbank bewertet, dass für eine Grafikagentur keine Apple-Computer notwendig seien. Dabei ist in der Kreativbranche die Nutzung von Apple-Produkten aufgrund spezieller Software und Workflow-Integration oft Standard.

Beispiel 2: Die Angemessenheit von Mieten wird ohne Marktvergleich oder Ortskenntnis beurteilt. Was in München angemessen ist, kann in Brandenburg überteuert erscheinen.

Beispiel 3: Steuerberaterhonorare werden als "zu hoch" eingestuft - von Mitarbeitern, die selbst keine steuerliche Qualifikation besitzen.

Auswirkungen auf die Praxis

Die nachträgliche Infragestellung führt zu erheblichen Problemen:

  • Unternehmen müssen Jahre später Entscheidungen rechtfertigen, die in einer Ausnahmesituation getroffen wurden.
  • Rückforderungen treffen Betriebe, die sich gerade von der Krise erholen.
  • Die Rechtsunsicherheit belastet die Unternehmensplanung.
  • Vertrauen in staatliche Hilfsprogramme wird nachhaltig beschädigt.

Handlungsbedarf für Politik und Verwaltung

Die aktuelle Praxis der Schlussabrechnungen zeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht:

  1. Klarstellung der Prüfungsmaßstäbe: Es muss eindeutig definiert werden, was bei der Schlussabrechnung geprüft wird - und was nicht.
  2. Vertrauensschutz gewährleisten: Unternehmen, die sich an die geltenden Regelungen gehalten haben, dürfen nicht nachträglich mit neuen Maßstäben konfrontiert werden. Hierauf sollten auch Steuerberater*innen in kritischen Situationen verweisen.
  3. Kompetenzgrenzen beachten: Die Bewertung branchenspezifischer Notwendigkeiten sollte Fachleuten überlassen bleiben, nicht fachfremden Verwaltungsmitarbeitern.

Wir raten Unternehmen und Steuerberatern, im Schlussabrechnungsverfahren in diesen Punkten nicht schnell "Klein beizugeben". Erklären Sie zwar auch die betriebliche Notwendigkeit – dies allein schon deshalb, weil Ihnen ansonsten mangelnde Mitwirkung vorgeworfen wird. Fragen Sie aber auch aktiv nach, auf welcher empirischen Grundlage die Bewilligungsstellen ihre Wertungen treffen und bitten diese, die Verwaltungspraxis zu belegen.

Bei höheren Beträgen sollten schon im Schlussabrechnungsverfahren Anwälte zur Beratung herangezogen werden, um eine Rückforderung zu vermeiden – dies schon deshalb, weil in vielen Bundesländern das außergerichtliche Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde und oft gleich Klage erhoben werden muss.

In diesen Klageverfahren berücksichtigen Gerichte oft nur Sachverhaltsvortrag, der bereits im Schlussabrechnungsverfahren geltend gemacht wurde. Daher kann anwaltliche Begleitung hier früh sinnvoll sein, um eine Präklusion im Klageverfahren zu vermeiden.

Fazit

Die Corona-Überbrückungshilfen waren als schnelle und unbürokratische Unterstützung gedacht. Wenn nun Jahre später mit überzogenen Maßstäben geprüft und zurückgefordert wird, konterkariert dies den ursprünglichen Zweck. 

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