Bundesregelung Schadensausgleich: Verstärkte Nachfragen der Bewilligungsstellen

Überblick zur Bundesregelung Schadensausgleich
Die Bundesregelung Schadensausgleich (BRS) wurde als besondere Beihilferegelung für Unternehmen geschaffen, die besonders schwer von den Corona-Schließungsanordnungen betroffen waren. Anders als andere Corona-Hilfsprogramme basiert sie auf Art. 107 Abs. 2 Buchst. b des EU-Vertrags und ermöglicht einen vollständigen Schadensausgleich – theoretisch bis zu 100 Prozent der nachgewiesenen Schäden.
Diese Möglichkeit machte die BRS für Unternehmen besonders attraktiv, da sie deutlich höhere Fördersummen als die Standard-Überbrückungshilfen erlaubt. Doch genau diese hohen Summen führen nun zu verstärkten Prüfungen durch die Bewilligungsstellen.
Voraussetzungen der Antragsberechtigung
Die BRS stellte strenge Anforderungen an die Antragsberechtigung. Nach § 2 der Regelung müssen Unternehmen eine von drei Voraussetzungen erfüllen:
- Direkte Betroffenheit: Der Geschäftsbetrieb musste aufgrund einer Schließungsanordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eingestellt werden. Dies betrifft klassische "Lock-down-Branchen" wie Gastronomie, Einzelhandel oder Veranstaltungsbranche.
- Indirekte Betroffenheit: Das Unternehmen erzielt nachweislich und regelmäßig mindestens 80 Prozent seiner Umsätze mit direkt von Schließungsanordnungen betroffenen Unternehmen. Diese Voraussetzung ist in der Praxis besonders umstritten und schwer nachzuweisen.
- Reisebranche: Reisebüros oder Reiseveranstalter mit einem Umsatzeinbruch von mindestens 80 Prozent aufgrund der Corona-Reisebeschränkungen.
Warum es vermehrt Nachfragen gibt
Die Bewilligungsstellen gehen bei der Prüfung der Schlussabrechnungen von Unternehmen, die sich auf die BRS berufen haben und daher oft sieben- oder achtstellige Förderungen erhalten haben, mit besonderer Sorgfalt vor – und das aus gutem Grund:
Höhere Fördersummen bedeuten höhere Risiken: Aus Sicht der Bewilligungsstellen wurde die BRS im Rahmen der Antragsverfahren wohl zu weit ausgelegt – dies ist jedenfalls der Eindruck, den wir aus Mandatsanfragen erhalten. Auch wenn wir diese Ansicht in Abrede stellen, zeigt sich, dass die Bewilligungsstellen bei hohen Fördersummen besonders intensiv prüfen.
Enge Auslegung der Tatbestände: Die Bewilligungsstellen interpretieren die Begriffe "direkte" und "indirekte Betroffenheit" inzwischen sehr restriktiv. Was zunächst eindeutig erscheint, erweist sich oft als rechtlich umstritten. Da die Bewilligungsstellen die Schlussabrechnungen als Totalvorbehalt verstehen, bei denen auch die Antragsberechtigung erneut überprüft werden kann, führt dies für einige Unternehmen nunmehr zu einem harten Kampf im Schlussabrechnungsverfahren.
EU-beihilferechtliche Besonderheiten: Da die BRS auf einem anderen EU-rechtlichen Fundament steht als andere Corona-Hilfen, sind die Prüfungsmaßstäbe strenger. Die EU-Kommission hat diese Regelung nur für eng definierte Fälle genehmigt.
Was Unternehmen nachweisen müssen
Die Nachweisanforderungen bei der BRS sind komplex und vielschichtig:
Nachweis der Betroffenheit: Unternehmen müssen detailliert (im Zweifel tagesgenau) darlegen, wie sie von Schließungsanordnungen und anderen staatlichen Hygienemaßnahmen betroffen waren. Bei indirekter Betroffenheit sind komplexe Umsatzanalysen erforderlich, die zeigen, dass mindestens 80 Prozent der Umsätze mit direkt betroffenen Unternehmen erzielt wurden. Die Darlegungspflicht hier ist hoch. Angaben, die unsubstantiiert oder "Ins Blaue hinein" ergehen, führen zu hohen Rückforderungen.
Schadensberechnung: Nach § 3 BRS müssen Unternehmen eine präzise Schadensberechnung vorlegen. Grundlage ist die Differenz zwischen dem Betriebsergebnis in den betroffenen Monaten und dem Vergleichszeitraum 2019. Dabei sind verschiedene Korrekturfaktoren zu berücksichtigen.
Vermeidung von Überkompensation: Unternehmen müssen den Bewilligungsstellen gelegentlich nachweisen, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen zur Schadensminderung ergriffen haben und keine Überkompensation eintritt.
Bedeutung professioneller Rechtsberatung
Die Komplexität der BRS macht professionelle Beratung bereits im Schlussabrechnungsverfahren unverzichtbar:
Rechtliche Komplexität: Die BRS verbindet deutsches Fördermittelrecht mit EU-Beihilferecht und verwaltungsrechtlichen Besonderheiten. Ohne fundierte Rechtskenntnisse ist eine sachgerechte Argumentation kaum möglich. Wir haben hier in der Praxis erlebt, dass Steuerbeater*innen die rechtliche Komplexität im Schlussabrechnungsverfahren massiv unterschätzen und Angaben treffen, die die Bewilligungsstellen nachteilig auslegen.
Hohe Rückforderungsrisiken: Bei einer negativen Entscheidung drohen nicht nur Rückforderungen der erhaltenen Mittel, sondern auch Verzinsung. Bei Millionenbeträgen können sich existenzbedrohende Summen ergeben. Wenn Steuerberater*innen hier mit ihren Erklärungen nicht den Darlegungsanforderungen genügen, richten die Unternehmen wegen der hohen Rückforderungssummen schnell ihre Augen auf die prüfenden Dritten und fragen sich, ob sie diese in Haftung nehmen können.
Risiken unzureichender Stellungnahmen
Besonders gefährlich sind oberflächliche oder unzureichende Stellungnahmen gegenüber den Bewilligungsstellen:
Präklusionsgefahr: Argumente, die im Verwaltungsverfahren nicht oder unzureichend vorgebracht werden, können im späteren Klageverfahren präkludiert sein. Das Verwaltungsgericht prüft grundsätzlich nur die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des behördlichen Bescheids. Das bedeutet gerade bei diesen hohen Fördersummen eine starke Präklusionsgefahr.
Vertrauensschutz gefährdet: Unklare oder widersprüchliche Stellungnahmen können dazu führen, dass der Vertrauensschutz des Unternehmens erschüttert wird. Dies kann Rückforderungen nach § 48 VwVfG erleichtern.
Verschlechterung der Ausgangsposition: Ungeschickte Formulierungen können die Rechtslage verschlechtern, indem sie die Bewilligungsstelle auf problematische Aspekte aufmerksam machen oder falsche Tatsachenbehauptungen aufstellen.
Akteneinsicht nutzen: Professionelle Beratung kann frühzeitig Akteneinsicht beantragen und das Verfahren "offen halten", um weitere Argumentationsrunden zu ermöglichen.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Bundesregelung Schadensausgleich war ein wichtiges Instrument für schwer von der Corona-Pandemie betroffene Unternehmen. Die hohen möglichen Fördersummen gehen jedoch mit entsprechend hohen rechtlichen Anforderungen einher.
Unternehmen, die Förderungen auf BRS-Basis erhalten haben, sollten sich frühzeitig auf mögliche Nachfragen der Bewilligungsstellen vorbereiten. Eine fundierte rechtliche Beratung bereits im Schlussabrechnungsverfahren kann entscheidend dafür sein, die erhaltenen Förderungen zu behalten.
Die Zeiten oberflächlicher Prüfungen sind vorbei. Wer heute erfolgreich mit Bewilligungsstellen über BRS-Förderungen verhandeln will, benötigt sowohl tiefes Verständnis der rechtlichen Materie als auch strategisches Geschick im Umgang mit der Verwaltung. Der frühzeitige Einbezug erfahrener Rechtsberater ist dabei nicht nur ratsam, sondern oft entscheidend für den Erfolg.
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