Arbeitsmarktfähigkeit

Kindergeld für arbeitssuchende dauerhaft erkrankte Kinder


Kindergeld für arbeitsuchende dauerhaft erkrankte Kinder

Der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG regelt die Kindergeldberechtigung für Kinder unter 21 Jahren, die sich in einer Übergangsphase zwischen Schule, Ausbildung oder Studium befinden. Danach bleiben Kinder, die arbeitsuchend oder ausbildungsplatzsuchend gemeldet sind, weiterhin kindergeldberechtigt.

Die Vorschrift knüpft an die formale Meldung bei der Agentur für Arbeit an, nicht an die tatsächliche Vermittlungsfähigkeit. Konflikte entstehen insbesondere, wenn das Kind krankheitsbedingt nicht verfügbar ist oder die Zahlung von Arbeitslosengeld vorübergehend eingestellt wird.

Die Rechtsprechung hat hierzu unterschiedliche Akzente gesetzt:

  • BFH, Urteil v. 25.3.2009, III R 25/08, zu "ausbildungsplatzsuchend": Anspruch bleibt erhalten, solange die Meldung fortbesteht, auch bei zeitweiser Krankheit.
  • BFH, Urteil v. 31.8.2021, III R 41/19: Bestätigung, dass für die formale Meldung als arbeitsuchend oder ausbildungsplatzsuchend der tatsächliche Verdienst oder die Krankheit des Kindes keine automatische Aufhebung rechtfertigen, aber die Krankheit darf nur vorübergehend sein. Vorübergehend = mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate.

Regelung in der Dienstanweisung Kindergeld 

Nach der Dienstanweisung Kindergeld in A 14.2 Abs. 1 Satz 1 und 2 ist eine Berücksichtigung auch in einem Zeitraum möglich, in dem das Kind wegen einer vorübergehenden Erkrankung nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland oder einem Jobcenter arbeitsuchend gemeldet ist.

Von einer vorübergehenden Erkrankung ist entsprechend des BFH-Urteils zum Thema "ausbildungsplatzsuchend" auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig nicht länger als sechs Monate währt. 

Fall des FG Berlin-Brandenburg 

In einem vom FG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall bezog die Klägerin Kindergeld für ihr unter 21 Jahre altes Kind. Das Kind war bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet. Im Streitzeitraum erkrankte das Kind für mehrere Monate und konnte keinen Vermittlungsbemühungen nachgehen. Währenddessen wurde die Zahlung von Arbeitslosengeld eingestellt.

Die Familienkasse hob den Kindergeldanspruch auf und begründete dies mit fehlender Arbeitsmarktfähigkeit. Hierbei bezog sich die Familienkasse auf § 38 Abs. 4 Nr. 1 SGB III, wonach die Arbeitsvermittlung durchzuführen ist, solange der Arbeitssuchende Arbeitslosengeld erhält. Auch wurde die Regelung der Dienstanweisung zum Kindergeld als Begründung herangezogen.

Formaler Meldestatus entscheidend

Dies sieht das FG Berlin-Brandenburg anders (Urteil v. 18.12.2024, 11 K 11154/22). § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG verlangt nur die Meldung bei der Arbeitsagentur. Krankheit oder ALG-Einstellung spielen keine Rolle. Auch sei die Verwaltungspraxis der Familienkassen nicht gesetzlich vorgeschrieben. Das FG stellte klar, dass das BFH-Urteil v. 31.8.2021, III R 41/19, die formale Meldung als entscheidend bestätigt. Es verwies darauf, dass das Gericht die vom BFH eingeräumten behördlichen Prüfspielräume bei längerer Krankheit streng auslegt und eine automatische Anwendung der 6-Monats-Praxis ablehnt. Daher sei ein Kind nicht bereits deshalb vermittlungsunfähig und nicht als arbeitssuchend gemeldet einzustufen, weil seine Erkrankung länger als sechs Monate währte.

Im vorliegenden Fall habe der Sohn der Klägerin die Meldung als arbeitssuchend nicht zurückgezogen. Auch hat die Agentur für Arbeit die Arbeitsvermittlung nicht förmlich durch Verwaltungsakt eingestellt. Lediglich das Arbeitslosengeld wurde eingestellt. Das Urteil des BFH betraf die Berufsausbildung. Daher können die Maßstäbe für den Krankheitsfall nicht gleichermaßen herangezogen werden. Hier sei zu prüfen, ob sich der Sohn der Klägerin als grundsätzlich vermittlungsfähiger Arbeitsplatzsuchender gemeldet hat.

Die Dienstanweisung Kindergeld beschreibt nur den Fall, dass sich das Kind eben nicht als arbeitssuchend gemeldet hat. Daher kommt das FG abschließend zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsvermittlung solange durchzuführen ist, solange der Arbeitsuchende dies verlangt. Die Arbeitssuchendmeldung gelte demnach hier unbefristet bis zum 21. Lebensjahr. 

Revisionsverfahren beim BFH anhängig

Gegen das Urteil ist Revision beim BFH unter dem Az. III R 9/25 anhängig. Der BFH wird prüfen, ob die Dauer der Erkrankung den Status als arbeitsuchendes Kind beeinflussen kann.


Schlagworte zum Thema:  Kindergeld , Ausbildung
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