Serie: Schlussabrechnungen der Coronahilfen

Unternehmensrestrukturierungen während Corona-Hilfe-Schlussabrechnungen


Unternehmensrestrukturierungen Corona-Hilfe-Schlussabrechnungen

Die Restrukturierung eines Unternehmens während laufender Corona-Überbrückungshilfe-Schlussabrechnungsverfahren birgt erhebliche rechtliche Risiken, die von der vollständigen Rückforderung der Hilfen bis zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 264 StGB reichen können.

Während die offiziellen FAQ des BMWK die Gesamtrechtsnachfolge nach dem UmwG grundsätzlich regeln, bestehen für viele praxisrelevante Konstellationen – insbesondere Einzelrechtsnachfolge, Formwechsel und Asset Deals – erhebliche Regelungslücken.

Die zentrale Herausforderung liegt darin, dass die Schlussabrechnungsverfahren bis 2027 andauern, während Unternehmen ihre Strukturen an veränderte wirtschaftliche Realitäten anpassen müssen. Die Rechtsprechung entwickelt sich dynamisch, wobei mehrere Verwaltungsgerichte bereits zugunsten der Unternehmen entschieden haben.

Umwandlungsrecht trifft auf Subventionsrecht

Das Umwandlungsgesetz (UmwG) kennt grundsätzlich drei  Grundformen der Umwand-lung, die jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf Corona-Hilfe-Verfahren haben.

Bei der Verschmelzung (§§ 2-122 UmwG) geht das gesamte Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden über – einschließlich aller Rechte und Pflichten aus Förderverhältnissen. Der übertragende Rechtsträger erlischt ohne Abwicklung, sodass der Rechtsnachfolger automatisch in die Position des ursprünglichen Antragstellers eintritt.

Die Spaltung (§§ 123-173 UmwG) differenziert zwischen Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung. Bei der Aufspaltung wird das Unternehmen vollständig auf mehrere Rechts-träger aufgeteilt und erlischt, wie bei der Verschmelzung ohne Liquidationsverfahren. Bei Abspaltung und Ausgliederung bleibt der übertragende Rechtsträger bestehen, während Vermögensteile übertragen werden. Der Unterschied liegt im Kern bei der Gegenleistung: Während bei der Abspaltung die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträger Anteile am übernehmenden Rechtsträger erhalten, ist es bei der Ausgliederung der übertragende Rechtsträger selbst. Entscheidend ist hier § 133 UmwG: Alle an der Spaltung beteiligten Rechtsträger haften für Altverbindlichkeiten gesamtschuldnerisch – allerdings begrenzt auf einen Zeitraum von fünf Jahren (bei Pensionsverbindlichkeiten: zehn Jahre) nach Wirksam-werden der Spaltung, soweit den Rechtsträgern die Verbindlichkeiten nicht zugewiesen sind.

Der Formwechsel (§§ 190-304 UmwG) folgt dem Identitätsprinzip: Es findet keine Vermögensübertragung statt, sondern lediglich ein Wechsel des "Rechtskleids". Der Rechtsträger bleibt identisch, weshalb alle Rechtsverhältnisse grundsätzlich fortbestehen. Problematisch ist jedoch, dass die FAQ zur Schlussabrechnung den Formwechsel nicht explizit adressieren und unklar ist, ob die Regelungen zur Gesamtrechtsnachfolge anwendbar sind.

Eine weitere Variante von Umstrukturierungen außerhalb des UmwG, aber mit einer Gesamt-rechtsnachfolge, sind Anwachsungsmodelle unter Beteiligung von Personen(handels)gesellschaften: Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus einer solchen Gesellschaft aus – oder überträgt er seine Beteiligung an den Mitgesellschafter – kommt es zu einer Anwachsung des Vermögens und der Verbindlichkeiten bei dem letzten "Gesellschafter", § 712a BGB. Die Gesellschaft wird damit beendet, da das deutsche Recht eine Personengeellschaft mit nur einem Gesellschafter nicht kennt.

Überblicksartig lassen sich die Umwandlungsformen im Hinblick auf die fördermittelrechtlichen Auswirkungen wie folgt darstellen:

Umwandlungsform

Gesamtrechtsnachfolge

Förderbescheid-Übergang

Haftung

Verschmelzung

Ja, vollständig

Automatisch

Übernehmender Rechtsträger

Aufspaltung

Ja, partiell

Nach Zuweisung

Gesamtschuldnerisch

Abspaltung

Ja, partiell

Nach Zuweisung

5 Jahre gesamtschuldnerisch

Formwechsel

Nein (Identität)

Fortbestand

Identischer Rechtsträger

Anwachsung

Ja, vollständig

Automatisch

5 Jahre gesamtschuldnerisch

Asset Deal

Nein

Kein Übergang

Nur übernommene

Share Deal

Faktisch ja

Automatisch

Change-of-Control prüfen

Die FAQ-Regelungen zur Gesamtrechtsnachfolge

Die FAQ zur Schlussabrechnung (Ziffer 6.6) regeln die Gesamtrechtsnachfolge wie folgt: Bei Fällen der Gesamtrechtsnachfolge – etwa wenn das antragstellende Unternehmen durch eine Umwandlung nach dem UmwG auf einen neuen Rechtsträger übergegangen ist – geht die Pflicht zur Einreichung der Schlussabrechnung auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt auch für bereits eingereichte Schlussabrechnungen: Das Verfahren wird automatisch mit dem Rechtsnachfolger fortgesetzt.

Der prüfende Dritte muss die Daten des Rechtsnachfolgers im Organisationsprofil hinterlegen und bestätigen, dass ihm ein Nachweis der Gesamtrechtsnachfolge vorliegt. Wird keine Schlussabrechnung eingereicht, werden die gewährten Hilfen grundsätzlich auch vom Rechtsnachfolger zurückgefordert. Eine wichtige Einschränkung besteht für Nachzahlungen: Diese können an den Rechtsnachfolger nur erfolgen, wenn dieser den Geschäftsbetrieb des ursprünglichen Antragstellers tatsächlich fortführt.

Besonders kritisch ist die Behandlung von Unternehmensverbünden. Bei verbundenen Unternehmen darf nur ein Antrag für den gesamten Verbund gestellt werden. Wird nach einer Umwandlung ein nachträglicher Verbund erkannt, müssen alle betroffenen Anträge bei einem prüfenden Dritten konsolidiert werden. Die übrigen Bescheide werden aufgehoben. Seit Oktober 2023 ist eine Verrechnung der Rückzahlungen innerhalb des Verbunds mit Einvernehmen aller Beteiligten möglich.

Einzelrechtsnachfolge bleibt ungeregelt

Eine erhebliche Regelungslücke besteht bei der Einzelrechtsnachfolge (Asset Deal). Die Steuerberaterkammer Hessen weist ausdrücklich darauf hin: "Die Einzelrechtsnachfolge ist in den FAQ nicht ausdrücklich geregelt." Bei einem Asset Deal werden einzelne Wirtschaftsgüter übertragen, nicht das Unternehmen als Ganzes. Es tritt keine Gesamtrechtsnachfolge ein, sodass Förderbescheide nicht automatisch übergehen.

Die Rechtsprechung lehnt eine Einzelrechtsnachfolge in Zuwendungsverhältnisse regelmäßig ab. Dies bedeutet praktisch: Erwirbt ein Unternehmen per Asset Deal die Vermögenswerte eines Corona-Hilfe-Empfängers, übernimmt es grundsätzlich nicht dessen Rückzahlungsverpflichtungen – aber auch nicht etwaige Nachzahlungsansprüche. Der ursprüngliche Antragstel-ler bleibt Bescheidadressat und haftet weiterhin.

Allerdings besteht eine EU-rechtliche Haftungserweiterung: Nach EU-Beihilferecht kann unter bestimmten Umständen der Erwerber sämtlicher Assets eines nicht mehr geführten Betriebs für Rückzahlungen haften. Diese Frage ist rechtlich noch nicht abschließend geklärt und birgt erhebliche Risiken für Unternehmenskäufe.

Verwaltungsverfahrensrecht bei Rückforderungen

Die verwaltungsverfahrensrechtliche Behandlung von Rückforderungen nach Umwandlungen folgt den allgemeinen Regeln der §§ 48, 49, 49a VwVfG. Bei rechtswidrigen Bewilligungsbescheiden erfolgt die Rücknahme nach § 48 VwVfG, bei rechtmäßigen Bescheiden mit späteren Verstößen der Widerruf nach § 49 VwVfG. Der Erstattungsanspruch nach § 49a VwVfG entsteht mit Wirksamkeit der Aufhebung.

Die Adressatenproblematik nach Umwandlung ist praktisch bedeutsam: Bei eingetretener Gesamtrechtsnachfolge ist der Rückforderungsbescheid an den Rechtsnachfolger zu richten. Bei Aufspaltungen kann die Behörde grundsätzlich jeden der übernehmenden Rechtsträger als Adressaten wählen, da § 133 UmwG eine gesamtschuldnerische Haftung begründet. Bei Abspaltungen bleibt der fortbestehende übertragende Rechtsträger grundsätzlich Bescheidadressat, es sei denn, der Spaltungsvertrag weist die Verbindlichkeit dem übernehmenden Rechtsträger zu.

Strafbarkeitsrisiken nach § 264 StGB

Die Corona-Hilfen sind nach BGH-Rechtsprechung (Beschluss v. 4.5.2021, 6 StR 137/21) Subventionen im Sinne des § 264 StGB. Der pauschale Hinweis in den Bewilligungsbescheiden, dass "alle Angaben subventionserheblich" sind, genügt den Anforderungen des § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB wohl. Unternehmensumwandlungen sind subventionserhebliche Tatsachen, die nach § 3 SubvG unverzüglich mitzuteilen sind.

Die strafrechtliche Relevanz bei Restrukturierungen zeigt sich in mehreren Konstellationen:

  • Verschleierung der Rechtsnachfolge: Nichtmeldung einer Umwandlung kann den Tatbestand des § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB (In-Unkenntnis-Lassen) erfüllen
  • Fehlerhafte Verbundbetrachtung: Manipulation der Verbundstruktur zur Umgehung von Höchstgrenzen
  • Leichtfertigkeit genügt: Bereits grob fahrlässiges Handeln ist nach § 264 Abs. 4 StGB strafbar (bis 3 Jahre Freiheitsstrafe)

Liquidation während laufender Verfahren

Die Liquidation eines Unternehmens während laufender Schlussabrechnungsverfahren wirft besondere Probleme auf. Nach FAQ Ziffer 6.3 gilt: Bei Geschäftsaufgabe vor Erhalt des Zuschusses erfolgt vollständige Rückzahlung. Bei Geschäftsaufgabe nach Ablauf des Förderzeitraums besteht grundsätzlich keine Rückzahlungspflicht für bereits erhaltene Hilfen – allerdings sind dann auch keine Nachzahlungen mehr möglich, selbst nicht für frühere Programme.

Öffentlich-rechtliche Rückforderungsansprüche sind Gläubigerforderungen, die im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden sind. Eine GmbH besteht steuerrechtlich fort, solange sie öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche zu erfüllen hat. Die Vollbeendigung tritt erst bei Vermögenslosigkeit und Löschung ein. Stellt die Behörde nach Löschung noch einen Rückforderungsanspruch fest, kann sie einen Antrag auf Nachtragsliquidation nach § 66 Abs. 5 GmbHG stellen.

Ein Haftungsdurchgriff auf Gesellschafter ist möglich – bei Vermögensvermischung, existenzvernichtendem Eingriff, qualifizierter Unterkapitalisierung oder Missbrauch der Gesellschaftsform. Die Rechtsprechung ist hier restriktiv.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Für Unternehmen, die während laufender Schlussabrechnungsverfahren eine Restrukturierung planen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

Vor der Umwandlung sollte eine vollständige Bestandsaufnahme aller laufenden Corona-Hilfe-Verfahren erfolgen. Die Förderauflagen – insbesondere Bindungsfristen und Verwendungszwecke – sind zu prüfen. Eine frühzeitige Abstimmung mit der Bewilligungsstelle ist dringend anzuraten, auch wenn keine formelle Genehmigungspflicht besteht.

Bei der Durchführung muss die Umwandlung unverzüglich nach Eintragung im Handelsregister gemeldet werden. Die Meldung erfolgt über das Organisationsprofil im Portal oder per E-Mail an die Bewilligungsstelle. Erforderliche Nachweise sind Handelsregisterauszug, Umwandlungsbeschluss und Eintragungsmitteilung. Ist die Schlussabrechnung bereits in Bearbeitung, muss ein Änderungsbedarf bei der Bewilligungsstelle angemeldet werden.

Timing-Strategien können Risiken minimieren: Wenn möglich, sollten Unternehmen die Schlussbescheide abwarten, bevor sie liquidiert werden. Speziell bei Fällen mit erwarteten Nachzahlungen ist eine vorzeitige Geschäftsaufgabe nachteilig, da dann alle Nachzahlungsansprüche – auch für frühere Programme – entfallen.

Offene Rechtsfragen erfordern Einzelfallprüfung

Trotz der FAQ-Regelungen bleiben zahlreiche Rechtsfragen ungeklärt: Wie ist der Formwechsel zu behandeln, wenn keine Vermögensübertragung stattfindet? Wie verteilen sich Rückforderungsansprüche bei komplexen Abspaltungen? Entsteht bei Verschmelzung zweier Antragsteller automatisch ein neuer Verbund mit Kumulierungsproblematik bei den beihilferechtlichen Obergrenzen? Welcher Vertrauensschutz besteht bei nachträglicher Verbundprüfung nach Umwandlung?

Die Bewilligungsstellen der verschiedenen Bundesländer legen die Regelungen zudem unterschiedlich aus. Die IHK München für Bayern, die L-Bank für Baden-Württemberg und die NBank für Niedersachsen haben teilweise voneinander abweichende Prüfungstiefe und Nachweisanforderungen. Dies kann zu Ermessensfehlern führen, die nach der Rechtsprechung anfechtbar sind.

Fazit

Die Schnittstelle zwischen Umwandlungsrecht und "Corona-Hilfe-Recht" bleibt ein rechtliches Minenfeld. Die Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzungen ist zwar grundsätzlich geregelt, doch für Spaltungen, Formwechsel und Asset Deals bestehen erhebliche Unsicherheiten.

Unternehmen und ihre Berater sollten vor jeder Restrukturierung eine sorgfältige Due Diligence durchführen, proaktiv mit den Bewilligungsstellen kommunizieren und alle Mitteilungspflichten strikt einhalten – nicht zuletzt zur Vermeidung strafrechtlicher Risiken nach § 264 StGB. Die dynamische Rechtsprechungsentwicklung bietet Chancen, bei rechtswidrigen Rückforderungsbescheiden erfolgreich Rechtsmittel einzulegen.

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