Wenn die Bewilligungsstelle den prüfenden Dritten anzweifelt
Die neue Prüfungspraxis bei Schlussabrechnungen
Im Rahmen der Schlussabrechnungen zeigt sich bundesweit ein Muster: Bewilligungsstellen prüfen nicht nur die materiellen Fördervoraussetzungen, sondern stellen zunehmend auch formale Fragen zur Rolle des prüfenden Dritten. Dies ist Teil einer generell verschärften Prüfpraxis, die auf dem sog. Totalvorbehalt basiert.
Anders als im ursprünglichen Antragsverfahren, in dem viele Anträge automatisiert bearbeitet wurden, erfolgt bei den Schlussabrechnungen eine händische Einzelfallprüfung durch Sachbearbeiter. Jeder Aspekt des Förderverfahrens wird dabei neu auf den Prüfstand gestellt – auch wenn er im Antragsverfahren bereits akzeptiert wurde.
Besonders die L-Bank in Baden-Württemberg, die NBank in Niedersachsen und die IHK für München und Oberbayern fallen durch eine restriktive Auslegung auf. Die Bewilligungsstellen argumentieren, dass aufgrund des Totalvorbehalts auch bereits beschiedene Sachverhalte erneut geprüft und anders bewertet werden dürfen.
Das typische Problem: Beteiligung am Unternehmen
Die häufigste Konstellation betrifft Steuerberater, die am antragstellenden Unternehmen beteiligt sind. Selbst Minderheitsbeteiligungen ohne jegliche Kontrollmöglichkeiten geraten in den Fokus der Bewilligungsstellen.
Die Bewilligungsstellen berufen sich dabei auf Ziffer 3.3 der FAQ, wonach "eine Antragstellung des prüfenden Dritten für sich selbst ausgeschlossen" ist. Aus dieser Regelung leiten sie ab, dass auch Beteiligungen problematisch seien, da der prüfende Dritte dann nicht unabhängig agiere.
Ein typischer Fall: Ein Steuerberater ist mit einem geringen Prozentanteil, meist weit unter 25 %, am Stammkapital einer GmbH beteiligt, für die er als prüfender Dritter tätig wurde. Die Bewilligungsstelle fordert ihn dann zur Stellungnahme auf und kündigt an, die Hilfen zurückzufordern, da nie ein unabhängiger prüfender Dritter vorlag.
Familiäre Verbindungen
Aber auch ohne Beteiligung am Unternehmen kann eine solche Rückforderung drohen. Das geschieht in Fällen, in denen der prüfende Dritte mit dem Antragsteller (bei Einzelunternehmen) oder dem Gesellschafter bzw. Geschäftsführer (bei Personengesellschaften oder juristischen Personen) verwandt, verschwägert oder verheiratet ist. Selbst ohne Beteiligung am Unternehmen sind Bewilligungsstellen in Einzelfällen der Ansicht, dass der prüfende Dritte in diesen Fällen nicht unabhängig agiere, sondern die Anträge quasi für sich selbst stelle. Auch in diesen Fällen droht dann ein Widerruf aller Hilfen.
Die rechtliche Gegenposition
Die restriktive Auslegung der Bewilligungsstellen ist rechtlich angreifbar. Die FAQ verbieten lediglich die Antragstellung “für sich selbst”. Dies setzt eine Personenidentität zwischen prüfendem Dritten und Antragsteller voraus.
Bei einer GmbH oder anderen Kapitalgesellschaften liegt jedoch keine Personenidentität vor. Die Gesellschaft ist eine eigenständige juristische Person, die rechtlich vom Gesellschafter zu unterscheiden ist. Diese Trennung gilt im deutschen Gesellschaftsrecht grundlegend – selbst bei Alleingesellschaftern.
Bei Minderheitsbeteiligungen kommt hinzu, dass keinerlei beherrschender Einfluss besteht.
Gegen die "Sippenhaft" bei familiären Verbindungen sprechen bereits die Grundrechte aus Art. 6 und Art. 3 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Das bedeutet aus Sicht der Autoren auch, dass nicht Ehegatten-Steuerberater schlechter stehen dürfen als andere Steuerberater, wenn ihnen nicht positiv eine direkte finanzielle Beteiligung an den Hilfen nachgewiesen wird. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es für die Finanzverwaltung beispielsweise in der Regel unproblematisch ist, wenn Ehegatten-Steuerberater die Steuererklärungen des anderen Ehegatten bzw. seines Unternehmens einreichen.
Das Argument der Unabhängigkeit
Steuerberater sind nach § 57 Abs. 1 StBerG verpflichtet, ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft und verschwiegen auszuüben. Diese berufsrechtlichen Pflichten gelten unabhängig von etwaigen wirtschaftlichen Beteiligungen.
Eine Minderheitsbeteiligung ohne Kontrollmöglichkeiten begründet keine Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 57 Abs.1a StBerG. Verschiedene Sicherungsmechanismen gewährleisten die ordnungsgemäße Prüfung.
Dazu gehört die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 264 StGB für unrichtige subventionserhebliche Angaben. Hinzu kommen berufsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten bei Pflichtverletzungen sowie die zivilrechtliche Haftung für fehlerhafte Prüfungen.
Bemerkenswert ist zudem: Wenn ein Steuerberater das Unternehmen seit Jahren betreut und die Finanzverwaltung in Kenntnis der Beteiligung hieran keinen Anstoß nimmt, ist nicht erkennbar, warum dies bei Fördermitteln anders sein sollte.
Vorsicht vor voreiligem Nachgeben
Keinesfalls sollten prüfende Dritte oder Unternehmen voreilig nachgeben, wenn die Bewilligungsstelle im Schlussabrechnungsverfahren Zweifel an seiner Rolle äußert. Wer einräumt, dass die Tätigkeit als prüfender Dritter problematisch war, riskiert weitreichende Konsequenzen.
Die Bewilligungsstelle könnte argumentieren, dass nicht nur die Schlussabrechnung, sondern bereits die ursprünglichen Anträge formal unwirksam waren. Dies könnte zur Rückforderung aller erhaltenen Förderungen führen – unabhängig davon, ob die materiellen Fördervoraussetzungen erfüllt waren.
Zudem besteht bei einem Eingeständnis das Risiko, dass Subventionsbetrugsvorwürfe im Raum stehen. Nach § 264 StGB kann nur über Tatsachen getäuscht werden, nicht über Rechtsansichten. Wer seine Rechtsposition fundiert vertritt, läuft nicht Gefahr, sich strafbar zu machen.
Wann ist anwaltliche Hilfe ratsam?
Bei Nachfragen zur Rolle des prüfenden Dritten sollte frühzeitig anwaltliche Unterstützung in Anspruch genommen werden. Die rechtlichen Fragen sind komplex und die Folgen einer falschen Reaktion können existenzgefährdend sein.
Ein Rechtsanwalt kann die Erfolgsaussichten realistisch einschätzen. Er kennt die Praxis der verschiedenen Bewilligungsstellen und kann die Argumentation entsprechend ausrichten. Seine Beratung schützt zudem den prüfenden Dritten vor Haftung - ein Aspekt, der insbesondere wichtig wird, wenn es später auf die Haftpflichtversicherung und deren Einstandspflicht ankommen sollte.
Fazit
Die Infragestellung des prüfenden Dritten in Schlussabrechnungsverfahren ist eine neue Entwicklung in der verschärften Prüfungspraxis der Bewilligungsstellen. Betroffen sind insbesondere Steuerberater mit Beteiligungen am antragstellenden Unternehmen.
Die rechtliche Position der Bewilligungsstellen ist jedoch angreifbar. Die FAQ verbieten nur die Antragstellung "für sich selbst", was eine Personenidentität voraussetzt. Bei Kapitalgesellschaften liegt diese nicht vor, zumal Minderheitsbeteiligungen keinen beherrschenden Einfluss begründen.
Betroffene sollten nicht voreilig nachgeben, sondern ihre Rechtsposition fundiert verteidigen,
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