Fixkosten nachträglich identifizierter Verbundunternehmen in der Schlussabrechnung
Das BMWK verneint dies kategorisch – eine Position, die rechtlich auf tönernen Füßen steht.
Das praktische Problem:
In der Praxis zeigt sich das Problem häufig in familiären Unternehmensstrukturen. Ein typisches Beispiel:
Eine Hotel-GmbH hat Überbrückungshilfe beantragt. Erst bei der Schlussabrechnung stellt sich heraus, dass auch die Schwester des Antragstellers wie er selbst ein Geschäft in der gleichen Branche betreibt – sie selbst hat aber keine Überbrückungshilfe beantragt. Nach der weiten Auslegung des Unternehmensverbundbegriffs durch die Verwaltung liegt hier ein Verbund vor. Wir sehen das sehr kritisch (s. hierzu die News "Praxis der Bewilligungsstellen in der Schlussabrechnung bei familiären Verflechtungen") und helfen Mandanten, sich auch gegen diese Position zu verteidigen – aber das soll hier nicht das Thema sein.
Die Konsequenzen eines nachträglichen Unternehmensverbunds sind gravierend: Während die Umsätze des Geschäfts der Schwester zur Ermittlung des Umsatzrückgangs herangezogen werden müssen – was die Förderquote verschlechtert oder gar die Antragsberechtigung entfallen lässt –, sollen deren Fixkosten nach Auffassung des BMWK nicht berücksichtigt werden dürfen. Diese asymmetrische Behandlung führt zu erheblichen finanziellen Nachteilen für die Antragsteller.
Die Position des BMWK
Das Bundeswirtschaftsministerium vertritt in seinem ergänzenden Leitfaden vom Juli 2024 die Auffassung, dass Fixkosten von Unternehmen, die keinen eigenen Antrag auf Überbrückungshilfe gestellt haben, "aus beihilferechtlichen Gründen mangels Erstantrag nicht berücksichtigt werden" können. Diese apodiktische Feststellung wird jedoch nicht näher begründet.
Die Verwaltung argumentiert offenbar, dass das Beihilferecht eine Berücksichtigung nur dann erlaube, wenn bereits im ursprünglichen Antragsverfahren ein Antrag gestellt wurde. Ohne einen solchen Erstantrag fehle es an der beihilferechtlichen Grundlage für eine Förderung.
Die Position des BMWK überzeugt aus unserer Sicht aus mehreren Gründen nicht:
Beihilferechtliche Grundlagen verkannt
Das EU-Beihilferecht kennt keine Regelung, wonach Fixkosten nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn bereits im Erstantragsverfahren ein separater Antrag gestellt wurde. Die einschlägigen befristeten Rahmenregelungen ("Temporary Framework") der EU-Kommission enthalten keine entsprechenden Vorgaben. Vielmehr kommt es beihilferechtlich darauf an, dass die Gesamtförderung die zulässigen Höchstgrenzen nicht überschreitet und die Voraussetzungen der jeweiligen Beihilfegrundlage erfüllt sind.
Hierzu haben wir eine umfassende beihilferechtliche Argumentation für unsere Mandanten entwickelt. Wie die Rechtsprechung dies am Ende sehen wird, ist jedoch offen.
Widerspruch zur Konsolidierungslogik
Das BMWK selbst akzeptiert, dass in der Schlussabrechnung eine nachträgliche Konsolidierung erfolgen kann, wenn ein Unternehmensverbund zunächst nicht erkannt wurde. Diese Möglichkeit der nachträglichen Konsolidierung zeigt, dass das Antragsverfahren nicht abschließend ist. Wenn aber eine nachträgliche Konsolidierung möglich ist, muss dies konsequenterweise auch die Berücksichtigung der Fixkosten aller Verbundunternehmen umfassen.
Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Die unterschiedliche Behandlung von Umsätzen und Fixkosten führt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Unternehmen, die den Verbund von Anfang an korrekt angegeben haben, werden bessergestellt als solche, bei denen der Verbund erst später erkannt wird. Dies verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Förderlogik der Überbrückungshilfen
Die Überbrückungshilfen sollten Unternehmen unterstützen, die durch Corona-bedingte Umsatzeinbrüche in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Die Förderlogik basiert auf dem Verhältnis von Umsatzrückgang zu ungedeckten Fixkosten. Wenn nun die Umsätze aller Verbundunternehmen berücksichtigt werden müssen, die Fixkosten aber nur teilweise, wird diese Förderlogik konterkariert.
Praxishinweise und Handlungsoptionen
Betroffene Unternehmen sollten die Ablehnung der Fixkostenberücksichtigung nicht hinnehmen:
- Widerspruch einlegen oder Klage erheben: Gegen ablehnende Schlussbescheide sollte fristgerecht Widerspruch eingelegt werden. Dabei ist detailliert darzulegen, warum die Nichtberücksichtigung der Fixkosten rechtswidrig ist. Die oben genannten Argumente sollten auf den Einzelfall bezogen ausgeführt werden. Wenn das Widerspruchsverfahren in dem Bundesland nicht statthaft ist (z. B. in Hessen), empfiehlt es sich, sich zu einer Klage beraten zu lassen.
- Umfassende Dokumentation: In der Schlussabrechnung sollten die Fixkosten aller Verbundunternehmen vollständig dokumentiert und geltend gemacht werden – unabhängig davon, ob diese einen eigenen Antrag gestellt haben. Dies schafft die Grundlage für eine spätere gerichtliche Durchsetzung.
- Alternative Gestaltungen prüfen: In manchen Fällen kann geprüft werden, ob die Verbundeigenschaft überhaupt vorliegt. Der neue BMWK-Leitfaden eröffnet hier gewisse Spielräume bei der Widerlegung der Vermutung gemeinsamen Handelns in Familienkonstellationen.
- Rechtliche Beratung: Angesichts der Komplexität der Materie und der erheblichen finanziellen Auswirkungen sollte frühzeitig spezialisierte anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden. Die Erfolgsaussichten einer rechtlichen Auseinandersetzung sind nach derzeitiger Einschätzung gut, da die Position des BMWK rechtlich nicht überzeugend begründet ist.
Ausblick: Erste Klagen anhängig
Die Frage der Fixkostenberücksichtigung bei nachträglich identifizierten Verbundunternehmen wird voraussichtlich die Gerichte beschäftigen. Erste Klagen sind bereits anhängig.
Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung sollten betroffene Unternehmen ihre Ansprüche sichern und konsequent geltend machen. Die asymmetrische Behandlung von Umsätzen und Fixkosten ist rechtlich nicht haltbar und führt zu unbilligen Ergebnissen, die dem Zweck der Überbrückungshilfen zuwiderlaufen.
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