Serie: Schlussabrechnungen der Coronahilfen

Corona-Soforthilfen: Rückforderungswelle rollt – was Betroffene jetzt wissen müssen


Corona-Soforthilfen: Rückforderungswelle rollt

Tausende Unternehmen erhalten derzeit Rückforderungsbescheide für Corona-Soforthilfen aus 2020. Die Behörden prüfen nachträglich die Fördervoraussetzungen – oft mit überraschendem Ergebnis. Welche rechtlichen Angriffspunkte bestehen und wann sich Gegenwehr lohnt, beleuchtet dieser Artikel.

Die aktuelle Situation

Fast 5 Jahre nach Auszahlung der Corona-Soforthilfen erreichen derzeit bundesweit Tausende von Rückforderungsbescheiden die damaligen Empfänger. Anders als bei den späteren Überbrückungshilfen war bei den Soforthilfen kein automatisches Schlussabrechnungsverfahren vorgesehen. Dennoch prüfen die Bewilligungsstellen nun nachträglich, ob die Fördervoraussetzungen tatsächlich vorlagen.

Besonders brisant: Die damaligen Förderbestimmungen waren oft unklar formuliert und die Verwaltungspraxis uneinheitlich. Was 2020 als unbürokratische Schnellhilfe gedacht war, entwickelt sich nun für viele Kleinunternehmer und Solo-Selbständige zum bürokratischen Albtraum.

Sollte man sich gegen Rückforderungen wehren?

Die Antwort lautet: Es kommt auf den Einzelfall an. Nicht jeder Rückforderungsbescheid ist rechtlich haltbar. Die Erfolgsaussichten hängen von verschiedenen Faktoren ab – der Höhe der Rückforderung, der konkreten Begründung des Bescheids und den individuellen Umständen des Falls.

Wichtig: Die Rechtsbehelfsfristen sind strikt zu beachten! Nach Zugang des Rückforderungsbescheids läuft in der Regel eine einmonatige Frist für Widerspruch oder Klage. Welcher Rechtsbehelf einschlägig ist, richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht – in Hessen und Nordrhein-Westfalen gibt es beispielsweise kein Widerspruchsverfahren mehr. Ein Versäumnis dieser Frist führt zur Bestandskraft des Bescheids – dann ist keine Gegenwehr mehr möglich.

Zentrale Angriffspunkte gegen Rückforderungen

Auch wenn es auf den Einzelfall ankommt, gibt es einige typische Rechtsfragen, die Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte im Zusammenhang mit den Corona-Soforthilfen in ihren Entscheidungen diskutieren – und die gute Angriffspunkte für einen Rechtsbehelf sein können.

1. Verjährung als wirksame Verteidigung

Ein noch recht neuer, aber in einigen Fällen durchschlagender Einwand ist die Verjährung. Der Rückforderungsanspruch unterliegt nach neuesten Gerichtsentscheidungen der 3-jährigen Regelverjährungsfrist nach § 195 BGB. Diese begann spätestens mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Behörde von den rückforderungsbegründenden Umständen Kenntnis hatte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte haben müssen.

Angesichts der breiten medialen Berichterstattung über Rückforderungen bereits 2020/2021 und der vielfach durchgeführten Rückmeldeverfahren ist die Verjährung ein ernstzunehmender Einwand – sie muss aber explizit erhoben werden. Zudem sind viele Einzelheiten hierzu noch unklar – ab wann kann der Behörde grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden? Hier kommt es auf den Einzelfall an.

2. Unklare Zweckbestimmung der Förderung

Die Corona-Soforthilfen sollten der "Sicherung der wirtschaftlichen Existenz" und der "Überbrückung von Liquiditätsengpässen" dienen. Was genau darunter zu verstehen war, blieb jedoch oft unklar. Die Förderrichtlinien und FAQs wurden während der Bewilligungsphase mehrfach geändert, teils sogar täglich.

Gerichte urteilen zunehmend, dass Unklarheiten in der Zweckbestimmung zulasten der Behörde gehen. Wenn für Antragsteller nicht eindeutig erkennbar war, wofür die Mittel verwendet werden durften, kann keine zweckwidrige Verwendung vorgeworfen werden.

3. Verwirkung durch Zeitablauf

Neben der Verjährung kann auch die Einrede der Verwirkung greifen. Wenn seit der Auszahlung 2020 fast 5 Jahre vergangen sind und die Behörde trotz Kenntnis der Umstände untätig blieb, können sich Empfänger auf Verwirkung berufen. Dies gilt besonders, wenn politische Zusagen gemacht wurden ("Es muss nichts zurückgezahlt werden") oder die Behörde durch ihr Verhalten den Eindruck erweckte, keine Rückforderung zu beabsichtigen.

Auch hier gilt allerdings, dass viele Einzelheiten dieses in der Praxis seltenen Rechtsinstituts noch nicht höchstrichterlich geklärt werden. Es wird sich zeigen, ob die Verwaltungsgerichte diesem Einwand folgen werden.

4. Verfahrensfehler

Viele Rückforderungsbescheide weisen formelle Mängel auf:

  • Fehlende oder unzureichende Anhörung vor Bescheiderlass
  • Mangelhafte Begründung ohne konkreten Einzelfallbezug
  • Vollautomatisierte Entscheidungen ohne Einzelfallprüfung
  • Verstoß gegen Datenschutzrecht bei vollautomatisierten Verfahren

Diese Fehler können zur Aufhebung des Bescheids führen, insbesondere wenn sie sich auf die Entscheidung ausgewirkt haben könnten.

5. Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit

Empfänger der Soforthilfen durften auf die Beständigkeit der Bewilligung vertrauen. Dies gilt umso mehr, als die Hilfen in einer historischen Ausnahmesituation gewährt wurden. Bei der Ermessensentscheidung über eine Rückforderung muss die Behörde berücksichtigen:

  • Die existenzielle Notlage während der Pandemie
  • Behördlich angeordnete Betriebsschließungen
  • Die lange Zeit seit der Bewilligung
  • Die aktuelle wirtschaftliche Situation des Unternehmens

Praktische Handlungsempfehlungen

Sofort handeln: Prüfen Sie umgehend die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids. Je nach Bundesland ist entweder Widerspruch oder direkt Klage zu erheben – binnen eines Monats!

Fachkundigen Rat einholen: Die rechtliche Materie ist komplex. Eine fundierte Einschätzung der Erfolgsaussichten sollte durch einen spezialisierten Rechtsanwalt erfolgen. Steuerberater können bei der Sachverhaltsaufklärung unterstützen, sollten aber die Prozessführung Anwälten überlassen.

Dokumentation sichern: Bewahren Sie alle Unterlagen zur Antragstellung auf – E-Mail-Verkehr, Screenshots der damaligen FAQs, Bewilligungsbescheid und Korrespondenz mit der Behörde.

Aufschiebende Wirkung nutzen: Ein großer Vorteil: Widerspruch und Klage haben in der Regel aufschiebende Wirkung. Die Rückzahlung muss während des laufenden Verfahrens nicht geleistet werden.

Fazit

Die aktuelle Rückforderungswelle trifft viele Unternehmen unerwartet und hart. Doch nicht jede Rückforderung ist berechtigt. Die dargestellten Angriffspunkte zeigen: Es gibt durchaus erfolgversprechende Verteidigungsstrategien. Entscheidend ist aber immer der Einzelfall – pauschale Lösungen gibt es nicht.

Die Rechtsentwicklung bleibt dynamisch. Ständig ergehen neue Gerichtsentscheidungen, die die Rechtslage weiter klären. Betroffene sollten daher zeitnah prüfen lassen, ob sich in ihrem konkreten Fall die Einlegung von Rechtsbehelfen lohnt. Die wichtigste Regel dabei: Die Fristen nicht versäumen! Denn nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ist der Bescheid bestandskräftig – dann hilft auch das beste rechtliche Argument nicht mehr.

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