Verschärfung des nachträglichen Unternehmensverbunds in der Schlussabrechnung
Diese nachträgliche Neubewertung führt zu erheblichen Rückforderungen und stellt Steuerberater vor besondere Haftungsrisiken.
Die Bewilligungsstellen nutzen dabei den Totalvorbehalt der Schlussabrechnungen aus. Sie prüfen alle Sachverhalte erneut und wenden teilweise geänderte Rechtsansichten an. Was bei der Bewilligung noch durchging, wird nun kritisch hinterfragt.
Das typische Szenario der Bewilligungsstellen
Steuerberater sind es bei den Schlussabrechnungen der Überbrückungshilfen gewohnt, Nachfragen der Bewilligungsstellen zum Thema Unternehmensverbund zu beantworten. Doch jüngst verschärft sich die Praxis: Es gibt häufig keine "Nachfragen" mehr.
Was ist gemeint? Steuerberater erhalten im Antragsportal eine "Nachfrage" der Bewilligungsstelle mit der lapidaren Feststellung: "Bei der Prüfung der Unterlagen haben wir festgestellt, dass der Antragsteller einen Unternehmensverbund bildet mit der A GmbH, der B GmbH und der C Vermietung."
Bemerkenswert ist die Wortwahl: Es heißt nicht "wir vermuten" oder "bitte nehmen Sie Stellung", sondern "wir haben festgestellt". Die Bewilligungsstelle hat ihre Rechtsansicht bereits gebildet. Sie fordert Sie auf, die Schlussabrechnung binnen 21 Tagen oder einer noch kürzeren Frist zu korrigieren und eine konsolidierte Schlussabrechnung einzureichen. Andernfalls droht die automatische Rückforderung der gesamten Förderung.
Der fatale Trugschluss vieler Steuerberater
Viele Steuerberater reagieren auf solche Schreiben mit ausführlichen Stellungnahmen, in denen sie darlegen, warum aus ihrer Sicht kein Unternehmensverbund vorliegt. Sie führen betriebswirtschaftliche und rechtliche Argumente an, legen Unterlagen vor und hoffen auf Einsicht der Behörde.
Diese Hoffnung erweist sich in der Praxis dann jedoch immer häufiger als trügerisch. Die Erfahrung zeigt: Hat die Bewilligungsstelle – insbesondere die NBank – einmal einen Unternehmensverbund "festgestellt", ist eine Meinungsänderung nur bei offensichtlichen Irrtümern zu erwarten. Die Diskussion ist aus Sicht der Behörde beendet, bevor sie begonnen hat. Diese Praxis nehmen die Autoren in den letzten Wochen immer häufiger wahr.
Wenn die Steuerberater nun jedoch nur Stellung genommen haben, aber die Schlussabrechnung nicht zwecks nachträglicher Konsolidierung mit einem Änderungswunsch zurückgenommen haben, wie es die Bewilligungsstelle wollte, kann dies dazu führen, dass die Bewilligungsstelle nun alle Hilfen zurückfordert. Sie kann sich hier auf fehlende Mitwirkung sowie auf Ziff. 2.1 der FAQ Schlussabrechnung berufen, wonach ein Widerruf aller Hilfen zulässig ist, wenn nachträglich ein Unternehmensverbund festgestellt wurde. Da zuvor die Möglichkeit der Konsolidierung gegeben wurde, Steuerberater und Unternehmen davon aber keinen Gebrauch gemacht haben, sieht sich die Bewilligungsstelle zum vollständigen Widerruf berechtigt.
Das Dilemma der Handlungsoptionen
Steuerberater stehen vor einem strategischen Dilemma mit drei grundsätzlichen Optionen:
- Option 1 - Totalverweigerung: Sie beharren auf Ihrem Standpunkt und reichen keine konsolidierte Schlussabrechnung ein. Die Folge ist dann möglicherweise eine Rückforderung über die gesamte Förderung. Zwar können Sie Widerspruch einlegen und/oder klagen (je nach Bundesland), doch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung vergehen oft Jahre. Und was, wenn das Verwaltungsgericht auch von einem Unternehmensverbund ausgeht? Dann gibt es keine nachträgliche Möglichkeit mehr, eine konsolidierte Schlussabrechnung einzureichen.
- Option 2 - Widerstandslose Anpassung: Sie akzeptieren die Rechtsansicht der Bewilligungsstelle und reichen kommentarlos eine konsolidierte Schlussabrechnung ein. Dies kann zum Verlust berechtigter Ansprüche führen. Denn was, wenn sich die Rechtsprechung später ändert und kein Unternehmensverbund in einem Fall wie dem betreuten vorliegt?
- Option 3 - Konsolidierung unter Vorbehalt: Sie reichen die konsolidierte Schlussabrechnung ein, wahren aber Ihre Rechtsposition durch ein ausführliches Begleitschreiben. Das ist ein Vorgehen, das insbesondere bei anwaltlicher Begleitung sinnvoll sein kann. Diese Vorgehensweise sichert zumindest eine Teilförderung, falls bei der Konsolidierung noch Ansprüche verbleiben. Gleichzeitig wahren Sie die Möglichkeit, gegen eine etwaige (Teil-)Rückforderung vorzugehen.
Die unterschätzte Haftungsgefahr
Für Steuerberater birgt die falsche Beratung in dieser Situation erhebliche Haftungsrisiken. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie raten zur Totalverweigerung. Der Mandant erhält einen Rückforderungsbescheid über die gesamte Förderung. Nach jahrelangem Rechtsstreit bestätigt das Gericht den Unternehmensverbund.
Jetzt ist guter Rat teuer: Eine nachträgliche Konsolidierung ist nicht mehr möglich. Die gesamte Förderung ist verloren. Hätte der Mandant jedoch von Anfang an konsolidiert, wäre zumindest eine Teilförderung erhalten geblieben. Der Vorwurf der Falschberatung liegt auf der Hand.
Wann macht Konsolidierung keinen Sinn?
Die Konsolidierung unter Vorbehalt ist nicht immer der richtige Weg. Führt die Konsolidierung dazu, dass sämtliche Fördervoraussetzungen entfallen und die komplette Förderung zurückzuzahlen ist, macht dieses Vorgehen keinen Sinn. In solchen Fällen bleibt nur der direkte Weg in den Widerspruch.
Auch wenn offensichtliche Fehler der Bewilligungsstelle vorliegen – etwa die Zuordnung fremder Unternehmen zum Verbund – kann eine klärende Stellungnahme ausreichen.
Praktische Handlungsempfehlungen
Sobald Sie eine Nachfrage mit der "Feststellung" eines Unternehmensverbunds erhalten, sollten Sie wie folgt vorgehen:
Prüfen Sie zunächst, ob bei einer Konsolidierung Förderansprüche verbleiben würden. Kalkulieren Sie verschiedene Szenarien durch. Holen Sie bei hohen Förderbeträgen frühzeitig anwaltlichen Rat ein. Die Kosten für eine fundierte Beratung sind minimal im Vergleich zum Risiko eines Totalverlusts.
Dokumentieren Sie Ihre Beratung und die Entscheidungsfindung mit dem Mandanten sorgfältig. Bei der Entscheidung für eine Konsolidierung unter Vorbehalt achten Sie auf die korrekte Formulierung des Begleitschreibens.
Fazit und Ausblick
Die nachträgliche Feststellung von Unternehmensverbünden entwickelt sich zu einem Hauptthema bei den Schlussabrechnungen. Die Bewilligungsstellen zeigen sich zunehmend restriktiv und lassen kaum mit sich diskutieren.
Für Steuerberater bedeutet dies: Die richtige strategische Entscheidung in dieser Situation kann über Millionenbeträge und die eigene Haftung entscheiden. Ein vorschnelles Handeln ohne Berücksichtigung aller Konsequenzen kann fatale Folgen haben. Die frühzeitige Einbindung spezialisierter Rechtsberatung ist keine übertriebene Vorsicht, sondern professionelles Risikomanagement.
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