
Gewerbe, Arbeit, Wohnen, Verkehr – Mixed-use-Stadtquartiere sind angesagt. Doch Ärger ist dort vorprogrammiert, wo sich die Bewohner durch Lärm belästigt fühlen. Solche Konflikte lassen sich klein halten oder sogar ganz vermeiden. Wie, das zeigt das Umweltbundesamt anhand von Praxisbeispielen.
"Um nutzungsgemischte und kompakte Quartiere zu entwickeln, braucht es gute Lösungen, um Lärmkonflikte zwischen Wohnen und Verkehr, Gewerbe, Freizeitnutzung und Sport zu vermeiden oder zu verringern", schreibt das Bundesumweltamt in einem Bericht. Wie das städtebaulich und stadtplanerisch gehen kann, wird in Fallstudien mit unterschiedlichen Planungssituationen erklärt. Selbst in lärmvorbelasteten Lagen kann demnach die Entwicklung von sogenannten Mixed-use-Quartieren möglich sein – vom Gebäude selbst über das Quartier bis zur Gesamtstadt.
Wie ruhig muss "lärmarm" in Quartieren sein?
"Lärmarm" ist nach der Definition des Bundesumweltamtes für Quartiere in lärmvorbelasteten Lagen ein relativer Begriff. "Lärmarm" heißt demnach letztlich, die vorhandene Lärmvorbelastung zu reduzieren und neue Lärmbelastungen durch die geplante Bebauung und Nutzung – auch für angrenzende Bestandsbebauung – weitestgehend zu vermeiden. Etwa mit aktivem Schallschutz im Einzelfall oder durch eine Nutzungsverteilung, die Lärmeinträge in ruhige Bereiche vermiedet. Mögliche neue Lärmbelastungen ließen sich auch mit Mobilitätskonzepten verhindern, so das Amt.
Ein lärmarmes Quartier zeichne sich unter anderem dadurch aus, dass auf jeder Maßstabsebene – im Quartier, im Wohnblock und in der Wohnung einschließlich Wohnaußenbereiche (Terrasse, Balkon, Garten) – ruhige Bereiche angeboten werden: private, halböffentliche oder öffentliche Freiflächen sowie die Berücksichtigung lärmabhängiger Grundrisse, die das nächtliche Schlafen bei geöffnetem Fenster möglich machen. "Lärmarm" seien demnach Gebiete, in denen aufgrund einer Lärmvorbelastung mit teils mehreren Lärmquellen ein qualifizierter Umgang mit der Lärmproblematik erfolgt, um ein "Mehr" an "Lärmschutz" zu bieten.
Was macht ein Quartier zum "kompakten" Quartier?
Assoziiert wird mit dem Begriff "kompakt" laut Umweltamt das Leitbild der Stadt der kurzen Wege, das eine schnelle Erreichbarkeit möglichst vieler unterschiedlicher Nutzungen und Einrichtungen für möglichst viele Einwohner anstrebt. Voraussetzung sei eine funktionale Nutzungsmischung und eine hohe bauliche Dichte. Kompakte Quartiere in urbanen Lagen nutzten die maximal zulässige Geschossfläche, die Zahl der Vollgeschosse und die Grundflächenzahl aus und orientierten sich in der Regel an der Dichte von Nachbarquartieren.
Instrumente für eine nachhaltige Quartiersplanung
Bei der Planung neuer Quartiere in lärmvorbelasteten Lagen müssen eine Reihe von Instrumenten eingesetzt werden, die ineinander greifen, heißt es weiter in dem Bericht. Die wichtigsten seien vorbereitende Untersuchungen (wie Lärmgutachten, Verkehrsgutachten, quartiersbezogenes Mobilitätskonzepte), städtebauliche, hochbauliche und landschaftsplanerische Wettbewerbe. Gegebenenfalls müsse ein Masterplan erstellt werden, bevor es an das Bebauungsplanverfahren und schließlich zum städtebaulichen Vertrag geht. Dazu kämen Aspekte des Lärmschutzes.
Der Bericht stellt Instrumente vor, die sowohl bei der Planung neuer als auch bei der Überplanung bestehender Quartiere eingesetzt werden können. Dazu gehören auch Instrumente des besonderen Städtebaurechts und solche, die den räumlich übergreifenden Handlungsrahmen für die Planung des Quartiers beschreiben. Betrachtet werden zudem der Straßen- und Schienenverkehrslärm, der Gewerbelärm, der Sportstättenlärm, der Freizeitlärm sowie der Gaststättenlärm.
So geht "lärmarme" Quartiersplanung
Das Umweltamt beschreibt in seinem Bericht anhand von acht Fallstudien, wie die verschiedenen Instrumente und Maßnahmen zur Entwicklung lärmarmer Stadtquartiere eingesetzt werden können. Zugrunde gelegt sind Kriterien wie "Stand der Umsetzung", "Gebietsgröße", "Lage im Stadtgebiet", "Zahl der Einwohner"," realisierte und zu realisierende Nutzungen", "bauliche Dichte", "Baustruktur", "Lärmquellen", "Maßnahmen zur Lärmbewältigung", "Aufenthaltsqualität", "angewandte formelle und informellen Instrumente" oder "Akteure". Als Fallstudien wurden die folgenden Gebiete untersucht:
- Berlin Friesenstraße (zwei Hektar)
- Hamburg Mitte Altona (75 Hektar)
- Mainz Zoll- und Binnenhafen (30 Hektar)
- München Candidplatz (ein Hekar)
- Offenbach Hafen (26 Hektar)
- Stuttgart Neckarpark Bad Cannstadt (25 Hektar)
- Tübingen ehemaliger Güterbahnhof (zehn Hektar)
Das können Bund, Länder und Kommunen tun
Ein ganzes Kapitel widmet das Umweltamt Handlungsempfehlungen für die Kommunen – getrennt in allgemeine Empfehlungen und Empfehlungen bezogen auf einzelne Lärmarten –, die Länder und den Bund, die im Wesentlichen auf den Einsatz und die Weiterentwicklung rechtlicher Grundlagen und rahmensetzender Instrumentarien zur Realisierung nutzungsgemischter und zugleich lärmarmer Stadtquartiere zielen.
Ein Thema, das vor allem Quartiere der Innenentwicklung betrifft, ist außerdem die Bereitstellung von preisgebundenen Wohnungen. Hier ziehen die Autoren des Berichts das Fazit, dass die Lösung in einer kooperativen Baulandentwicklung liegen muss, die festgelegte Quotierungen zur Schaffung preisgebundenen Wohnraums umfasst. "Mit Blick auf Aspekte der Umweltgerechtigkeit sollten darüber hinaus auch in den oft hochpreisigen Lagen Lösungen gefunden werden, damit preisgebundener Wohnraum nicht vorrangig in den vergleichsweise stark von Lärm betroffenen Teilen der neuen Quartiere realisiert wird", heißt es da.
Ein weiterer Schwerpunkt ist beispielsweise die besonders konfliktanfällige Entwicklung von Wohngebieten in der Nachbarschaft von Gewerbebetrieben.
Abschlussbericht: "Gute Praxisbeispiele kompakter und zugleich lärmarmer städtischer Quartiere"
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