Immobilienfinanzierung: Real Estate Debt als Trend

Die gestiegenen Zinsen setzen immer mehr Immobilienbanken zu: Zahlungsausfälle und Wertberichtigungsbedarf nehmen zu – und sogar Gewinnwarnungen. In dieser angespannten Situation übernehmen verstärkt Real Estate Debt Funds deren dominierende Rolle als Kreditgeber.

Die Lage an den Immobilieninvestmentmärkten bleibt herausfordernd. "Käufer und Verkäufer werden in den nächsten Monaten versuchen, sich in ihren Preisvorstellungen stärker anzunähern", hofft Stefan Stute, Mitglied der Geschäftsführung Wüest Partner Deutschland. Denn nur dann besteht die Chance, dass die Transaktionsmärkte wieder Tritt fassen. "Wegen des rasanten Zinsanstiegs sind die Immobilienpreise spürbar gesunken", sagt Markus Lemli, Geschäftsführer des Immobiliendienstleisters Savills Deutschland.

Keine Renditeeffekte mit Immobilienkrediten

Binnen zwei Jahren zogen die Zinsen für gewerbliche Immobilienkredite um bis zu 300 Basispunkte an, weshalb die Preise für Gewerbeimmobilien im Schnitt um bis zu 20 bis 30 Prozent einbrachen. Trotzdem geht der Immobilienexperte davon aus, dass sie noch etwas weiter nachgeben werden. Darauf deuteten die Kaufpreisgebote von Investoren hin, so Lemli. Denn der Erwerb einer Gewerbeimmobilie lohnt sich nicht, wenn deren Brutto-Anfangsrendite niedriger ist als die für eine Fremdfinanzierung zu zahlenden Zinsen.

"Da das zurzeit oft der Fall ist, lassen sich mit Krediten keine positiven Renditeeffekte erzielen" (negativer Leverage-Effekt), sagt Professor Tobias Just, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der IREBS Immobilienakademie. Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte ein Mix aus weiter steigenden Mieten und niedrigeren Immobilienpreisen sein. "Damit Immobilien attraktiv sind, muss ihr Renditeplus gegenüber Alternativinvestments wie Bundesanleihen oder Pfandbriefen mindestens 100 bis 200 Basispunkte betragen", weiß Just. Ohne Rückenwind durch die Notenbanken ist das bis Jahresende jedoch kaum zu schaffen.

Zinssenkungen der EZB erst im Juli?

"Marktteilnehmer verfolgen aufmerksam, welche Signale die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) senden", sagt Timo Wagner, Finanzierungsexperte des Maklers JLL. Mit ersten Zinssenkungen der EZB zur Stimulierung der Konjunktur in der Eurozone rechnen Ökonomen frühestens im April. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie erst im Juli erfolgen. Viele Businesspläne sind nur noch Makulatur. Das spüren die Banken: Projektentwickler und Bestandsinvestoren haben zunehmend Probleme, Kredite am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen, und benötigen eine Anschlussfinanzierung (Prolongation).

"Kreditinstitute müssen entscheiden, ob und zu welchen Bedingungen das realisierbar ist", gibt Wagner zu bedenken. Ein Vorgeschmack, wie herausfordernd das Szenario werden könnte, offenbart ein Blick in die USA. Dort kriselt der Gewerbeimmobilienmarkt. Die Leerstände sind hoch, besonders im Office-Segment. "In Deutschland haben der Trend zum Homeoffice und die Konjunkturflaute ebenfalls die Nachfrage nach Büroflächen arg gedämpft", sagt Jörg Quentin, Bereichsleiter Property and Valuation der Deutschen Pfandbriefbank (pbb).

In den USA gerieten regionale Geldhäuser sogar bereits unter Druck. "Können Kreditnehmer die Zinsen für ihr Darlehen nicht mehr aufbringen, dann drücken sie der Bank häufig einfach die Schlüssel für das Objekt in die Hand, um sich von ihrem Investment zu verabschieden", so Quentin. So dramatisch dürfte es hierzulande nicht werden. Dennoch stützen Immobilienbanken meist ihre Kunden, falls diese allzu sehr in die Bredouille geraten. Ein bisschen dürfte bei dieser Einschätzung wohl auch das Prinzip Hoffnung mitschwingen.

Eine ganze Reihe von Geldhäusern wie etwa die Aareal Bank und die pbb treten bei der Vergabe neuer Kredite recht kräftig auf die Bremse. Was auch damit zusammenhängt, dass sie die Risikovorsorge, auch wegen wackliger Immobilienkreditengagements in den USA, deutlich aufstocken mussten. "Derzeit nehmen viele Immobilienbanken ihre Kreditportfolien penibel unter die Lupe", stellt Jan Düdden, geschäftsführender Gesellschafter von Arcida Advisors fest. Risikoprüfungen gestalteten sich jedoch schwierig, da es aufgrund der schwachen Transaktionsaktivitäten kaum aussagekräftige Preisdaten gebe.

Immobilienfinanzierer: Neugeschäft ist derzeit zweitrangig

Jan Peter Annecke, Bereichsleiter Real Estate Finance der Helaba, gibt zu bedenken: "Banken müssen stets hinterfragen, ob Finanzierungen auf Basis des Cashflows ihre Zins- und Tilgungsleistungen erwirtschaften können." Bei den meisten Immobilienfinanzierern hat aktuell statt eines hohen Neugeschäfts das Auffangen von Covenant-Brüchen oberste Priorität. Mit Verlustrisiken im Immobilienkreditbestand müssten sich gerade alle Kreditgeber intensiv befassen, auch Real Estate Debt Funds, räumt Manuel Köppel, Geschäftsführer von BF.capital. Kreditfonds, ein. Kreditfonds können allerdings flexibler agieren als Banken, weil diese einer besonders strengen Regulierung unterliegen.

Jan Ohligs, Finanzierungsexperte der Beratungsgesellschaft EY Real Estate, gibt zu bedenken: "Kreditausläufe von Finanzierungen, die vor fünf Jahren gut gepasst haben, können problematisch geworden sein, erst recht, wenn jetzt deren Prolongation ansteht." Restrukturierungsexpertise sei daher wieder äußerst gefragt, die allerdings nach dem langen Investmentboom an den Immobilienmärkten nicht mehr bei allen Geldhäusern inhouse verfügbar sei.

Die Lage ist angespannt, zumal eine Prolongationswelle ansteht: In den USA sollen im gewerblichen Immobilienkreditsegment nach Angaben von DRC Savills Investment Management 2024 gewerbliche Immobilienkredite von mehr als 650 Milliarden Dollar fällig werden, in Europa 200 Milliarden Dollar. "Um dieses Volumen zu stemmen, wird die Liquidität von Banken als Kreditgeber nicht ausreichen", befürchtet Jan Karrer, Leiter der Finanzierungsberatung der Beratungsgesellschaft KPMG. Alternative Kapitalgeber wie Versicherungen und Kreditfonds würden weiter an Gewicht gewinnen. Laut einer Studie der Empira Group, die mehrere Kreditfonds managt, wuchs der Darlehensbestand der Private Real Estate Debt Funds in Deutschland – von 2017 bis 2022 – um 65 Prozent jährlich.

Alternative Kapitalgeber auf dem Vormasch

Trotz dieses rasanten Wachstums entspricht das bislang nicht mal zehn Prozent des Kreditportfolios der Top 12 der gewerblichen Immobilienfinanzierer aus dem Bankensektor (Juni 2023: 300 Milliarden Euro). Ihr Aufstieg vom Nischenplayer zum Wettbewerber dürfte trotzdem kaum zu stoppen sein. Commercial Real Estate, großvolumige gewerbliche Immobilienfinanzierungen über Banken, werde wie in den USA oder Großbritannien zunehmend durch Private Real Estate Debt, also durch Geldgeber außerhalb der Bankensphäre, verdrängt, prognostiziert Lahcen Knapp, Verwaltungsratspräsident der Empira Group. In den Vereinigten Staaten betrage deren Marktanteil bereits 40 Prozent, in Großbritannien 30 Prozent.

Wegen verlockender Renditechancen – je nach Risikostrategie zwischen vier und zehn Prozent – ist das Interesse enorm. Die Londoner Tochter von Savills Investment Management hat von institutionellen Investoren wie Pensionskassen und Family Offices 5,6 Milliarden Euro eingesammelt, die in 16 Fonds (Investmentfokus Europa und Australien) investiert sind. Demnächst soll die Palette um eine Strategie mit Anlageschwerpunkt USA erweitert werden.

"Bislang waren Kreditfonds vor allem gefragt, wenn man bei Projektentwicklungen für den oberen Bereich des Beleihungsauslaufs, also für die Junior- und Mezzanine-Tranchen, einen Finanzierungspartner brauchte", merkt KPMG-Finanzierungsexperte Karrer an. Nun ist man dabei, diese Rollenverteilung zu überdenken. "Real Estate Debt Funds übernehmen immer öfter die Funktion des Single-Loan-Partners, indem sie Senior- und Nachrangbaustein von Finanzierungen übernehmen", so Karrer. Viele Immobilienbanken hätten ihre Kreditvergaberegularien verschärft.

So sei der Beleihungsauslauf (LTV) im Schnitt von maximal 60 bis 65 Prozent deutlich gesenkt worden. "Bei Whole-Loan-Finanzierungen von Kreditfonds sind dagegen, je nach deren Qualität, weiterhin wesentlich höhere LTVs realisierbar." Kreditfonds können Köppel zufolge häufig Marktwerte als Beleihungswertmaßstab heranziehen, die aber auch deutlich gesunken sind. "Auch die wenigen Transaktionen, die es zurzeit am Markt gibt, erfolgen zu weit niedrigeren Preisen als vor zwei Jahren", betont er. Das Rendite-Risiko-Verhältnis bei Finanzierungen sei daher im Neugeschäft sehr günstig. Köppel: "Bei Senior-Stretched- oder Whole-Loan-Konstruktionen sind hohe einstellige Renditen trotz niedrigerer Beleihungsausläufe problemlos durchsetzbar."

Commercial und Private Real Estate Debt

Commercial- und Private-Real-Estate-Debt-Welt sind ohnehin nicht so strikt voneinander getrennt, wie es den Anschein haben mag. "Bei der Syndizierung von gewerblichen Immobilienfinanzierungen haben wir schon mehrmals Kreditfonds unserer Fondstochter Helaba Invest mit eingebunden", sagt Helaba-Banker Annecke. Es handele sich stets um erstrangig besicherte Darlehen. Selbst die Deutsche Bank nutzt längst die Kooperation mit Kreditfonds.

So strukturierte sie die Finanzierung zur Übernahme eines Einzelhandels-Immobilienportfolios (Wert: 225 Millionen Euro), indem sie dieses zunächst zwischenfinanzierte und dann an einen Private Real Estate Debt Fund der H&A Global Investment Management weiterreichte. Viele Kreditfondsinitiatoren setzen auf Expansion. "Wir werden das Eigenkapital-Zielvolumen unseres Private Real Estate Pool Debt Fund auf 500 Millionen Euro aufstocken", kündigt Curth-C. Flatow, Geschäftsführer der FAP-Group, an.

Der Bestand im Blickpunkt von Kreditfonds

Mit von der Partie im Private-Real-Estate-Debt-Segment ist auch M.M. Warburg & Co. "Das Marktumfeld ist anspruchsvoll, aber die Risiken von Finanzierungen für Wohnimmobilienprojekte in Ballungszentren, die erst vor einem Jahr gestartet wurden, sind überschaubar", findet Michael Schwalba, Head of Private Debt von M.M. Warburg & Co. Ein weiterer neuer Kreditfonds – mit Schwerpunkt Finanzierung von Logistikimmobilien – ist in Planung.

Auffällig ist auch, dass sich beim Anlagefokus vieler Kreditfonds eine Kehrtwende andeutet: Während bislang größtenteils in Projektentwicklungen investiert wurde, sollen nun Bestandsobjekte bevorzugt werden. "Ein stabiler, nachhaltiger Cashflow minimiert Risiken", argumentiert Flatow. Malte Anders, Vorstand der Hanse Merkur Grundvermögen AG, betont: "Wir konzentrieren uns künftig zudem aufs Senior-Lending in deutschen Top-7-Städten." Eine opportunistische Anlagestrategie verfolgt der Axeris Capital Fund 1 mit Investmentschwerpunkt Wohnen und Büro in deutschen und österreichischen Groß- und Universitätsstädten sowie im Einzugsgebiet von Ballungsräumen: Dessen Manager können sich vorstellen, für ihr Kreditportfolio Non-performing Loans als Club Deals zu erwerben und zu managen. "Typischerweise ist das die Domäne angelsächsischer Investoren", räumt Julian Hartmann, COO von Axeris Capital, ein. Die Branchenkenner rechnen damit, dass deutsche Immobilienbanken ab Mitte des Jahres notleidende Darlehen in größerem Umfang abstoßen.

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen  Ausgabe 01/2024 des Fachmagazins "Immobilienwirtschaft". Lesen Sie das gesamte Heft auch in der  Immobilienwirtschaft-App.


Das könnte Sie auch interessieren: 

Gewerbeimmobilien: Kreditvergabe wird zum heiklen Balanceakt

Wohnkredite: Werden die Bauzinsen 2024 weiter sinken?

Experten-Prognose: Bauzinsen fallen auf bis zu drei Prozent