ESG: Nachhaltigkeitszertifikate steigern Immobilienwerte

Nachhaltigkeitszertifikate können beim Klimaschutz einen Beitrag leisten – und steigern noch dazu Immobilienwerte und Mieten. Bei Investoren hat sich eine ESG-Due-Diligence bei der Ankaufsprüfung längst etabliert.

Das Ziel des Pariser Klima-Abkommens ist klar: Die Erderwärmung soll auf deutlich unter zwei, idealerweise auf maximal 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter beschränkt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, besteht großer Handlungsbedarf. Der Druck seitens der Politik und der Zivilgesellschaft auf die Wirtschaft wächst. In nahezu allen Sektoren – auch im Gebäudebereich, als einem der größten CO2-Emittenten – wurde die Notwendigkeit erkannt, nachhaltiges und klimaschonendes Wirtschaften auch mess- und vergleichbar zu machen.

Regulatorik: Messbarkeit und Transparenz von Nachhaltigkeit

Mit der Sustainable-Finance-Strategie will die Europäische Union (EU) den Druck auf die Realwirtschaft zusätzlich erhöhen und Kapitalströme in nachhaltige Geschäftsmodelle und Technologie lenken. Eine erste Taxonomie-Verordnung mit Evaluierungskriterien und Zielsetzungen für einzelne Wirtschaftssektoren und Geschäftsaktivitäten wurde bereits erlassen. Auch für den Bau- und Immobiliensektor wurden konkrete Kriterien definiert. Aktuell stehen dabei der Klimaschutz und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel im Fokus. Verordnungen zu weiteren Umweltzielen liegen aber bereits in der Entwurfsfassung vor.

Darüber hinaus greift im Rahmen der Sustainable-Finance-Strategie seit März 2021 die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Offenlegungsverordnung), die Transparenz dazu einfordert, wie Finanzmarktteilnehmer Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen in ihre Investmententscheidungen und -empfehlungen integrieren. Der Gesetzgeber sorgt somit für regulatorische Leitplanken – die nachhaltige Wertschöpfung jedoch müssen die Marktakteure selbst erbringen und plausibel dokumentieren.

Hoch im Kurs: Nachhaltigkeitszertifikate im Immobilienmarkt

Bedarf an Messbarkeit und Transparenz zu den Auswirkungen von konkreten Geschäftsaktivitäten auf Umwelt und Gesellschaft sehen neben dem Gesetzgeber auch andere relevante Stakeholder. Im Immobilienmarkt sind  Nachhaltigkeitszertifikate der großen Anbieter DGNB, LEED und BREEAM hoch im Kurs – und das nicht erst seit 2021. In den vergangenen 15 Jahren stieg die Zahl zertifizierter Gebäude bereits merklich an.

Waren sie zunächst mehr ein Aushängeschild für Nutzer und Bestandshalter, sind die Zertifikate mittlerweile wichtiger Bestandteil bei Anmietungen und Verkaufstransaktionen von Bürogebäuden. Betrachtet man allein die deutschen "Big 7"-Märkte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) ist der Büroflächenbestand in zertifizierten Gebäuden auf mittlerweile mehr als neun Millionen Quadratmeter angewachsen. Damit ist etwa jeder zehnte Quadratmeter Bürofläche in den sieben größten Office-Märkten zertifiziert. Die zunehmende Dynamik des Zertifizierungsgeschehens zeigt sich zudem am überdurchschnittlich hohen Anteil zertifizierter Flächen bei neuen Bauvorhaben oder Totalsanierungen.

In den genannten Märkten wiesen davon in Bezug auf die Gesamtquadratmeterfläche 27 Prozent ein Zertifikat auf, in Toplagen sogar 42 Prozent. Die Gewichtung unterscheidet sich in den einzelnen Städten. In der regionalen Betrachtung liegen Frankfurt (44 Prozent) und Düsseldorf (43 Prozent) mit dem Anteil zertifizierter Flächen bei den Fertigstellungen 2018 bis 2020 an der Spitze.

Investoren setzen auf ESG-Due-Diligence

Internationale Akteure spielen auf diesen Märkten eine sehr wichtige Rolle und ausländische Investoren und Nutzer berücksichtigen bereits länger als deutsche das Thema Zertifizierung, wenn es um Investitions- oder Anmietungsentscheidungen geht. Hamburg (17 Prozent) und Köln (15 Prozent) liegen am Ende der Rangliste. Die Zertifizierungssysteme von DGNB und LEED sind dabei gleichermaßen stark vertreten. 51 Prozent der untersuchten Flächen wurden nach DGNB, 49 Prozent nach LEED zertifiziert. In mehr als 90 Prozent aller Fälle wurde ein Zertifikat mit der Ausprägung "Gold" oder "Platin" erreicht.

Wie wichtig Nachhaltigkeitszertifikate mittlerweile für Investoren geworden sind, bestätigt auch eine JLL-Befragung von 23 ausgewählten Akteuren, die in den vergangenen zehn Jahren rund 60 Milliarden Euro in Deutschland investiert haben. Mehr als die Hälfte von ihnen hat eine spezielle ESG- (Environment, Social, Governance)-Due-Diligence als verpflichtenden Bestandteil einer Ankaufsprüfung etabliert. Damit reagieren sie nicht ausschließlich auf ein gesellschaftliches Umfeld, das den Klimaschutz in das Zentrum politischen Handelns rückt, sondern folgen auch wirtschaftlichen Anreizen.

JLL-Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Bürogebäude in Toplage mit mindestens Gold-Zertifikat einen Wertzuschlag von 6,5 Prozent gegenüber einer nicht zertifizierten Immobilie verzeichnen kann. In Zweit- und Drittlagen liegt der Zuwachs sogar bei 7,5 Prozent. Vor allem profitieren dabei Gebäude, bei denen Zertifizierungskriterien bereits vor Baufertigstellung berücksichtigt werden, da mit späterer baulicher Veränderung Leerstandskosten und Mietausfälle einhergehen können.

Nachfrage nach "grünen" Immobilien steigt

Auch bei der Betrachtung erzielbarerer Mieten haben Nachhaltigkeitszertifikate einen spürbaren, wenn auch nicht dramatischen Einfluss. Ein Bürogebäude mit mindestens Gold-Zertifikat in Top-Lage erzielt einen Mietaufschlag von 1,5 Prozent. Deutlicher fällt der Vergleich gegenüber nicht zertifizierten Immobilien in Zweit- und Drittlagen aus, dort liegt das Plus bei 3,8 Prozent.

Die gezeigte Entwicklung ist jedoch lediglich eine Momentaufnahme. Der Ruf in Gesellschaft und Politik nach ökologischer Nachhaltigkeit ist unüberhörbar. Er schlägt sich in einer Verschärfung der regulatorischen Auflagen und der Selbstverpflichtung von Marktteilnehmern wie Mietern, Finanzinstituten und Investoren nieder. Vieles spricht dafür, dass die zunehmende Nachfrage nach "grünen" Gebäuden die Mietentwicklung weiter antreiben wird. Ebenfalls zeichnet sich ab, dass die erhöhte Kapitalverfügbarkeit für ESG-Strategien den Druck auf die Renditen erhöhen wird und damit die Preise weiter steigen.

Im Gegenzug dürfte es immer herausfordernder werden, nicht zertifizierte Gebäude zu vermieten. Letztlich muss der Green Deal der Europäischen Union bezahlt werden. Die gesteckten Klima- und Energieziele bis 2030 erfordern nach Erwartung der EU-Kommission zusätzliche Investitionen in Höhe von 260 Milliarden Euro.

Panel-Diskussion auf der Expo Real

"ESG auf dem Vormarsch! Wer zahlt die Rechnung?"

Wann? Dienstag, 12. Oktober 2021, 13:30-14:30 Uhr

Wo? Halle A2 I Konferenzraum A21/A22

Keynote: Ralf Kemper

Moderation: Honoré Achille Simo


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Schlagworte zum Thema:  Klimaschutz, Immobilienwirtschaft