Immobilienportfolios: ESG-Druck durch Investoren wächst

Bei 40 Prozent der Asset Manager sind bis zu einem Viertel des Portfolios Stranded Assets, wie eine Umfrage von Real Blue zeigt – aber nicht einmal die Hälfte kennt den CO2-Fußabdruck der eigenen Immobilien. Externe Partner und ein Standard-Tool könnten helfen.

Alle (100 Prozent) Asset Manager und institutionelle Investoren setzen sich damit auseinander, ob ihr Immobilienbestand den gesetzlichen Anforderungen an die Energieeffizienz genügt. Allerdings kennt knapp die Hälfte (46 Prozent) den CO2-Fußabdruck der eigenen Immobilien im Portfolio nicht. Die restlichen 54 Prozent nutzen zur Berechnung das Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM)-Tool. Auf externe Hilfe bezüglich der Nachhaltigkeitsanforderungen im Asset Management greift aktuell nur knapp ein Drittel (27 Prozent) zurück.

Das zeigt eine Umfrage der Real Blue Kapitalverwaltungs-GmbH, dem Investmentmanager der Drees & Sommer Gruppe, an der vom 30. August bis zum 15. September 23 Marktakteure teilgenommen haben, von denen 56 Prozent ein Immobilienvermögen von mehr als einer Milliarde Euro betreuen.

CRREM-Tool: Risiko für die Portfoliostrategie?

"Die hohe Unwissenheit über den CO2-Fußabdruck des Immobilienportfolios zeigt, dass hier ein großer Handlungsbedarf besteht", kommentiert Prof. Dr. Robert Göötz, Geschäftsführer von Real Blue, die Ergebnisse der Umfrage. Hilfreich sei es, wenn mehr Expertise von außen eingeholt werde als es derzeit der Fall ist. Einerseits dürften die regulatorischen Anforderungen weiter steigen, andererseits sei bei der Analyse und Berechnung große Präzision notwendig.

"Bei der Anwendung von CRREM können falsche Annahmen und Voraussetzungen zu unkorrekten Ergebnissen führen", so Göötz. Schlimmstenfalls würden dann Portfoliostrategien entwickelt, die wirtschaftlich schaden könnten – etwa, wenn Stranding-Zeitpunkte falsch berechnet werden, die Investitionsentscheidungen für Ertüchtigungsmaßnahmen beinhalten.

Stranded Assets: Portfolio-Anteil von 40 Prozent

Der Anteil von Stranded Assets im Portfolio beträgt bei rund 40 Prozent der Befragten bis zu 25 Prozent. Etwa ein Fünftel (22 Prozent) geht sogar von einem Anteil zwischen 25 und 50 Prozent der Immobilien aus, die aktuell als Stranded Asset hinsichtlich des 1,5-Grad-Klimaziels eingestuft werden. Nur sechs Prozent haben derzeit gar keine solchen Immobilien im Bestand.

Die Zahlen belegen laut Michael Eisenmann, Geschäftsführer von Real Blue, den hohen Handlungsdruck in den Portfolios: Wir vermuten, dass der Anteil von Stranded Assets noch höher ist, da ein Großteil der Marktakteure laut Umfrage die Portfolios noch nicht ausreichend analysiert hat." Um den Anteil zu verringern, müssten die Immobilien energetisch optimiert oder in letzter Konsequenz verkauft werden. "Das Problem auszusitzen ist allerdings keine Option und wäre geradezu fatal", ergänzt Eisenmann.

CO2-Bilanz: ESG-Druck kommt von Investoren

Je länger keine ganzheitliche Transformationsstrategie unter Einbezug der CO2-Bilanz und insbesondere der wirtschaftlichen Perspektive für das Portfolio entwickelt und umgesetzt werde, desto größer würden die negativen Einflüsse auf den operativen Cashflow – mit Einfluss auf die Wertentwicklung und den Verkaufserlös beim Exit. Derzeit diskutierte und drohende Zwangsmaßnahmen wie Vermietungsverbote, Sanierungszwang oder Strafzahlungen für Stranded Assets könnten den Effekt verstärken.

Auf die Frage, woher der meiste Druck bezüglich ESG-konformer Immobilien kommt, nennen die Hälfte der Befragten Investoren, gefolgt von den regulatorischen Anforderungen (rund 46 Prozent) und den Vorgaben des eigenen Unternehmens (41 Prozent). Nur rund 23 Prozent verspüren von Mietern den Druck, die Immobilien ESG-konform auszurichten.

Ein einheitlicher Reporting-Standard fehlt

Hinsichtlich Reporting-Standards gibt es noch kein Verfahren, das mehrheitlich genutzt wird. Global Real Estate Sustainability Benchmark (GRESB) wird von rund 32 Prozent genutzt, ESG Circle of Real Estate (ECORE) von 23 Prozent – 41 Prozent haben laut Umfrage einen eigenen Reporting-Standard entwickelt, und knapp ein Drittel (32 Prozent) hat noch gar kein Reporting eingeführt. Auf Objektebene halten 64 Prozent der befragten Experten Nachhaltigkeitszertifikate für wichtig oder sehr wichtig. Nur 14 Prozent sehen solche Zertifikate als weniger wichtig an.

"Die weiterhin große Vielfalt von Reporting-Standards erschwert Investoren die direkte Vergleichbarkeit der ESG-Konformität von Objekten. Hier könnte ein brancheneinheitlicher Standard helfen, um Investoren die Vergleichbarkeit zu erleichtern", sagt Eisenmann abschließend.

EY Real Estate: Asset Manager kämpfen mit den Daten

Das Gros der Asset Manager investiert in ESG-Kriterien, wie eine Umfrage von EY Real Estate unter 40 Vermögensverwaltern zeigt – aber nicht einmal die Hälfte verfügt über die Datenbasis, um die CO2-Emissionen der Immobilien und die Risiken bei der energetischen Transformation zu messen.

Fast alle (92 Prozent) Studienteilnehmer wollen die Immobilienbestände mit dem vorhandenen Personal klimafreundlich umwandeln. Auf externe Hilfe wollen 44 Prozent zurückgreifen. Dabei ist der Einsatz von Property Managern nur für 14 Prozent eine Option. Für rund die Hälfte (58 Prozent) der befragten Asset Manager stellt die energetische Transformation einen Investitionsschwerpunkt dar. 71 Prozent haben Energieeinsparungen im Portfolio im Blick. 57 Prozent sagten, sie könnten den Energieverbrauch bereits reduzieren; rund drei Viertel streben weitere Reduktionen an.

Eine große Rolle bei der Erfassung von Verbrauchsdaten und der Auswahl der Energiequellen spielt die Kooperation mit Mietern: Knapp zwei Drittel der Asset Manager wollen den Austausch anstoßen. Ein Viertel setzt bereits auf eigene Energiegewinnung. Mittelfristig will sich mehr als die Hälfte der Asset Manager auf den Weg zur (Teil-)Autarkie begeben.

ESG-Umsetzung: Datenbasis mangelhaft

Die Mehrheit (84 Prozent) der Asset Manager stimmt der Aussage zu, dass bei Ankäufen eine ESG-Due-Diligence vorgenommen wird und dass portfolioweit ESG-Kriterien etabliert wurden. Allerdings verfügt laut EY Real Estate nicht einmal die Hälfte der Befragten über die Datengrundlage zur Berechnung von CO2-Emissionen sowie physischen und transitorischen Risiken. Wegen der unvollständigen Datengrundlage und Risikobewertung können die Berichtspflichten gemäß Offenlegungsverordnung und EU-Taxonomie nur bei der Hälfte der Asset Manager erfüllt werden.

Für einzelne Gebäude ist smarte Gebäudetechnik der Studie zufolge bei 43 Prozent der Befragten bereits ein integriertes Instrument im Asset Management. Auf Portfolioebene verwendet demnach hingegen nur rund jeder Zehnte (13 Prozent) moderne Technologien zum Monitoring und Auslesen. Rund 40 Prozent der Befragten planen derzeit den Einsatz entsprechender digitaler Tools.

EY Real Estate "Asset-Management-Studie 2023"


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