Bündnis für bezahlbaren Wohnraum stellt ToDo-Liste vor

Das bundesweite "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" hat in Berlin Maßnahmen für eine Bau-, Investions- und Innovationsoffensive vorgestellt, mit denen das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zügig erreicht werden soll. Auch Wohneigentum soll gefördert werden. Die Immobilienbranche ist skeptisch.

Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik haben sich in einem von der Bundesregierung initiierten Bündnis auf das gemeinsame Ziel von mehr bezahlbaren Wohnungen in Deutschland verständigt. Die Teilnehmer des "Bündnisses bezahlbarer Wohnraum" haben ein Maßnahmenpapier unterzeichnet, das am 12. Oktober von Kanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz (beide SPD) in Berlin vorgestellt wurde.

Geywitz hatte zum Auftakttreffen des Bündnisses im April 2022 gesagt: "Es geht darum, dass wir ein dickes Brett durchschlagen: Wir haben in Deutschland einen ganz großen Bedarf an Wohnungen, vor allem bezahlbarem Wohnraum." Trotz Lieferengpässen, Fachkräftemangel und Energiepreiskrise infolge des Krieges in der Ukraine hält die Ministerin am Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr fest. "Wir müssen das erreichen und wir müssen das lange und kontinuierlich fortsetzen, in dieser Größenordnung zu bauen. Ich glaube auch, dass das gehen wird", sagte Scholz.

Fördergeld und neue Wohngemeinnützigkeit

Bis 2026 stehen für den sozialen Wohnungsbau 14,5 Milliarden Euro staatliches Fördergeld bereit. Die bedarfsgerechte Kofinanzierung und der Mittelabruf durch die Länder wurden unter dem Dach des Bündnisses verankert. Der Bund wird Anfang 2023 die Neubauförderung neu ausrichten und ein Wohneigentumsprogramm auflegen  außerdem wird ab dem 1.7.2023 die lineare AfA für die Abschreibung von Wohngebäuden von zwei auf drei Prozent erhöht.

Die Bundesregierung hat sich außerdem zum Ziel gesetzt, eine neue Wohngemeinnützigkeit, verbunden mit einer steuerlichen Förderung und Investitionszulagen, anzugehen. Zudem hat das Bündnis vereinbart, dass das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) die Mittel für die Städtebauförderung dauerhaft absichert.

"Digitale Rathaustür" und BIM-Standardisierung

Projekt- und Planungsprozesse sollen innovativer werden. Die Rede war von der "digitalen Rathaustür". Elektronisch erstellte Anträge müssten von überall aus bei den zuständigen Stellen eingereicht werden können, hieß es. Es wird daher bundesweit möglich sein, einen digitalen Bauantrag zu stellen. Gleichzeitig sollen Innovationsklauseln in den Landesbauordnungen und Regeln, etwa für eine Genehmigungsfreiheit von Dachgeschossausbauten, erarbeitet werden.

Auch eine Standardisierung von digitalen Anwendungen beim Building Information Modeling (BIM) ist aus Sicht der Bündnis-Mitglieder zwingend erforderlich. Bauprozesse sollen unter anderem durch eine zeitlich befristete Erhöhung der vergaberechtlichen Wertgrenzen für Wohnzwecke, freihändige Vergaben und beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb beschleunigt werden.

Typengenehmigungen: Runder Tisch "Serielles Bauen"

Damit serielles und modulares Bauen in größerem Umfang angewendet wird, sollen bereits einmal erteilte Typengenehmigungen bundesweit gelten. Entsprechende Regelungen sollen in den Landesbauordnungen verankert werden. Die Technologien werden mit Hilfe einer Geschäftsstelle im Bundesbauministerium und einem runden Tisch "Serielles Bauen", Best-Practice-Beispielen undeiner Begleitforschung vorangetrieben.

Kommunale Bodenfonds und Brachflächenkataster

Damit Städte und Gemeinden strategisch Boden bevorraten können, sollen kommunale und regionale Bodenfonds errichtet werden. Digitale Potenzial- und Brachflächenkataster sollen zeigen, wo Bauland vorhanden ist. Bei Bedarf sollen Wohnungsbaukoordinatoren als zentrale Ansprechpartner vor Ort zu etablieren, um Prozesse zu bündeln und Investitionen voranzutreiben. Eine Geschäftsstelle zur Folgekostenabschätzung in Normungsprozessen soll Baukosten begrenzen.

GEG-Novelle und Gebäuderessourcenpass

Die Reduktion von Treibhausgasemissionen beim Bauen und Wohnen soll stärker in den Fokus rücken. Über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes sollen weniger CO2 ausgestossen und weniger Ressourcen, Flächen und Energie verbraucht werden. Beim Neubau werden die Anforderungen im Ordnungsrecht (GEG) weiterentwickelt. Der Bund bringt außerdem Anfang 2023 das Förderprogramm "Klimafreundliches Bauen" auf den Weg, dass sich stärker am Lebenszyklus von Gebäuden ausrichtet. Um die Wiederverwendung und das Recycling von Baustoffen planen zu können, kommt der digitale Gebäuderessourcenpass.

Immobilienbranche: "Kein großer Wurf"

Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, mahnte eine Folgekostenabschätzung für alle neuen gesetzlichen Vorhaben an, die das Bauen und Wohnen betreffen. Das sei notwendig, um zusätzliche Belastungen für Mieter und Vermieter auszuschließen. Mehr Planungssicherheit seien dringend notwendig. Der GdW begrüße die geplante Einrichtung einer Geschäftsstelle und eines Runden Tisches für serielles und modulares Bauen ausdrücklich.

IVD-Präsident Jürgen Michael Schick sieht in dem Maßnahmenpaket eine gute Grundlage, um die Weichen für langfristig mehr Wohnungsbau zu stellen, der "ganz große Wurf" sei es aber nicht geworden. Nun gelte es, sich mittels der kleinen gemeinsamen Nenner dem Ziel der bedarfsgerechten Angebotsausweitung zu nähern. Dabei komme es auf jede Wohnung an – ob Neubau oder Umbau, sozialer Mietwohnungsbau oder Eigentumsbildung im Einfamilienhaus: "Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, dass die Förderung von Wohneigentum im Bündnispapier Berücksichtigung gefunden hat."

Dem Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) ist der Fokus auf den EH40-Standard beim Neubau ein Dorn im Auge. "Er hat allein das Einzelhaus im Blick. Ganzheitlicher wäre ein Quartiersansatz unter Berücksichtigung aller Gebäudeeigentümer", forderte BFW-Präsident Dirk Salewski.

Die Verbände der sogenannten "Immobilienbank" im Bündnis dazu gehören neben GdW, IVD und BFW auch Haus & Grund, vdp, VDIV und ZIA haben sich halten die Erreichung des angekündigten Wohnunsgbauziels für derzeit unrealistisch. Sie fordern die Priorisierung der Maßnahmen, die zur Erreichung des Kernziels des Bündnisses beitragen, nämlich "die Potenziale des Bestandes durch Sanierung, Aufstockung und Nachverdichtung voll auszuschöpfen", sagte Wolfgang D. Heckeler, Präsident des VDIV Deutschland. Um das zu erreichen, sei eine zielgenaue und vor allem verlässliche Förderkulisse unbedingt erforderlich. "Hier muss die Bundesregierung noch nachbessern", so Heckeler.

Gemeinsame Erklärung der immobilienwirtschaftlichen Verbände

Bündnis bezahlbarer Wohnraum auf Bundesebene

Mit einem "Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen" rief erstmals das Bundesbauministerium der Vorgängerregierung unter der Leitung von Dr. Barbara Hendricks (SPD) im Juli 2014 ein zentrales Gremium zur Lösung von wohnungspolitischen Herausforderungen ins Leben.

Die Ampel-Koalition hatte die Einrichtung eines "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" im Koalitionsvertrag vereinbart. Darin hat sich die Bundesregierung auch das Ziel gesetzt, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Das Bündnis ist am 27.4.2022 mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung konstituiert worden. Neben dem BMWSB sind 35 Mitglieder im Bündnis vertreten. Zudem arbeiten sechs ständige beratende Gäste und sechs beratende Mitglieder des Bundestags mit. Eingeladen zur ersten Spitzenrunde waren auch die Verbände der Immobilienbranche.

Der am 12. Oktober in Berlin veröffentlichte Bericht mit laut Geywitz insgesamt 187 "Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive" bildet den Auftakt für einen weiteren Umsetzungs- und Monitoring-Prozess, an dem sich alle Bündnis-Mitglieder beteiligen werden. Der wird bis zum 31.12.2025 fortgeführt. Auf einem "Bündnis-Tag bezahlbarer Wohnraum" soll jährlich öffentlich Bilanz gezogen werden.

Bündnis bezahlbarer Wohnraum "Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive"


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dpa