Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Krise im Wohnungsbau

Es ist eine Binse, die Bundeskanzler Olaf Scholz beim Krisentreffen in Berlin von sich gab: Er halte mehr bezahlbare Wohnungen für dringend nötig – nur: bislang hat die Politik nicht geliefert. Jetzt sollen 14 Maßnahmen alles ändern. Und die Immobilienbranche zeigt sich positiv überrascht.

Niedrigere Ökostandards, Steuervorteile, weniger Bürokratie und ein höherer Klimabonus sollen dafür sorgen, dass in Deutschland wieder mehr Wohnungen gebaut werden: Das Paket mit 14 Maßnahmen aus dem Bauministerium, das am 25. September beim Treffen des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum – auch als Wohnungsbaugipfel bekannt – im Kanzleramt in Berlin präsentiert wurde, könne etwas bewirken. Zumindest die Immobilienbranche ist teils positiv überrascht.

Krise beim Wohnungsbau: es soll voran gehen

Seit Jahren fehlt es an bezahlbaren Wohnungen in Deutschland. Die Mieten und Kaufpreise sind wegen des geringen Angebots in die Höhe geschossen. Die Ampel-Koalition hat sich deshalb vorgenommen, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Dieses Ziel wurde bisher verfehlt. Inzwischen werden sogar bereits geplante Projekte abgesagt, Familien begraben wegen der Kosten den Traum vom eigenen Haus, Firmen gehen pleite.

Ein Problem sind die seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 stark gestiegenen Bauzinsen. Wo vor zwei Jahren noch weniger als ein Prozent verlangt wurde, sind es heute vier Prozent. Dazu kommen die hohe Inflation und das teure Baumaterial.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht ein Schlüsselinstrument im seriellen Bauen: Dabei könnte ein in Grundzügen einmal genehmigtes Haus ohne neue bürokratische Verfahren auch in anderen Landkreisen gebaut werden. Die Voraussetzungen sollten mit den Ländern geschaffen werden.

Bauministerin Klara Geywitz (SPD) betonte, das 14-Punkte-Programm der Bundesregierung werde viel verändern und möglich machen. "Mehr Menschen werden sich mit unserer neuen Förderung ein Haus, ein bestehendes oder neues, kaufen können." Mittelfristig werde es mehr Wohnungen und bezahlbarere Mieten geben.

Konjunkturprogramm: Was sind das für Maßnahmen?

Auszug aus dem Maßnahmenpaket im Überblick:

Steuervorteile beim Bauen

Bei Bauvorhaben soll es Steuervorteile durch besondere Abschreibungsregeln (AfA) geben. Die Regelung zur degressiven AfA sieht keine Baukostenobergrenzen vor. Es kann ab einem Effizienzstandard EH55 gebaut werden. Firmen sollen Investitionen durch neue Abschreibungsmöglichkeiten schneller refinanzieren können.

Beschleunigtes Bauen

In Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten soll den Bau von bezahlbarem Wohnraum vereinfacht und beschleunigt werden. Dazu wird eine an die Generalklausel des § 246 Absatz 14 Baugesetzbuch (BauGB) angelehnte Sonderregelung befristet bis zum 31.12.2026 geschaffen.

Klimabonus (Speed-Bonus) wird erhöht

Der Klimabonus für den Tausch alter, fossiler Heizungen (Speed-Bonus) soll 2024 und 2025 von 20 auf 25 Prozent erhöht werden. 2026 und 2027 soll er jeweils um fünf Prozent gesenkt werden, danach um drei Prozent.

Klimabonus für Wohnungsunternehmen

Die Bundesregierung weitet den Speed-Bonus auf Wohnungsunternehmen und Vermieter aus. Die bisherigen Sanierungssätze von 15 Prozent als Zuschuss und 20 Prozent steuerliche Abschreibung sollen jeweils auf 30 Prozent angehoben werden. Im Sinne des Speed-Bonus sinkt der Zuschuss ab 2026 wieder auf 15 Prozent, die steuerliche Abschreibung auf 20 Prozent.

Förderung für private Bauherren

Bei der Reform der Neubauförderung für Familien soll die Einkommensgrenze von 60.000 Euro pro Jahr auf 90.000 Euro angehoben werden. Auch die Kreditsumme wird erhöht. Die Höchstbeträge werden um 30.000 Euro hochgesetzt. Auch das KfW-Programm "Klimafreundlicher Neubau" (KFN) soll attraktiver ausgestaltet werden.

Neues Wohneigentumsprogramm "Jung kauft Alt"

Für 2024 und 2025 soll ein Programm "Jung kauft Alt" für den Erwerb von sanierungsbedürftigen Bestandsgebäuden verbunden mit einer an den Regeln der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) orientierten Sanierungsauflage eingeführt werden.

Öffnungsklausel bei Grunderwerbsteuer

Den Ländern soll eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer – zum Beispiel durch einen Freibetrag – ermöglicht werden. "Hierzu wurde den Ländern auf Arbeitsebene ein Vorschlag für eine Öffnungsklausel zur landesspezifischen Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer unterbreitet", heißt es in dem Papier.

Förderung von Umnutzung

Für Eigentümer und Investoren, die Gewerbeimmobilien zu Wohnraum umbauen, wird für 2024 und 2025 ein zusätzliches KfW-Förderprogramm aufgelegt. Es gelten bestimmte Voraussetzungen.

Förderprogramm für Kauf und Sanierung

Außerdem soll es ein neues Programm für den Kauf und die Sanierung eines älteren Hauses geben. Details sind dazu aber noch nicht bekannt.

18,15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau

Den Ländern sollen von 2022 bis 2027 "Programmmittel in Höhe von insgesamt 18,15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau" zur Verfügung gestellt werden. Jeder Euro des Bundes wird aktuell durch rund 1,50 Euro der Länder kofinanziert.

Neue Wohngemeinnützigkeit ab 2024

Die Neue Wohngemeinnützigkeit soll bereits 2024 an den Start gehen. "Die Bundesregierung strebt dazu Investitionszuschüsse und Steuervorteile an."

Neubaustandard EH40 wird ausgesetzt

Auf den EH40-Neubaustandard will die Bundesregierung vorerst verzichten. Wortwörtlich heißt es: "Angesichts der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen in der Bau- und Wohnungswirtschaft durch hohe Zinsen und Baukosten ist die Verankerung von EH40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard in dieser Legislaturperiode nicht mehr nötig und wird ausgesetzt."

Absage an EU-Sanierungspflicht

Bei Verhandlungen auf EU-Ebene zur Sanierungspflicht will sich die Regierung zwar "für anspruchsvolle Sanierungsquoten für den gesamten Gebäudebestand" einsetzen, verpflichtende Sanierungen einzelner Wohngebäude sollen aber nicht umgesetzt werden.

Maßnahmen der Bundesregierung für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft

Stimmen aus der Immobilienbranche

Die Baubranche und Immobilienwirtschaft sind positiv überrascht: Einen solchen Aufschlag hatten sie der Bundesregierung gar nicht zugetraut, ließen Verbände am Montag durchblicken.

"Wir gehen davon aus, dass wir zumindest den Niedergang aufhalten können", erklärten der Bauindustrie-Verband und der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA). "Wir haben heute nur erreicht, dass der Bund halbwegs seine Schularbeiten macht. Länder und Gemeinden müssen jetzt noch tätig werden", betonten sie. ZIA-Präsident Andreas Mattner kommentierte: "Ein neuer Realismus beim Klimaschutz und klare steuerliche Entlastungssignale zeigen: Die Gespräche der vergangenen Wochen haben sich gelohnt."

"Mit den heute vorgestellten Maßnahmen bleibt die Bundesregierung zwar hinter den Erwartungen der Immobilienwirtschaft zurück, es kommt aber Bewegung herein", sagte Dirk Wohltorf, Präsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD). Das Maßnahmenpaket könne ein Anfang für ein Sofortmanagement der Wohnungsbaukrise sein. Deswegen müsse jetzt Tempo aufgenommen werden.

"Für seine Ankündigung, verpflichtende Sanierungen durch die geplante Europäische Gebäuderichtlinie auszuschließen, hat der Bundeskanzler die volle Rückendeckung der Immobilienwirtschaft", so Wohltorf. Sonst käme nach der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) der eigentliche Kostenhammer für Immobilieneigentümer durch die europäische Hintertür.

Bündnis bezahlbarer Wohnraum auf Bundesebene

Mit einem "Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen" rief erstmals das Bundesbauministerium der Großen Koalition unter der Leitung von Dr. Barbara Hendricks (SPD) im Juli 2014 ein zentrales Gremium zur Lösung von wohnungspolitischen Herausforderungen ins Leben.

Die Ampel-Koalition hat dann die Einrichtung eines "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" im Koalitionsvertrag vereinbart. Darin hat sich die Regierung auch das Ziel gesetzt, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Das Bündnis wurde schließlich am 27.4.2022 mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung konstituiert. Neben dem BMWSB sind weitere 35 Mitglieder im Bündnis vertreten. Zudem arbeiten sechs ständige beratende Gäste und sechs beratende Mitglieder des Bundestags mit.

Eingeladen zur ersten Spitzenrunde waren auch die Verbände der Immobilienbranche: Insgesamt 187 "Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive" hat das Bündnis am 12.10.2022 vereinbart die Bilanz ist bisher ernüchternd.

Am 23.9.2023 wurden die Player und Verantwortlichen am Wohnungsmarkt zum zweiten Mal an einen Tisch geholt. Der GdW und Haus & Grund boykottierten den Krisengipfel aus Enttäuschung über die bisherigen Krisenmaßnahmen – Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft äußerte sich danach erwartbar kritisch: Das Paket enthalte durchhaus positive Entwicklungen für die energetische Modernisierung im Bestand, doch in punkto Neubau sei für die sozial orientierten Wohnungsunternehmen leider nichts herausgekommen.


Das könnte Sie auch interessieren:

Wohnungsbau oder Klimaschutz – eine unheilvolle Alternative

Wohnungsbau im Teufelskreis: Es muss wiederbelebt werden

Förderung ohne Effekt: Wieder weniger genehmigte Wohnungen

dpa