Geywitz positioniert sich gegen Neubaustandard EH40

Die ab 2025 geplante Einführung verschärfter Neubaustandards – EH40 genannt – sorgt für Unmut. Die Immobilienwirtschaft befürchtet dadurch einen weiteren Anstieg der ohnehin hohen Baukosten. Bauministerin Klara Geywitz teilt die Bedenken der Branche und hat das unmissverständlich kundgetan.

Wer wissen wollte, wie die Bauministerin tickt, hätte es Anfang Mai 2023 erfahren können. Beim "Tag der Immobilienwirtschaft" zeigte Klara Geywitz (SPD) ein Herz für die Branche, die weit davon entfernt ist, die Koalitionsziele von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr – davon 100.000 mit Sozialbindung – zu erreichen.

"Ich bin nicht überzeugt, dass wir dann auch noch gleichzeitig alles unternehmen müssen, um jedes Gebäude möglichst energieeffizient zu machen", so Geywitz. Anderenfalls müsse der gesamte Gebäudebestand tiefensaniert werden. Und: "Ich sehe nicht, wie das gehen kann, ich sehe nicht, wie das finanziert werden kann." Für die CO2-Bilanz, auch das keine neue Erkenntnis, sei das ebenfalls nicht unbedingt hilfreich.

Nun soll ab 2025 für Neubauten der EH40-Standard gelten (ehemals KfW 40) – nach EH55, der seit dem 1.1.2023 gilt. Er entspricht etwa einem Verbrauch von 55 bis 60 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr und Quadratmeter an Wärmeenergie (für Einfamilienhäuser) und bei 40 bis 46 kWh je Jahr und Quadratmeter bei Mehrfamilienhäusern. Zu erreichen ist das nur mit Dämmung oder einem sehr gut dämmenden Mauerwerk – was aber das Bauen noch mehr verteuern würde.

EH40: Ohne Lüftungsanlagen geht es nicht

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hatte im August 2021 – noch unter der alten Bundesregierung – untersuchen und berechnen lassen, welche Mehrkosten mit dem EH40-Standard einhergehen würden. Dabei wurden auch die Effizienzziele verglichen. Das Ergebnis sind sieben Argumente, warum ein Effizienzhaus 40 als gesetzlicher Mindeststandard im Mehrfamilienhaus nicht zielführend zur Erreichung des Klimaschutzes ist.

Für Mieter entstünde bei höheren energetischen Standards ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis, das in der Praxis noch ungünstiger sei als in den Berechnungen, heißt es da unter anderem. Und: Höhere Effizienzstandards als nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) hätten höhere Baukosten zur Folge: Für EH40 durchschnittlich 264 Euro pro Quadratmeter, was zu 0,71 Euro pro Quadratmeter mehr Kaltmiete führe. Bei einer erwartbaren Energieeinsparung von 17 Cent pro Quadratmeter bedeutete das eine Erhöhung der Warmmiete von 54 Cent pro Quadratmeter. Insbesondere der Wartungsaufwand – regelmäßige externe Kontrolle, Reinigung, Filtertausch – und Hilfsstrombedarf der Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (WRG) erhöhten die laufenden Kosten mehr, als Energiekosten durch die Lüftungsanlage eingespart werden könnten.

Exemplarisches Beispiel des GdW aus Hessen

Was EH40 vor zwei Jahren bereits für die Baukosten bedeutete:

Neubauvorhaben mit zirka 250 Wohneinheiten, Kostengruppen 100 bis 700

  • Variante KfW 55 -Gesamtprojektkosten: 3.160 Euro pro Quadratmeter
  • Variante KfW 40 -Gesamtprojektkosten: 3.320 Euro pro Quadratmeter

Mehrkosten, bezogen auf das Gesamtprojekt: 3,3 Millionen Euro (fünf Prozent) = 160 Euro pro Quadratmeter

Geywitz: Keine Konfrontation mit Habeck und ein Hilfspaket

Im August 2023 legte die Ministerin wegen der weiter gestiegenen Baukosten nochmals nach: "Aus meiner Sicht ist die Situation jetzt nicht so, dass man bei den Baupreisen und den ganz stark zurückgegangenen Bauanträgen noch weitere Standardverschärfungen machen sollte." Darüber berichtete unter anderem die Tagesschau.

Nun plant Geywitz ein Hilfspaket für die Baubranche, weil Kreditfinanzierungen deutlich teurer geworden seien. Dazu will sie das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) nutzen, dass Ende August freigegeben wurde. Dabei will Geywitz auch nicht auf Konfrontation mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gehen, der für das baustandardsetzende GEG verantwortlich ist. Stattdessen sollten in Gesprächen zwischen den Ministerien vorher Lösungen gefunden werden.

Immobilienbranche begrüßt Geywitz-Kritik an EH40

Lob gibt es für Geywitz‘ Vorstoß schon vorab aus der Branche. „Was Bundesbauministerin Klara Geywitz jetzt vorschlägt, geht in die richtige Richtung und wäre eine Entlastung für den daniederliegenden Wohnungsmarkt, die wir bereits seit Monaten fordern", so der Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, Thomas Möller. Nun sei eine pragmatische Herangehensweise gefragt.

Der ursprünglich geplante, verschärfte EH40-Standard für Neubauten bringe nachweislich nur minimale Effizienzgewinne im Vergleich zum bisherigen EH55-Level, würde aber das Bauen unnötig verteuern.

Wohnungswirtschaft: EH40 erhöht technische Anforderungen

Auch der GdW sieht den Vorstoß der Ministerin positiv. "Wir fordern seit Jahren, dass bei EH55 im Mehrfamilienhaus Schluss ist. Mit dem EH40 ist die Lüftung mit WRG-Pflicht. Das geht mit einem hohen Technikzuwachs einher", erklärt Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik.

Das bedeute deutlich höhere Baukosten, anteilig deutlich höhere Technikkosten in der Kostengruppe (KG) 400 – Bauwerk und technische Anlagen im Vergleich zur KG 300 – Bauleistungen und Lieferungen, und damit anteilig mehr kurzfristig zu refinanzierende Kosten, sowie höhere Betriebskosten bei nur marginalen Effizienzgewinnen und Kosteneinsparungen auf der Energieseite.

"Das Haus wird zudem störanfälliger in technischer Sicht und auch hinsichtlich des Fehlverhaltens von Mietern. Im Einfamilienhaus mag das alles noch gehen, aber im Mehrfamilienhaus ist das Gebäude zu technisiert für die unterschiedlichsten Nutzer", so Viehrig weiter. Und: "Wir wollen effiziente Gebäude! Wir wollen Klimaschutz! Wir haben nichts gegen Dämmung und Technik! Aber wir benötigen Augenmaß, Nachhaltigkeit in allen Dimensionen, die eben Ökologie, Ökonomie und Soziales betrifft."

Politik: Lob und Kritik für Geywitz

Auch aus der Politik kommt Lob für Geywitz, in dem Fall von Koalitionspartner FDP. Sowohl Sandra Weeser, die den Vorsitz im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen innehat, als auch Daniel Föst, der als bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion agiert, äußern sich kritisch zu Habecks Vorhaben bezüglich der energetischen Sanierung.

Weeser kritisiert die Pläne von Wirtschaftsminister Habeck teils deutlich: "In Deutschland haben wir bereits die strengsten Dämmvorschriften und eine sehr restriktive Brandschutzregelung. Dennoch haben wir unsere Klimaziele noch nicht erreicht. Dies sollte endlich zu einem Umdenken führen." Sie plädiert für eine grundlegende Verschiebung der Prioritäten hin zur Emissionsreduktion anstelle der Energieeffizienz.

Vor dem Wohnungsbaugipfel am 25. September stellten sich Föst und Kollegin Carina Konrad erneut gegen den im Koalitionsvertrag der Ampel für 2025 vereinbarten Neubaustandard EH40. Dieser senke den Energiebedarf und den CO2-Ausstoß, steigere aber Baukosten.

Stetig steigende Baukosten sind kontraproduktiv

Auch Föst stimmt Ministerin Geywitz in Bezug auf die Dämmvorschriften vollkommen zu: "Bei nachhaltigem Bauen sollte die Reduzierung von CO2-Emissionen im Mittelpunkt stehen. Es bringt wenig, wenn wir ständig die Standards erhöhen, dadurch die Baukosten steigen und dennoch der CO2-Ausstoß hoch bleibt." Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Anpassung der Standards solle den Fokus auf die Reduzierung von CO2-Emissionen legen.

Dennoch gab und gibt es auch Befürworter des neuen Standards, wenn auch nur aus der Politik, nicht aus der Branche selbst. Grünen-Baupolitiker Kassem Taher Saleh sagte gegenüber dem Handelsblatt: "Die Energiewende ist kein Freifahrtschein für ineffiziente Gebäude." Man sei zu hohen Effizienzanforderungen an Gebäude gezwungen. Wobei anzumerken ist, dass der derzeit geltende EH55-Standard schon sehr effizient ist.


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Schlagworte zum Thema:  Neubau, Wohnungsbau