Energieeffiziente Gebäude: Kosten und Sinn der Dämmung

Bauministerin Klara Geywitz (SPD) zweifelt an schärferen Dämmvorgaben für Häuser. Sie hinterfragt, ob die Kosten dafür in einem sinnvollen Verhältnis zur eingesparten Energie stehen, und bekommt dafür Deckung aus den Bundesländern. Experten sehen das anders.

Immer schärfere Dämmvorschriften hätten das Bauen sehr teuer gemacht, hatte kürzlich Bundesbauministerin Klara Geywitz beklagt. Bei einem Kongress sagte die SPD-Politikerin: "Am Anfang ist das noch sehr sinnvoll, weil das, was ich dämme, spare ich ein, durch das, was ich dann an Nebenkosten nicht habe." Spätestens ab EH55 – das heißt: ein Bedarf von 55 Prozent der Energie eines Vergleichsneubaus – gebe es sehr viele Fragezeichen, ob die zusätzlichen Kosten für eine Wärmedämmung in einem sinnvollen Verhältnis zur eingesparten Energie stünden. Und bei der Produktion der Dämmstoffe würden ja auch Treibhausgase freigesetzt.

Damit macht die Ministerin mitten in der aufgeregten Heizungsdebatte ein neues Fass auf und riskiert einen möglichen Konflikt mit Klimaminister Robert Habeck (Grüne). Immerhin stehen schärfere Anforderungen für energieeffiziente Gebäude im Koalitionsvertrag. Für Hauseigentümer wird die Lage damit nicht unbedingt übersichtlicher. Experten könnten Licht ins Dunkel bringen.

Experten: Energetische Sanierungen bieten Potenzial

"Sinnvolles Dämmen nutzt auch dem Geldbeutel", sagt Christian Handwerk, Referent für energetisches Bauen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Um EH55 zu erreichen, brauche ein älteres Haus zum Beispiel eine Fassadendämmung von 16 bis 18 Zentimetern.
Diese Investition amortisiere sich bei einem Energiepreis von 14 Cent je Kilowattstunde binnen zwölf Jahren. Die Lebensdauer der Dämmung sei jedoch länger, vielleicht 40 Jahre. "Blickt man auf diese Spanne, rechne sich sogar eine noch dickere Dämmung", meint Handwerk. Das erhalte den Wert der Immobilie – ungedämmte Gebäude würden in Zukunft schwerer verkäuflich.

Der Experte widerspricht auch Bedenken, dass der CO2-Ausstoß bei der Herstellung der Dämmstoffe den Nutzen schmälere. "Das ist wirklich Quatsch", so Handwerk. Die Dämmung spare viel mehr Emissionen, als die Produktion verursache – um einen Faktor 15 bis 20. Bei der Dämm-Debatte gehe es vor allem um Bestandsgebäude. Das Problem sei da größer als beim Neubau.

Die Deutsche Energieagentur (Dena) hat Zahlen: Rund 22 Millionen Gebäude in Deutschland stehen für 35 Prozent des Energieverbrauchs. Etwa drei Viertel des Bestands wurde vor 1979 gebaut, ohne Vorgaben für den Wärmeschutz. Alte Gebäude brauchen laut Dena unsaniert für Raumwärme und Warmwasser das Drei- bis Fünffache von dem, was heute technisch möglich ist. "Energetische Sanierungen bieten damit ein enormes Potential, um unseren Energieverbrauch zu reduzieren", heißt es bei der Dena.

Dena-Daten zum Gebäudebestand und Sanierung

Studie: Mehrfamilienhäuser "Niedertemperatur-ready" machen

Eine sehr hohe Sanierungstiefe bei vermieteten Mehrfamilienhäusern sei nicht zielführend, da diese Praxis zwar sehr hohe Kosten verursache, aber nur begrenzt weiteren Energieeinsparungen generiere, heißt es in der Studie "Klimaneutralität vermieteter Mehrfamilienhäuser – aber wie?" der International Real Estate Business School (Irebs) im Auftrag des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW und des Verbands für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM).

Der Fokus des Gesetzgebers sollte auf die tatsächlichen Treibhausgas-Emissionen von Wohnimmobilien und Quartieren gerichtet sein. Die Irebs-Experten plädieren dafür, mehr Gebäude technisch für Niedertemperatur-Heizungen umzurüsten, damit sie mit erneuerbaren Energien etwa über Wärmepumpen oder Fernwärme betrieben werden können. Dann könnten die Klimaziele zu volkswirtschaftlich optimalen Kosten erreicht werden. Eine stärkere Dekarbonisierung der Energiewirtschaft bis 2030 sei kostengünstiger als höhere Sanierungstiefen im Gebäudebestand.

Irebs-Studie "Klimaneutralität vermieteter Mehrfamilienhäuser – aber wie?"

Neubau: Wie viel Dämmung verträgt der Klimaschutz?

Mehr Dämmung führe nur zu geringen Einsparungen des Heizwärmebedarfs – und wegen des Ressourcenaufwands gleichzeitig zu höheren CO2-Emissionen, heißt es in einer Studie des Steinbeis-Innovationszentrums Siz Energieplus und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Um den CO2-Ausstoß zu minimieren, würden die Autoren auf Betriebsoptimierung, Solarpanels auf Dächern zur Stromproduktion, den Ausbau von Fernwärmenetzen und eine verstärkte Nutzung von Wärmepumpen setzen.

Bei Wohnimmobilien seien durch Betriebsoptimierungen im Schnitt CO2-Einsparungen von acht bis zehn Prozent realistisch, heißt es in der Studie. Das Kosten-Nutzenverhältnis sei in der Regel günstiger und die Maßnahmen ließen sich noch dazu zeitnah umsetzen.

ZIA-Studie "Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudesektor unter Berücksichtigung der Förderlandschaft und der notwendigen Ressourcen" (pdf)

Dämm-Debatte: Gestritten wird erst mal in Brüssel

Die Bundesbauministerin erhält Zuspruch aus den Ländern. "Was Klara Geywitz jetzt ausspricht, ist seit langem meine Haltung", sagte Nicole Razavi (CDU), Vorsitzende der Bauministerkonferenz. "Wir müssen es schaffen, Bezahlbarkeit und Klimaschutz beim Wohnungsbau zusammen zu bringen." Ina Scharrenbach (CDU), Bauministerinin Nordrhein-Westfalen, würde "vermehrt Lösungen für Wohnviertel in den Blick nehmen (...) und sich nicht nur auf einzelne Häuser verengen".

Die politische Debatte dürfte sowohl im Bund als auch auf EU-Ebene noch Fahrt aufnehmen. Im Ampel-Koalitionsvertrag steht: "Zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im (Gebäudeenergiegesetz) die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH70 entsprechen; im GEG werden die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 angeglichen."

Diese Abmachungen seien weiter gültig, betonte Habecks Haus. Dämmen bleibe wichtig, selbst wenn mit Erneuerbaren Energien geheizt werde – auch die seien nur begrenzt verfügbar. Offene Konfliktlinien werden aber vorerst vermieden. Die Dämmanforderungen, die bisher für Fördermittel der KfW-Bankengruppe gelten, werde man nicht eins zu eins übernehmen, erklärte eine Sprecherin. Nötig sei eine neue "Anforderungssystematik", die "der aktuell verhandelten Fortschreibung der europäischen Gebäuderichtlinie folgen wird".

In Brüssel haben die EU-Staaten und das Europaparlament bisher unterschiedliche Pläne für das Energiesparen in Gebäuden und mögliche Sanierungspflichten. Eine rasche Einigung sei nicht zu erwarten, sagte ein Sprecher der schwedischen Ratspräsidentschaft. Jedenfalls nicht vor Mitte des Jahres, wenn Schweden den Vorsitz an Spanien abgeben wird.


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dpa