EU-Pläne: Geywitz gegen Zwangssanierung für einzelne Gebäude

Das EU-Parlament hat dafür gestimmt, dass jedes einzelne Gebäude bis zum Jahr 2033 mindestens auf Energieeffizienzklasse "D" pflichtsaniert wird. Das will Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) verhindern und schlägt den sogenannten Quartiersansatz als Kompromiss vor.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) will einen technischen Sanierungszwang für einzelne Wohnhäuser verhindern. Das Europäische Parlament (EU-Parlament) hatte Mitte März für strengere Anforderungen an die Energieeffizienz von alten Gebäuden gestimmt. "Wir müssen uns stattdessen zügig auf ein anderes Verfahren einigen, wie der Gebäudesektor seine Klimaziele besser erreichen kann", sagte die SPD-Politikerin der "Bild am Sonntag".

Mit der Abstimmung im EU-Parlament sind die Pläne noch nicht beschlossen. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen noch einen Kompromiss finden, bevor die Vorgaben in Kraft treten können.

Geywitz: "Es geht um einen Quartiersansatz"

Der Vorstoß wird kontrovers diskutiert. Kritiker aus Politik und Immobilienbranche sehen darin eine Pflicht zu teuren Sanierungen; häufig ist auch von Zwangssanierungen die Rede.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von einem drohenden "Kostenhammer". Das sei ein schwer zu rechtfertigender Eingriff in das Eigentumsrecht, das auch von der Grundrechte-Charta der EU geschützt werde, sagte Buschmann der "Bild"-Zeitung.

Geywitz sagte zu einem möglichen Kompromiss: "Es geht um einen Quartiersansatz." Danach müsse nicht jedes einzelne Gebäude seinen CO₂-Ausstoß senken, sondern ein Quartier insgesamt, also ein Stadtteil oder ein Dorf. "Das heißt: Die gut gedämmten Neubauten im Wohnviertel sorgen dafür, dass die Altbauten nicht sofort saniert werden müssen, weil nicht jedes Haus einzeln betrachtet wird."

EU-Parlament für Sanierungspflicht von Gebäuden

Das EU-Parlament stimmte am 14. März mit einer deutlichen Mehrheit für strengere Regeln bei der Reform der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) – konkret heißt das: Bis zum Jahr 2030 sollen alle Wohnhäuser mindestens die Energieeffizienzklasse "E" und bis 2033 mindestens die mittlere Energieeffizienzklasse "D" erreichen.

Zum Vergleich: Bei den in Klasse "G" eingestuften Gebäuden handelt es um die 15 Prozent der ineffizientesten Gebäude eines Landes, Klasse "A" wäre top.

Zum vom EU-Parlament angenommenen Text (PDF)

IVD: Zwangssanierung "zu radikal"

"Wir können die Kosten im Kampf gegen den Klimawandel nicht auf Omas Häuschen abwälzen", kritisierte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke die Pläne. Die Parlamentarierin Jutta Paulus (Grüne) hingegen sagte, Ziel sei es, den Energieverbrauch von Gebäuden zu senken und so den Geldbeutel der Verbraucher zu schonen.

Der Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund, Kai Warnecke, warnte vor einem dramatischen Wertverlust bei älteren Gebäuden. Aus Brüssel drohe vielen Hauseigentümern ein "Kostenhammer", sollte sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren zur EU-Gebäuderichtlinie "die radikale Position des Europäischen Parlaments" durchsetzen, warnte der Immobilienverband Deutschland IVD | Die Immobilienunternehmer. Demnach droht ein umfangreicher Sanierungszwang.

"Die EPBD greift mit den Mindesteffizienzstandards umfassend in den Gebäudebestand ein. Das erfordert eine differenzierte und sachgerechte Ausgestaltung – in ökonomischen Krisenzeiten gilt das erst recht", mahnte Dr. Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA).

Der im EU-Parlament für das Vorhaben federführend zuständige Grünen-Abgeordnete Ciarán Cuffe betonte, dass Ausnahmen vorgesehen seien: etwa für kleine Gebäude unter 50 Quadratmetern oder Ferienhäuser. Einer Mitteilung des Parlaments zufolge könnten die EU-Staaten selbst auch weitere Ausnahmen erlauben, "je nachdem, ob die Renovierungen wirtschaftlich und technisch durchführbar und qualifizierte Arbeitskräfte verfügbar sind."

Wie viele Gebäude wären von einer Sanierungspflicht betroffen?

Laut IVD wären in Deutschland überproportional viele Ein- und Zweifamilienhäuser von der Sanierungspflicht betroffen – rund 40 Prozent der 16 Millionen Eigenheime seien kaum saniert und befänden sich jetzt noch in den Energieklassen "G" und "H".

Nach Angaben der EU-Kommission wären bei einer Renovierung von Stufe "G" auf "F" zirka 30 Millionen Gebäudeteile – mit Wohnungen – in der Europäischen Union betroffen.

In Deutschland wird die Energieeffizienzklasse noch auf einer Skala bis "H" angegeben. Deswegen und weil sich an den konkreten Plänen auch noch Aspekte ändern können, betont Haus & Grund, dass man den Umfang nur schätzen könne. Demnach könnten in Deutschland mehr als sieben Millionen Eigenheime und rund 7,2 Millionen Wohnungen betroffen sein.

"Für die absurd hohen Ziele müssten pro Jahr mindestens 125 Milliarden Euro investiert werden. Das wäre eine Verdreifachung der bisherigen Summe", sagte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW.

Neue und alte Gebäude: Das schlägt der EU-Rat vor

Das EU-Parlament hat die Vorschläge des Ministerrats der Europäischen Union (EU-Rat) deutlich nach oben korrigiert. Der Rat hatte sich am 25.10.2022 in Bezug auf Neubauten darauf geeinigt (allgemeine Ausrichtung), dass ab 2028 zunächst die öffentlichen Gebäude und ab 2030 alle Gebäude klimaneutral sein müssen. Ausnahmen will der Rat für historische Gebäude, Gebetshäuser oder Gebäude für Verteidigungszwecke.

Für den Bestand schlug der EU-Rat Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz vor. Die Vorgaben für die Gesamtenergieeffizienz würden auf der Grundlage eines "nationalen Pfads" festgelegt werden – mit zwei Kontrollpunkten: Der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des Wohngebäudebestands soll bis 2033 mindestens dem Niveau der Energieeffizienzklasse "D" entsprechen – und bis 2040 soll ein nationaler Wert erreicht werden, "der sich aus einer schrittweisen Verringerung des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs von 2033 bis 2050 entsprechend dem Umbau des Wohngebäudebestands" in einen Net-Zero-Gebäudebestand ergibt.

EU-Kommission: Zwangssanierung für ineffiziente Gebäude

Die Europäische Kommission (EU-Kommission) hatte ihre Vorschläge für eine neue Gebäuderichtlinie am 15.12.2021 vorgelegt. Das Ziel, dass bis 2050 alle Gebäude in der EU klimaneutral sein sollen, gab die Kommission in ihrem "Fit for 55"-Paket ein halbes Jahr zuvor vor. Die Behörde schlug ebenfalls eine Sanierungspflicht vor.

Bis spätestens 2030 soll kein Gebäude mehr der schlechtesten Effizienzklasse "G" angehören, heißt es in diesem Papier: 15 Prozent des Gebäudebestands mit der schlechtesten Energieeffizienz sollten bis zum Jahr 2027 von Klasse "G" auf mindestens Klasse "F" verbessert werden – bei Wohngebäuden entsprechend bis 2030. Bis 2033 sollte die Klasse "E" erreicht werden.

Die EPBD-Reform ist Teil des Klimapakets "Fit for 55", mit dem die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden sollen.

European Green Deal: Das "Fit for 55"-Paket

Am 14.7.2021 stellte die EU-Kommission ihr Klimaprogramm "Fit for 55" mit zwölf konkreten Vorschlägen vor, wie sie die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 senken will. Das war der erste Schritt hin zum klimaneutralen Europa bis 2050 – und Teil der Umsetzung des Projekts "European Green Deal". Acht Gesetze müssen verschärft, vier neue beschlossen werden.

Als konkrete Maßnahmen wurden das Emission Trading System (ETS), das den Gebäudesektor in ein separates europäisches Emissionshandelssystem einbezieht, die Renewable Energy Directive (RED), die einen gemeinsamen Rahmen für die Förderung von Energien aus erneuerbaren Quellen vorgibt, die Energy Efficiency Directive (EED) mit der Energieeffizienz als Zielwert, die Effort Sharing Regulation (ESR), eine Richtlinie, die das Klimaziel 2030 anhand der Leistungsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten verteilt, und die Energiesteuerrichtlinie Energy Taxation Directive (ETD) genannt.

Mit dem Sustainable Europe Investment Plan als Teil des European Green Deal hatte die EU-Kommission Anfang 2020 festgelegt, aus welchen Quellen der enorme Kapitalbedarf von rund einer Billion Euro für ein klimaneutrales Europa stammen soll.

Reform der Gebäuderichtlinie: Wie geht es weiter?

Die Verhandlungen der Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament ziehen sich in der Regel über mehrere Monate hin. EU-Politiker Cuffe hofft, dass bis Mitte 2023 einen Kompromiss gefunden wird. Anschließend müssen die EU-Staaten die Regeln in nationales Recht umsetzen.

Der IVD plädiert dafür, zum Vorschlag des EU-Rates zurückzukehren, wonach eine Sanierungspflicht für Wohnhäuser bis zehn Einheiten erst einsetzt, wenn das Gebäude den Eigentümer wechselt. Der neue Eigentümer müsste dann innerhalb von fünf Jahren nach dem Kauf energetisch sanieren. "Ein vernünftiger Lösungsansatz, weil der neue Eigentümer weiß, worauf er sich beim Erwerb der Immobilie einlässt", sagt IVD-Präsident Jürgen Michael Schick.

Mit der Reform der EU-Gebäuderichtlinie werden auch Zeitpunkte festgelegt, bis zu denen Gebäude spätestens die Energiestandards erreicht haben müssen, um bis 2050 klimaneutral (Net Zero) zu sein. Details und mögliche Sanktionen für Immobilieneigentümer, die diese Ziele nicht rechtzeitig erreichen, werden dann im Rahmen der Umsetzung in nationales Recht diskutiert.


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