Gebäudetyp-E-Gesetz im Verriss von BGH-Richtern

Das Bundeskabinett hat den Entwurf für das "Gesetz zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp-E-Gesetz)" am 6.11.2024 beschlossen – wobei E für einfach oder experimentell steht. Die Idee stammt von Architekten. Das Gesetz soll noch 2025 in Kraft treten.
In einem Text für die Fachzeitschrift "Baurecht" stellt der 7. Zivilsenat – Werkvertragsrecht, Architektenrecht, Zwangsvollstreckungsrecht – des Bundesgerichtshofs (BGH) "dem Vorhaben der bisherigen Regierung ein desaströses Zeugnis aus", wie etwa die "Wirtschaftswoche" in einem Beitrag schreibt. Die acht Richterinnen und Richter des Gremiums unter dem Vorsitz von Rüdiger Pamp seien der Ansicht, dass gegen den Gesetzentwurf "durchgreifende Bedenken" bestehen, er "zur Herbeiführung seines Ziels nicht geeignet" und "mit dem Demokratieprinzip nicht zu vereinbaren" sei.
Gebäudetyp-E-Gesetz: Das steht im Entwurf
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass
- bestimmte technische Normen und Regeln, wie zum Beispiel solche, die ausschließlich Komfort- oder Ausstattungsmerkmale betreffen, ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht Gegenstand der Leistungspflicht sind,
- eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Sachmangel anzusehen ist.
Die Gebäudesicherheit, etwa die Statik oder der Brandschutz, bleibt davon unberührt.
Gebäudetyp E: Leitfaden aus dem Bauministerium
Ergänzend dazu hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) die finalen Leitlinien und Prozessempfehlungen für die Praxis vorgelegt.
"Das Praxisdokument ist in Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Bündnis bezahlbarer Wohnraum entstanden und bildet durch seine Beispiele und Prozessempfehlungen das Fundament für die Zusammenarbeit beim Gebäudetyp E", sagte Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Mit dem Gebäudetyp E überlasse man kostenintensive, komfortbezogene Entscheidungen darüber, wie künftig gewohnt werden soll, den Vertragsparteien. Das schaffe Freiraum, Bauherren finanziell zu entlasten. "Ob ich dann 47 Steckdosen in meiner Dreizimmerwohnung brauche oder nur 30, kann ich in direkter Abstimmung und Abwägung mit meinem Planer entscheiden", so die Ministerin.
Der Leitfaden enthält Empfehlungen, wie Vereinbarungen über niedrigere Baustandards rechtssicher getroffen werden können – im Detail geht es um die Abweichung von den "allgemein anerkannten Regeln der Technik" (aRdT). Auch Planungsbeispiele, exemplarische Aufklärungsinhalte und Vertragsformulierungen sind enthalten.
BMWSB: Gebäudetyp E Leitlinie und Prozessempfehlung (Download)
Immobilienbranche zum Gebäudetyp-E-Gesetz
Branchenverbände haben immer wieder beklagt, es werde oft nach Goldstandard gebaut, weil man andernfalls rechtliche Probleme fürchte. Das führe zu hohen Kosten, sodass die Wohnungen kaum noch bezahlbar seien.
Iris Schöberl, Präsidentin des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), ist allerdings der Meinung, dass das Gesetz dem selbst gesteckten Ziel der Bundesregierung am Ende kaum gerecht werden kann. Es sei vielmehr "sogar zu befürchten, dass einige Prozesse in Zukunft noch komplizierter werden". Der ZIA sieht das Problem mangelnder Klarheit:
- Der Gesetzentwurf sieht vor, einen neuen Vertragstyp zu schaffen, den Gebäudebauvertrag. Dieser soll für, wie es heißt, "fachkundige Unternehmen" gelten. Es sei aber nicht geklärt, welcher Kreis überhaupt gemeint sei.
- Es wird unterschieden zwischen "Ausstattungsstandards" und "Komfortstandards" – auch hier sei nicht klar definiert, was hinter den Begriffen steht.
Der ZIA fordert, mit den Vorgaben für Planungs- und Bauverträge mutig voranzugehen und diese grundsätzlich vom Einhalten aller einschlägigen technischen Regelwerke zu befreien – außer, wenn sie sicherheitsrelevant sind. "Es ist verfehlt, den Regelungsdschungel aus gesetzlicher Regelung, DIN-Normen oder VDI-Richtlinien in seiner Komplexität noch zu erhöhen", so Schöberl.
Der Bauherren-Schutzbund (BSB) schloss sich der Ansicht der BGH-Richter an und warnte, dass das Gesetz in der aktuellen Version zu Unsicherheiten bei der Vertragsgestaltung führen könne. "Das Risiko teurer Rechtsstreitigkeiten steigt, während die Bauqualität für Verbraucher gefährdet ist", so BSB-Geschäftsführer Florian Becker. "Es ist kaum vorstellbar, dass ein solches Gesetz nach Verabschiedung langfristig Bestand hätte." Die bemerkenswerten Aussagen des Bundesgerichtshofs seien ein Weckruf für die Politik.
Gebäudetyp E: Das Gesetzgebungsverfahren
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte den Referentenentwurf für ein Gebäudetyp-E-Gesetz (Stand: 21.6.2024) zunächst an die Ressorts geschickt.
Die Bundesregierung kündigte dann an, die erforderlichen Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) auf den Weg bringen zu wollen. Mit dem Gebäudetyp-E-Gesetz muss das Werk- und Bauvertragsrecht angepasst werden. Am 29.7.2024 wurde der Referentenentwurf veröffentlicht und am 6.11.2024 vom Kabinett beschlossen.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes ist laut BMWSB ab Anfang 2025 zu rechnen.
Gebäudetyp-E-Gesetz: Gesetzgebungsverfahren, weitere Informationen und Stellungnahmen der Verbände
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