Vergesellschaftungsgesetz ohne Enteignungen
Die Berliner Regierung aus CDU und SPD hat sich auf einen Entwurf für ein Rahmengesetz zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne geeinigt. Die Enteignung großer Wohnungsbestände, für die beim Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co enteignen" im September 2021 eine Mehrheit stimmte, sieht das Gesetz nicht vor. Bei Verstößen gegen bestimmte Regelungen ist nur mit milden Sanktionen zu rechnen.
Das Gesetz könnte der SPD zufolge im Januar 2026 vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden, soll aber erst 24 Monate später in Kraft treten, wie die "taz" berichtet.
Wegner: "Mit mir wird es keine Enteignungen geben"
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) postete im Juli dieses Jahres auf X: "Mit mir wird es keine Enteignungen geben. Ich will eine starke Wirtschaft. Die Enteignungsdebatte schadet Berlin. Sie verunsichert Investoren, untergräbt Vertrauen in den Standort und gefährdet Arbeitsplätze."
Die acht Paragrafen des geplanten Gesetzes konkretisierten knapp, was im Kern in Artikel 15 Grundgesetz (GG) stehe, der grundsätzlich die Vergesellschaftung von Wirtschaftszweigen erlaubt, so die "taz": Ein Fokus liege auf der Prüfung der Verhältnismäßigkeit.
Die Enteignungsinitiative hat am 26.9.2025 noch einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der am 8.12.2025 im Ausschuss für Stadtentwicklung des Abgeordnetenhauses präsentiert wurde. Dieses Gesetz soll in den kommenden zwei Jahren über einen weiteren Volksentscheid beschlossen werden, hieß es.
"Deutsche Wohnen & Co enteignen" will Gesetzesvolksentscheid
Der erste Volksentscheid zur Vergesellschaftung war am 26.9.2021 mit rund 59 Prozent der abgegebenen Stimmen im Land Berlin angenommen worden. Damals wurde der Senat mit der Umsetzung beauftragt, hat sich aber mehr als vier Jahre Zeit gelassen, "und den Willen der Bevölkerung bewusst ignoriert", sagte Isabella Rogner, Sprecherin der Initiative, im September 2025.
Mit der Vorlage des in Kooperation mit der Berliner Kanzlei Geulen & Klinger und einem wissenschaftlichen Beirat juristisch ausgearbeiteten eigenen Gesetzentwurfs sei die Situation nun eine ganz andere, so Rogner weiter.
Die Initiative strebe auf dieser Grundlage ein weiteres Volksbegehren und einen zweiten Volksentscheid an: ist der erfolgreich, tritt das Gesetz direkt in Kraft (Gesetzesvolksentscheid). Die finale Abstimmung werde aber nicht vor 2027 erfolgen.
Das Ziel von "Deutsche Wohnen & Co. enteignen"
Zirka 220.000 Mietwohnungen großer Immobilienfirmen sollen in den Besitz des Landes Berlin übernommen werden. Insgesamt gibt es in Berlin etwa 1,7 Millionen Wohnungen, der Gesetzentwurf von "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" betrifft davon 13 Prozent.
Allein der Konzern Deutsche Wohnen, auf den es die Initiative besonders abgesehen hat, verfügt über einen Bestand von etwa 116.000 Wohnungen im Raum Berlin – mittlerweile wurde das Unternehmen vom größeren Konkurrenten Vonovia übernommen. Die Konzerne dürften aus ihrem Bestand jeweils 3.000 Wohnungen behalten, alle anderen sollen in eine dafür gegründete Anstalt öffentlichen Rechts des Landes Berlin überführt werden.
Als Entschädigung sollen die Konzerne laut dem Gesetzentwurf 40 bis 60 Prozent des Werts der Wohnungen erhalten. Die Summe soll sich am Wert von 2013 orientieren, bevor die Immobilienpreise explodiert seien. Acht bis 18 Milliarden Euro werden dafür von der Initiative einkalkuliert, das sind 36.000 Euro bis 82.000 Euro pro Wohnung. Bezahlt werden solle das über Schuldverschreibungen, deren Abzahlung inklusive Verzinsung über einen Zeitraum von 100 Jahren durch die Mieteinnahmen erfolgen soll.
Gesetzentwurf der Enteignungsinitiative: Gerichtsprozesse erwartet
Für die Wohnungen, die dann Landeseigentum seien, werde es keine Mieterhöhungen mehr geben, das wirke sich auch positiv auf den Mietspiegel der gesamten Stadt aus, teilte "Deutsche Wohnen & Co. Enteignen" mit.
Die Initiative rechnet mit juristischer Gegenwehr vom Senat und den Wohnungskonzernen. Das könne vom Senat über den Berliner Verfassungsgerichtshof erfolgen und bis zum Bundesverfassungsgericht führen. Die Immobilienunternehmen könnten auch bei Zivilgerichten auf höhere Entschädigungen klagen. Solche Prozesse könnten auch nach einem erfolgreichen Volksentscheid länger dauern.
Eine von der Initiative beauftragte Anwaltskanzlei äußerte sich zuversichtlich. Es gebe von damals positive Ergebnisse einer Expertenkommission aus Verfassungsrechtlern zu dem Thema. Man beziehe sich weiterhin auf Artikel 15 GG, nach dem bestimmte Güter zum Wohle der Allgemeinheit in Gemeinwirtschaft überführt werden können.
Expertenkommission: Vergesellschaftung juristisch möglich
Eine vom Vorgängersenat eingesetzte Expertenkommission, darunter überwiegend Staats- und Verfassungsrechtler, legte am 28.6.2023 ihren Abschlussbericht vor. Das Ergebnis: Die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen mit mindestens 3.000 Einheiten sei juristisch möglich und angemessen. Eine Gesetzgebungskompetenz des Landes sei gegeben.
Das 13-köpfige Gremium war sich einig darüber, dass "Grund und Boden" im Sinne von Art. 15 S. 1 GG Immobilienbestände von Wohnungsunternehmen umfasst und sah auch keinen Widerspruch zum Gleichbehandlungsgebot darin, dass Unternehmen ab einer Grenze von 3.000 Wohnungen oder einer vergleichbaren Größenordnung vergesellschaftet werden sollen und kleinere Unternehmen nicht. Ebenso seien Ausnahmen für landeseigene, genossenschaftliche und gemeinnützige Wohnungsunternehmen zulässig.
Die Kommission rechnet jedoch fest damit, dass über strittige Fragen am Ende das Bundesverfassungsgericht entscheiden muss.
Entschädigung: Experten zur Berechnung uneins
Zu den Fragen in der Kommission gehörte auch, wie die Höhe der Entschädigungssumme bemessen sein soll, wenn Wohnungen vergesellschaftet würden. Strittig war, ob und in welchem Umfang der Verkehrswert betrachtet werden muss. Der berücksichtigt auch Wertsteigerungen von Immobilien, die auf Spekulation zurückgehen.
Die Kommission kam zu dem Schluss, dass nicht der Verkehrswert der Immobilien zugrunde gelegt werden muss. Was die Höhe der Entschädigungen betrifft, wurden sich die Experten aber nicht einig. Drei Mitglieder sprachen sich in einem Sondervotum dafür aus, dass immer vom Verkehrswert ausgegangen werden müsse. Abschläge seien möglich. Die Mehrheit geht von einer Entschädigung auch unter Verkehrswert aus.
Konsens gab es darüber, dass die betroffenen Wohnungsgesellschaften nach Artikel 15 S. 2 GG entschädigt werden müssen.
Vergesellschaftung oder Enteignung?
Viele sprechen statt Vergesellschaftung auch von Enteignung. Das ist der Unterschied:
Privates Eigentum wird in Artikel 14 GG gesichert. Dort heißt es aber auch, eine Enteignung sei prinzipiell zulässig. Das gelte jedoch nur, wenn sie "zum Wohle der Allgemeinheit" geschehe. Dafür brauche es auch ein Gesetz, das die Art und den Umfang einer Entschädigung bestimme.
Während die Enteignung auf den Entzug konkreter Rechtspositionen – wie etwa eines Grundstücks für den Bau einer Autobahn – abzielt, könne die Vergesellschaftung, die in Artikel 15 GG geregelt ist, mit einem Eigentumswechsel einhergehen, heißt es in einem Papier des Bundestags.
Die Vergesellschaftung habe zum Ziel, Unternehmen und ganze Wirtschaftszweige in die Gemeinwirtschaft zu überführen, die Enteignung sei auf einzelne Vermögensbestandteile gerichtet. Mit einer staatlichen Aneignung von Wohnungen wolle man überhöhte Mieten verhindern – im Berliner Fall käme vorrangig eine Vergesellschaftung in Betracht.
Erster Volksentscheid: eine Chronologie
Die Berliner waren dem Bündnis "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" von Anfang an gut gewogen. Bis zum 25.6.2021 gaben innerhalb der vorgegebenen Frist ausreichend – sieben Prozent der zum Abgeordnetenhaus wahlberechtigten – Berliner eine gültige Stimme ab. So kam es zu dem Volksentscheid, der wie eine Wahl ablief. Parallel fand am 26.9.2021 die Wahl zum Abgeordnetenhaus statt.
Am 15.10.2021 beschloss die damals gewählte Berliner Koalition aus SPD, Grünen und Linken in den Sondierungsgesprächen, dass eine Expertenkommission eingesetzt werden soll, um die Machbarkeit des Volksentscheids zu prüfen.
"Deutsche Wohnen & Co. enteignen" hat später dem neuen schwarz-roten Senat immer wieder vorgeworfen, das Abstimmungsergebnis zu ignorieren und die Umsetzung des Vorhabens zu verzögern. Im September 2023 kündigte die Initiative schließlich an, direkt über ein Gesetz abstimmen lassen zu wollen. Im Juli 2024 wurde die Erarbeitung des Gesetzesentwurfs beauftragt.
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