Berlin gegen den Rest der Welt: Mietenpolitik am Limit

Der Berliner Senat ist auf der Suche nach neuen Regulierungen. Vermieter können jetzt überprüft werden, ob sie die Mietpreisbremse einhalten, Zweitwohnungen sollen höher besteuert und ein paar Sozialwohnungen eingeklagt werden.

Der Mietendeckel ist Geschichte, die Preisbremse zieht nicht, das Wohnungsbündnis strauchelt und Geld fehlt auch in der Kasse. Um den steigenden Mieten am angespannten Wohnungsmarkt der Hauptstadt Herr zu werden, hat der Senat neue Vorschläge – dazu gehört auch eine neue Prüfstelle gegen überhöhte Mieten. Die wurde im Juli 2024 angekündigt und ist am 3.3.2025 an den Start gegangen.

Im September 2024 hatte Stadtentwicklungs- und Bausenator Christian Gaebler (SPD) mitgeteilt, dass sich die Prüfstelle ausschließlich mit Verstößen gegen die Mietpreisbremse befassen soll und schrittweise aufgebaut werden wird.

Die Mietpreisprüfstelle ist bei der "Sicheres Wohnen – Beteiligung, Beratung, Prüfung – Anstalt öffentlichen Rechts" (SiWo) angesiedelt. Mieter können sich dort beraten lassen, wenn der Verdacht besteht, dass der Vermieter die Mietpreisbremse nicht einhält oder gegebenenfalls ein Fall von Mietwucher vorliegt. Das soll vorab online über den Abfrageservice zum Berliner Mietspiegel der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen abgefragt werden.

Senat klagt wegen nicht gebauter Sozialwohnungen

In der "Europacity" in Berlin-Moabit sind Tausende Wohnungen entstanden, aber 215 vereinbarte Sozialwohnungen im Areal Heidestraße fehlen immer noch. Wie rbb24 aus Senatskreisen erfuhr, hat Gaebler am 30.1.2025 vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen den früheren und den aktuellen Eigentümer des Neubaus eingereicht.

Das Grundstück hat seit 2016 mehrfach den Eigentümer gewechselt. Der neue Eigentümer, die QH Development 2 GmbH & Co. KG, hat laut Bericht im September 2024 erklärt, er sehe sich nicht an den Vertrag mit dem Land Berlin gebunden.

Im Jahr 2021 sei das Eigentum an dem Grundstück entgegen den vertraglichen Vereinbarungen ohne Zustimmung und Kenntnis des Landes Berlin übertragen worden, hieß es damals aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen.

Die Behörde sei erst im Juni 2024 durch öffentliche Äußerungen einer Initiative darauf aufmerksam geworden. Der Senat will nun erreichen, dass der Eigentümer verurteilt wird, "die 215 Sozialwohnungen nach Maßgabe der Wohnungsbauförderungsbestimmungen von 2015 zu vermieten", so rbb24.

Sparen mit Zweitwohnungssteuer und Melderegister

Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey drang im Sommer 2024 zudem auf Maßnahmen für zusätzliche kommunale Einnahmen. "In einer angespannten Haushaltslage müssen wir auch über die Einnahmeseite reden", sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. "Ein anderer Hebel ist das Melderegister."

Viele Menschen, die beim Bund arbeiten oder bei Firmen, die eine Repräsentanz in Berlin haben, deren Erstwohnsitz aber anderswo in Deutschland ist, hätten einen Zweitwohnsitz. Der Zensus habe zwar festgestellt, dass die Hauptstadt weniger Einwohner hat als angenommen, möglicherweise sei dem aber nicht so. "Das merken wir zum Beispiel am angespannten Wohnungsmarkt. Es gibt immer mehr Menschen, die in Berlin leben wollen. Die Frage ist aber: Melden sich alle hier an?"

Aus Giffeys Sicht ist hier einiges zu holen: "Durch jeden, der nicht in Berlin gemeldet ist, gehen der Stadt in der bundesweiten Finanzmittelzuweisung mehr als 3.000 Euro verloren." Potenzial sieht sie auch bei der Vignette fürs Anwohnerparken, die aktuell 20,40 Euro für zwei Jahre kostet. Hier plädiert sie dafür, dass der Satz für ein Jahr gelten soll, um die Einnahmesituation zu verbessern.

Berliner Alternativen nach dem kassierten Mietendeckel

Seit dem Aus des Mietendeckels im April 2021 sucht Berlin nach Ersatzlösungen. Am 27.5.2021 verständigte sich der damalige Koalitionsausschuss von SPD, Linken und Grünen darauf, dass die Mieten der rund 340.000 kommunalen Wohnungen ab 2022 für die kommenden drei Jahre nur noch um maximal ein Prozent erhöht werden und im laufenden Jahr eingefroren werden sollen.

Bei Neuvermietungen war geplant, zehn Prozent unter der im Mietspiegel definierten ortsüblichen Vergleichsmiete zu bleiben, hieß es damals aus Koalitionskreisen – soweit dadurch die Vormiete nicht unterschritten werde. Die Mieten kommunaler Wohnungen, die im Zuge des nicht mehr gültigen Mietendeckels gesenkt wurden, sollen nur zwei bis drei Prozent pro Jahr ab 2022 steigen, so lange, bis die ortsübliche Vergleichsmiete wieder erreicht ist.

Am 26.9.2021 nahmen die Berliner Wähler parallel zur Wahl des neuen Abgeordnetenhauses im Volksentscheid den Vorschlag an, alle gewinnorientierten Immobiliengesellschaften mit mehr als 3.000 Wohnungen im Bestand zu enteignen. Derzeit lässt der Senat ein Vergesellschaftungsgesetz prüfen.

Giffey, damals noch Regierende Bürgermeisterin, sorgte im Mai 2022 für einen neuen Aufreger mit der Idee einer ans Einkommen gekoppelten Mietobergrenze, die sich letztlich nicht durchsetzte.

Wohnungsbündnis: Private Unternehmen stellen sich quer

Stadtentwicklungssenator Gaebler rechnet beim Wohnungsbau in Berlin für dieses Jahr statt einer Trendwende mit einem Rückgang. "Die Zielzahl 20.000 werden wir wohl nicht erreichen und vermutlich auch nicht 2025. In diesem Jahr geht es noch einmal runter", sagte der Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Dann sei die Talsohle aber erreicht.

Insgesamt bewertet Gaebler die Entwicklung positiv mit knapp 16.000 gebauten Wohnungen im Jahr 2023 und im Jahr davor mit rund 17.300 Wohnungen. 2024 rechnet er mit zirka 14.000 Fertigstellungen. Die Zahl der Baugenehmigungen sei zuletzt deutlich zurückgegangen. Mit dem sogenannten Schneller-Bauen-Gesetz soll der Wohnungsbau einen Schub bekommen.

"Ich hoffe, dass wir die 20.000 noch in dieser Legislaturperiode schaffen, also spätestens 2026", so Gaebler weiter. "Bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ziehen die Zahlen schon stärker an." Bei den Privaten sei die Zurückhaltung größer. Wohnungsbündnispartner Vonovia will nicht nur Tausende Mieterhöhungen am oberen Limit, wie kürzlich bekannt wurde, sondern auch weniger bauen.

Der angeschlagene Immobilienkonzern Adler hat in seinen Berliner Wohnungen die Mieten bereits vor einem Jahr stärker erhöht, als das mit dem Senat vereinbart war – und ist in Konsequenz dazu gleich aus dem Bündnis ausgetreten.


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