Aufreger in Berlin: Giffey will 30-Prozent-Grenze für Mieten

Berlin ist wieder auf der Suche nach Mietendeckel-Alternativen. Ein freiwilliges Mietenmoratorium der Wohnungswirtschaft hat der Senat schon wieder auf Eis gelegt. Die neueste Idee kommt von Franziska Giffey: Die Regierende Bürgermeisterin will die Mieten auf 30 Prozent des Einkommens begrenzen. 

"Niemand soll mehr als 30 Prozent seines Einkommens für die Miete zahlen", sagte Franziska Giffey (SPD) in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" vom Wochenende (28. Mai) – das wäre fair und eine nachvollziehbare Lösung für alle. Es müsse ein geregeltes Verfahren geben, etwa eine öffentliche Mietpreisprüfstelle, die die Höhe von Überschreitungen feststelle und Mieter dabei unterstütze, dagegen vorzugehen. Auch die Partner im Wohnungsbündnis seien gefragt.

Zuvor hatte sich der Berliner Senat von der Überlegung verabschiedet, mit der Wohnungswirtschaft einen freiwilligen Mietenstopp zu vereinbaren. Angesichts hoher Inflationsraten sei dieser Weg "versperrt", sagte Bau- und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (ebenfalls SPD) der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bewertete Giffeys neue Idee im "Tagesspiegel" vom 30.5.2022 als "unrealistisch". Ein Verfahren zur Prüfung Zehntausender Mietverhältnisse sei nicht praktikabel. Der Vorschlag, die Miete ans Nettoeinkommen zu koppeln, stieß laut einer Umfrage der "Welt" auch im Bundestag auf breite Kritik. 

Kritik an verbindlicher Mietobergrenze aus dem Bundestag

Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup, sagte der "Welt", es sei schon eine "Herausforderung", die geforderte 30-Prozent-Grenze rechtlich überprüfbar einzuführen. Daniel Föst, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der FDP-Fraktion, sprach von einem "Bürokratiemonster", das viele Fragen offen lasse: "Jedes Mal, wenn das Gehalt steigt, steigt dann auch die Miete? Wenn man einen besseren Job hat, meldet man das bei der Mietpreisprüfstelle?", zitiert ihn das Blatt.

Der wohnungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), hält die Idee für ein "politisch überschaubares Ablenkungsmanöver", um Druck aus der Enteignungsdebatte zu nehmen, die die Berliner Koalition zu spalten drohe. Eine verbindliche Mietobergrenze und Mietpreisprüfstelle sei "der erste Schritt zu einem vollständig durchregulierten und behördlich überwachten Mietmarkt", zitierte die Zeitung Luczak.

Selbst die Linken im Bundestag halten den Vorstoß für kontraproduktiv. Der Vorschlag von Giffey würde dazu führen, "dass Vermieter künftig hauptsächlich an Menschen mit hohem Einkommen vermieten wollen und arme Haushalte kaum mehr eine Wohnung finden", sagte die wohnungspolitische Sprecherin Caren Lay der "Welt".

DIW-Ökonomen schlagen eine Mietensteuer für Berlin vor

In der Debatte über die seit Jahren steigenden Mieten in Berlin hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Ende 2021 eine Mietensteuer vorgeschlagen: Die Wohnungsmieten (netto/kalt) oberhalb von 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete könnten zum Beispiel mit zehn bis 30 Prozent besteuert werden – je höher die Miete, desto höher also der Steuersatz, meinen die Ökonomen.

Berlin könne damit rund 200 Millionen Euro pro Jahr einnehmen. Damit könnten die Mieten von 100.000 Wohnungen um 2,50 Euro pro Quadratmeter und Monat gesenkt oder das Geld in den Neubau von 7.500 Wohnungen (Eigenkapitalquote von 20 Prozent) jährlich investiert werden, rechnen die Wirtschaftsforscher vor.

Eine proportionale Mietensteuer in Höhe von drei Prozent auf die Nettokaltmieten könnte einschließlich der Haushalte mit Wohneigentum ein jährliches Aufkommen von 346 Millionen Euro im Jahr erzielen. Die Mietensteuer würde im Durchschnitt 197 Euro pro Wohnung und Jahr kosten. Den Nachteil sieht das DIW bei dieser Version darin, dass die Mietensteuer bei den günstigen Mieten längerfristig häufig vom Vermieter auf die Mieter abgewälzt werden könnte.

Berlins verzweifelte Suche nach dem Mietendeckel-Ersatz

Seit dem "Aus" des vom Bundesverfassungsgericht kassierten Mietendeckels im April 2021 sucht Berlin nach Ersatzlösungen. Im 27.5.2021 verständigte sich der damalige Koalitionsausschuss von SPD, Linken und Grünen darauf, dass die Mieten der rund 340.000 kommunalen Wohnungen ab 2022 für die kommenden drei Jahre nur noch um maximal ein Prozent erhöht werden und im laufenden Jahr eingefroren werden sollen.

Bei Neuvermietungen sei geplant, zehn Prozent unter der im Mietspiegel definierten ortsüblichen Vergleichsmiete zu bleiben, hieß es damals aus Koalitionskreisen – soweit dadurch die Vormiete nicht unterschritten werde. Die Mieten kommunaler Wohnungen, die im Zuge des nicht mehr gültigen Mietendeckels gesenkt wurden, sollen nur zwei bis drei Prozent pro Jahr ab 2022 steigen, so lange, bis die ortsübliche Vergleichsmiete wieder erreicht ist.

Am 26.9.2021 nahmen die Berliner Wähler parallel zur Wahl des Abgeordnetenhauses im Volksentscheid den Vorschlag an, alle gewinnorientierten Immobiliengesellschaften mit mehr als 3.000 Wohnungen im Bestand zu enteignen. Das halten die DIW-Ökonomen für einen fragwürdigen Versuch, um den Anstieg der Wohnungsmieten zu stoppen.

"Eine Berliner Mietensteuer als Sonderabgabe wäre in mehrerlei Hinsicht eine charmante Alternative zu den verbreiteten Regulierungs- und Enteignungsplänen in der Stadtpolitik", schreiben die DIW-Forscher in ihrer Publikation. Unternehmen würden nicht pauschal abgestraft, egal ob sie fair oder aggressiv vermieten, sondern ausschließlich Mieteinnahmen oberhalb des ortsüblichen Niveaus würden progressiv belastet und dabei beträchtliche Einnahmen generiert, die für die Linderung der Berliner Wohnungsknappheit verwendet werden könnten.


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Schlagworte zum Thema:  Berlin, Wohnungspolitik, Miete, Wohnungsmarkt