Berlin: Immobilienkonzern Adler verlässt Wohnungsbündnis

Der angeschlagene Immobilienkonzern Adler hat in seinen Berliner Wohnungen die Mieten stärker erhöht, als das mit dem Senat vereinbart ist – in Konsequenz dazu tritt der Großvermieter aus dem Bündnis für den Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen aus.

Die Adler Group hat die Mieten für die Wohnungen in Berlin erhöht. "Als verantwortungsvolles Immobilienunternehmen ist es unser Ziel, alle Interessen unserer Stakeholder, einschließlich unserer Mieter sowie unserer Aktionäre und Gläubiger, in Einklang zu bringen", sagte eine Sprecherin. In der Konsequenz trete die Group aus dem Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen aus.

Wohnungsbündnis: Mieterhöhung maximal elf Prozent in drei Jahren

Im Juni 2022 wurde die Vereinbarung mit dem Senat unterzeichnet. Neben Neubauzielen sind darin auch Absprachen zur Mietentwicklung und zum Mieterschutz enthalten. So wurde unter anderem festgeschrieben, dass die privaten Wohnungsunternehmen die Mieten maximal um elf Prozent in drei Jahren erhöhen. Gesetzlich möglich wären in Berlin bis zu 15 Prozent in drei Jahren. Die ortsübliche Vergleichsmiete des Mietspiegels darf grundsätzlich nicht überschritten werden.

Um wie viel Prozent die Adler Group die Mieten erhöht hat, teilte das Unternehmen nicht mit. Medien berichteten in den vergangenen Tagen, dass der Konzern die Kappungsgrenze von 15 Prozent in zahlreichen Fällen komplett ausnutze. Die Adler Group hielt Ende 2022 rund 26.000 Mietwohnungen, davon zirka 17.000 in Berlin. Der Konzern steckt tief in der Krise. Zuletzt gab es Ärger mit der Immobilientochter Adler Real Estate.

Falschbilanzierung? – Razzia bei Adler Real Estate

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und das Bundeskriminalamt (BKA) durchsuchten am 28.6.2023 wegen des Verdachts der Falschbilanzierung, der Marktmanipulation und der Untreue Büros von Adler Real Estate AG. Die Ermittlungen und die Großrazzia erfolgten vor dem Hintergrund von Geschäftsvorfällen aus dem Geschäftsjahr 2019, die bis ins Jahr 2020 reichten, hieß es.

Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie durchsuche mit dem BKA 21 Objekte – darunter Geschäftsräume, Wohnungen und eine Rechtsanwaltskanzlei – in Berlin, Düsseldorf, Köln und Erftstadt sowie in Österreich, den Niederlanden, Portugal, Monaco, Luxemburg und Großbritannien. Beteiligt seien rund 175 Beamte, teilte die Behörde mit. Bei den Beschuldigten handle es sich um deutsche, österreichische und englische Staatsangehörige zwischen 38 und 66 Jahren.

Ihnen wird vorgeworfen, in der Funktion als (ehemalige) Vorstände von 2018 bis 2020 "die Bilanzen des Unternehmens unrichtig dargestellt oder hierzu Beihilfe geleistet zu haben". Zudem sollen sie im Namen der Gesellschaft Beraterverträge abgeschlossen und Zahlungen hierzu angewiesen haben, für die es nach derzeitigem Ermittlungsstand keine Gegenleistungen gebe. Damit sei dem Unternehmen ein Vermögensnachteil entstanden.

Verdacht: Gefälligkeitsangebote und Scheingeschäfte

Außerdem besteht der Staatsanwaltschaft zufolge der Verdacht, dass Gefälligkeitsangebote beziehungsweise Scheingeschäfte getätigt wurden, um Preise für Projekte in die Höhe zu treiben und einen günstigen Loan to Value (LTV) – Verhältnis des Kreditbetrags zum Verkehrs- oder Marktwert einer Immobilie – zu erreichen.

"Hierdurch wurden dem Kapitalmarkt unrichtige Signale gesendet, da der LTV für Aktionäre und Anleihegläubiger des Konzerns ein wesentlicher, beeinflussender Faktor für die Anlageentscheidung sowie den Marktpreis darstellt", so die Ermittler.

Die Durchsuchungen sind ein Rückschlag für die Gruppe, die im Jahr 2022 einen Verlust von knapp 1,7 Milliarden Euro erlitt. Adler betonte, die aktuellen Durchsuchungen richteten sich nicht gegen Mitglieder des Verwaltungsrats der Gruppe.

"Abwicklung": Adler Group will alle Wohnungen verkaufen

Im April 2023 gab der High Court of England and Wales dem Immobilienkonzern mit einem Urteil grünes Licht für eine Umstrukturierung, die faktisch eine Abwicklung ist. "Adlers Plan zielt nicht auf die Rettung des Konzerns, sondern auf dessen selbstbestimmte Abwicklung", berichtete damals das "Handelsblatt". Das Unternehmen wolle sich bis 2026 von allen Wohnungen und Baustellen trennen und die Gläubiger voll auszahlen. Hunderte Millionen Euro neue Schulden dürfen gemacht werden und für die Rückzahlung von Anleihen erhielt die Gruppe mehr Zeit.

Vor Gericht hatten Adler-Anwälte argumentiert, dass auf diesem Weg mehr Kapital gerettet werde als im Insolvenzszenario. Der Richter folgte offenbar dieser Sicht. Konkret betrifft das Urteil die AGPS BondCo plc, eine hundertprozentige britische Tochtergesellschaft.

Die in Luxemburg ansässige Adler Group mit rund 27.000 Wohnungen entstand im Jahr 2020 durch die Fusion von Adler Real Estate, Consus und Ado Properties.

Schuldenabbau: Was Adler bisher plante

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) schaltete sich ein, nachdem der Leerverkäufer Fraser Perring und sein Research-Dienst Viceroy im Oktober 2021 Betrugsvorwürfe erhoben hatten – es ging um die Bewertung von Immobilienprojekten. Die von Adler beauftragten KPMG-Wirtschaftsprüfer, die eigentlich die Vorwürfe aus der Welt räumen sollten, verweigerten dem SDAX-Unternehmen das Testat für die Geschäftszahlen 2021 und erklärten, künftig nicht mehr für das Unternehmen tätig sein zu wollen.

Am 24.6.2022 teilte die Group zunächst mit, die Minderheitsaktionäre von Adler Real Estate in einem Squeeze-out gegen eine Barabfindung herausdrängen zu wollen. Die Tochter, an der der Konzern 96,7 Prozent hält, solle von der Börse genommen werden, um die Konzernstruktur zu vereinfachen, hieß es. Mittlerweile wurde das Portfolio ausgedünnt und Immobilien verkauft, um Schulden zu senken. Der Konzern hatte sich im November 2022 mit einer Kerngruppe von Gläubigern über eine Anpassung der Bedingungen der von Adler ausgegeben Anleihen geeinigt.

Am 20.12.2022 stimmte ein Teil der Anleihegläubiger gegen die Vorschläge des Adler-Vorstands zur Refinanzierung des Konzerns. Adler kündigte dann an, die vorgeschlagenen Änderungen der Schuldverschreibungen "auf einem alternativen Weg" umsetzen zu wollen.

Die Tagesschau berichtete außerdem von einer "Liste mit Tausenden offenen Forderungen", denen Consus Adler Real Estate nicht oder nicht vollständig nachgekommen sein soll. Die Bafin weitete die Prüfung der Finanzdaten auch auf die deutsche Immobilientochter Adler Real Estate aus, die ebenfalls in juristischen Schwierigkeiten steckt. Untersucht wird etwa ein Insider-Handel mit Aktien.

Debatte um Adler-Grundstücke in Hamburg und Düsseldorf

Projekte der Adler Group stocken seit Jahren. Ein prominentes Beispiel ist das Holsten-Areal in Hamburg Altona – das 86.000 Quadratmeter große Areal, auf dem unter anderem Kitas, Geschäfte, Büros und ein Handwerkerhof geplant waren, liegt seit Jahren brach. Auf dem ehemaligen Brauerei-Grundstück sollten außerdem mehr als 1.200 Wohnungen gebaut werden.

Das Gelände war zunächst 2016 von der Carlsberg-Brauerei an die Düsseldorfer Gerchgroup verkauft worden. Anschließend wurde es mehrfach weiterveräußert, ohne dass gebaut wurde. Durch die Bodenspekulationen vervielfachte sich der Preis. Der Adler-Gruppe gehört das Grundstück seit 2019.

In Düsseldorf hat Adler seit 2019 die Baugenehmigung für mehr als 900 Wohnungen im Projekt "Grand Central" – auch hier liegt das Grundstück immer noch brach. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Stadtrat beschloss im September 2022 das Vorkaufsrecht für die Adler-Grundstücke Glasmacherviertel (Brack Capital) und Benrather Gärten (Consus). Für das Projekt "Grand Central" kann aus juristischen Gründen kein Vorkaufsrecht erwirkt werden.

"Deutschland braucht dringend mehr Wohnraum, und zwar günstigen. Warum aber bleiben in vielen Städten Grundstücke in bester Lage unbebaut? Warum wird der Bau von Wohnungen immer wieder angekündigt, aber nicht verwirklicht?" Diese Fragen haben sich die Autoren der ARD-Doku "Immobilienpoker – Die dubiosen Geschäfte eines Wohnungskonzerns" gestellt.


Das könnte Sie auch interessieren:

Berlin – gescheitertes Labor der Wohnungspolitik

Mietpreisbremse in Berlin: Nur ein zahnloser Tiger?

Adler verkauft Holsten-Areal – Hamburg will zugreifen

Berlins sozialer Wohnungswirtschaft geht die Puste aus

Enteignung von Berliner Wohnungskonzernen juristisch möglich

dpa
Schlagworte zum Thema:  BaFin, Vorkaufsrecht, Wohnungsunternehmen