Berliner Vorstoß: Länder sollen Hoheit über Mietendeckel erhalten

Der an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz gescheiterte Mietendeckel lässt Berlin im Wahlkampfmodus keine Ruhe. Der rot-rot-grüne Senat bringt jetzt eine Initiative in den Bundesrat ein: Die Rechtslage soll auf Bundesebene geändert werden, damit die Länder deckeln dürfen.

Nach dem Scheitern des Berliner Mietendeckels will der rot-rot-grüne Senat das Thema kurz vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus, die zeitgleich mit der Bundestagwahl auf den 26. September angesetzt ist, neu beleben. Der bundesweite mögliche Mietendeckel ist das Ziel. Dazu hat die Regierung in einer Sitzung am 7. September beschlossen, eine Initiative in den Bundesrat einzubringen: Das Bundesrecht soll so geändert werden, dass es für die Länder möglich wird, in angespannten Wohnungsmärkten Mieten deckeln.

Mit dem Vorstoß soll die Bundesregierung aufgerufen werden, einen "Gesetzentwurf zur Schaffung einer Länderöffnungsklausel vorzulegen", die es ermöglicht, durch Landesrecht von den Regelungen des sozialen Mietrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf angespannten Wohnungsmärkten abzuweichen, wie es in der Beschlussvorlage konkret heißt.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hatte den Mietendeckel in Berlin mit staatlich festgelegten Mietobergrenzen im April 2021 für formell für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Die Begründung: Für das Mietrecht sei der Bund zuständig, dem Land fehle die gesetzgeberische Kompetenz. Diese Rechtslage soll nach den Vorstellungen des Berliner Senats geändert werden.

Antrag des Landes Berlin: Entschließung des Bundesrates zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Mietenregulierung durch Mietendeckel (pdf)

Wahlkampf-Debatte um den Bundes-Mietendeckel

Ein bundesweiter Mietendeckel ist auch im Wahlprogramm der Partei "Die Linke" ein Thema. Wo Wohnungsmärkte angespannt seien, "müssen die Mieten eingefroren werden. Kommunen sollen ermächtigt werden, einen angespannten Wohnungsmarkt festzustellen", heißt es im Programm der Linken.

Auch SPD-Co-Chefin Saskia Esken forderte nach dem Aus für den Berliner Mietendeckel in einem Podcast von "Kölner Stadt-Anzeiger" und Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Wo die Mieten tatsächlich so explodieren, wie es in Berlin der Fall ist, muss auch die Möglichkeit geschaffen werden, dass man dort eingreift mit einem Deckel, einer Bremse."

Und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, zudem Vorsitzende der Berliner SPD, plädierte im rbb-Inforadio dafür, dass das Thema "Mietpreispolitik" auf Bundesebene angegangen wird, und zwar mit Mieterschutzregeln, die auch "greifen und wirklich wirksam sind". Indirekt kritisierte Giffey damit die seit 2015 geltende und in ihrer Wirksamkeit – auch in der Immobilienbranche – umstrittene Mietpreisbremse.

"Bundesdeckel": Verfassungsrechtliche Utopie?

Ob so ein bundesweiter Mietendeckel in Karlsruhe dann Bestand hätte, steht in den Sternen. Formell ist, wie gesagt, der Bundesgesetzgeber für das Mietrecht zuständig, die Kompetenzfrage dürfte grundsätzlich also nicht das Problem sein. Ob die Regeln inhaltlich dann in Ordnung wären, ist damit noch lange nicht geklärt.

In einem Rechtsgutachten im Auftrag des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW kam Ex-BVerfG-Präsident Hans-Jürgen Papier am Beispiel des Berliner Deckels zu dem Schluss, dass der auch materiell keine Chance gehabt hätte – wegen unverhältnismäßiger Eingriffe in das Grundrecht auf Eigentum.

Diese Fragen haben die Karlsruher Richter in ihrer Entscheidung zum Berliner Mietendeckel nicht einmal angerissen. Hier lässt sich also schwerlich eine Antwort auf die Kernfrage finden, ob ein "Bundesdeckel" formell und materiell verfassungsrechtlich Erfolg haben könnte.

In einer Entscheidung von 2019 zu zwei Vorlagen und einer Verfassungsbeschwerde gegen die Mietpreisbremse lassen sich aber Hinweise finden, wie sich das BVerfG positionieren könnte, käme es zu einer Überprüfung: Zwar greife der Staat mit der Mietpreisbremse in das in Art. 14 GG geschützte Eigentum der Vermieter ein, der Eingriff sei jedoch vor dem Hintergrund der damit verfolgten sozialpolitischen Ziele gerechtfertigt, lässt sich eine Aussage aus dem Beschluss von 2019 zusammenfassen.

Mietenmoratorium wieder auf dem Tisch

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der für die Bundestagswahl als Abgeordneter kandidiert, sieht auf jeden Fall den Bund am Zug. "Ein von Teilen der Koalition auf Bundesebene gefordertes Mietenmoratorium in Märkten mit angespannter Wohnlage muss zügig auf den Weg gebracht werden", sagte Müller: "Das ist spätestens für die neue Bundesregierung eine der zentralen Aufgaben."

Für die Berliner Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" brachte die krachende Niederlage der rot-rot-grünen Koalition mit dem Mietendeckel neuen Schwung in ihre eigene Unterschriftensammlung: Am 26. September werden die Hauptstädter in einem Volksentscheid nämlich auch darüber abstimmen, ob große Immobilienkonzerne mit einem Bestand von mehr als 3.000 Wohnungen per Landesgesetz "vergesellschaftet" werden sollen.


Lesen Sie dazu auch:

Berliner Mietendeckel ist verfassungswidrig

Wohnungspolitik & Co.: Die Programme der Parteien

Berlins Grüne drohen: Mietenschutzschirm oder enteignen

Berlin stimmt über "Enteignung" von Wohnungskonzernen ab

dpa
Schlagworte zum Thema:  Miete, Wohnungsmarkt