Hochhaus-Debatte: Kriegt München jetzt doch eine Skyline?

Eine Skyline mit glitzernden Wolkenkratzern, zum Wohnen und Arbeiten – Großstädte weltweit streben nach Höhenrekorden. München ist da anders: Bei 100 Metern ist Schluss in der Innenstadt, denn nichts geht über die Türme der Frauenkirche. Jetzt wird das Thema im Stadrat neu aufgerollt.

Millionendorf wurde München gescholten, als die Bürger der Stadt im Jahr 2004 gegen den Bau von Hochhäusern stimmten, die höher als 100 Meter sind. So hoch sind etwa die Türme der Frauenkirche, dem Wahrzeichen der Stadt. Und das ist bisher der Maßstab. Ist das noch zeitgemäß?

Stadtrat München diskutiert bald wieder neue Hochhäuser

Seit Jahrzehnten wird diskutiert, wie hoch ein Hochhaus in München sein darf. Diese Frage treibt die Stadträte nun erneut um. Noch vor der Sommerpause 2023 will sich das Plenum mit den Ergebnissen einer neuen Hochhausstudie befassen, wie das Planungsreferat auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte. Ein Termin stehe noch nicht fest. Derzeit würden Stellungnahmen der Bezirksausschüsse ausgewertet, hieß es; die sollen dann in die geplante Beschlussvorlage einfließen.

Der Entwurf will die Diskussion um Hochhäuser auf bestimmte Gebiete begrenzen, zudem sollen Kriterien eingehalten und der Einzelfall geprüft werden. Hochhäuser werden "als selbstverständlicher Teil der Stadt" verstanden, wie es in dem Entwurf heißt. Allerdings sollen sie in einem "politisch gewollten und von der Stadtgesellschaft mitgetragenen Prozess" entstehen.

Bürgerentscheid von 2004 hängt München noch nach

Die Vorhaben sollen deshalb einen städtebaulichen und architektonischen Wettbewerb durchlaufen. Im Jahr 2004 hatte eine Gruppe um Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD) in einem Bürgerentscheid mit hauchdünner Mehrheit erreicht, dass keine Hochhäuser über 100 Meter Höhe gebaut werden sollten. Eine schlimme Niederlage für den damaligen OB Christian Ude (SPD).

"Es ist schlicht eine bösartige Unterstellung, dass jede moderne Architektur die Stadt verschandelt", sagte Ude später einmal der "Süddeutschen Zeitung". Der Bürgerentscheid hatte nur ein Jahr lang rechtliche Bindung. Dennoch setzte sich die Stadtspitze über lange Zeit nicht darüber hinweg.

Das Neubauprojekt eines Investors mit zwei 155 Meter hohen Hochhäusern mit Gewerbe, Büro und Wohnen  auf dem Areal der sogenannten Paketposthalle am Hirschgarten hat das Thema nun neu befeuert. Derzeit laufen die Planungen, sie sollen mit der Hochhausstudie abgeglichen werden. Doch es formiert sich schon wieder Widerstand.

Wohnungsbau: Ist die Energiebilanz bei Hochhäusern schlechter?

Gemeinsam mit dem ehemaligen SPD-Stadtrat Wolfgang Czisch hat der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper eine Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren auch gegen diese beiden Türme gestartet. Rund 33.000 Unterschriften seien nötig, sagte Czisch. 23.000 sind es bislang. Die Sammlung laufe weiter. Brannekämper führt gegen die Türme vor allem ökologische Aspekte an.

"Der Luftaustausch in die Stadt wird durch hohe Gebäude verschlechtert", sagte Brannekämper mit Blick auf den Klimawandel. Auch sei die Energiebilanz bei Hochhäusern schlechter als beim klassischen Wohnungsbau. "Türme über 60 Meter passen aus ökologischen Gründen einfach nicht mehr in die Zeit." Zudem befürchtet er eine Beeinträchtigung des Stadtbildes.

OB Reiter: "Ich kann mir Hochhäuser für München gut vorstellen"

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) steht einer höheren Bauweise grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. «Ich kann mir Hochhäuser für München gut vorstellen», sagte der Rathauschef.

Mit dem Projekt am Hirschgarten haben sich vor einem Jahr rund 100 Bürger befasst und sich mehrheitlich offen gezeigt "für eine Architektur, die innovativ ist und mehr Höhe wagt", wie Reiter damals sagte. "Das heißt, dass moderne Akzente im Stadtbild durchaus erwünscht sind – wenn der Standort stimmt."

Studie: Wo in München Hochhäuser denkbar sind

Schon jetzt gibt es in München Häuser, die höher sind als die magischen 100 Meter: 114 Meter misst nach Angaben der Stadt das Hypo-Hochhaus in Bogenhausen von 1981, 101 Meter das BMW-Hochhaus in Milbertshofen von 1972. Keinen Anstoß erregte auch der 291 Meter hohe Olympiaturm, der allerdings kein Hochhaus ist und ebenfalls als Wahrzeichen gilt. Just aus dem Jahr des Bürgerbegehrens 2004 stammen die 126 und 113 Meter hohen "Highlight Towers" in Schwabing-Freimann.

Bisher gibt es zwei Hochhausstudien von 1977 und 1995, die sich dem Umgang mit Hochhäusern in München widmeten und einen zurückhaltenden Umgang empfahlen. Nun soll die neue Studie aus dem Jahr 2020 wieder debattiert werden und Antworten geben, wo und wie neue Hochhäuser im Stadtgebiet denkbar sind.

CO2-Bilanz: Wohntürme statt Flächenverbrauch

Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) bezweifelt, dass Häuser mit 150 Metern Höhe nachhaltig sein können. "Die CO2-Bilanz von Hochhäusern ist nach bisherigen Erfahrungen nicht gut, muss aber im Einzelfall betrachtet werden", sagte der Münchner BN-Vorsitzende Christian Hierneis. Hochhäuser machten ausschließlich dann Sinn, wenn bezahlbarer Wohnraum geschaffen und dadurch an anderer Stelle Fläche eingespart werde. Hochhäuser mit gewerblicher Nutzung hält Hierneis für unnötigen Flächenverbrauch.

Auch Tiefgaragen dürften nur direkt unter dem Haus und ohne Eingriffe ins Grundwasser gebaut werden, damit Regenwasser versickern könne und Platz für große schattenspendende Bäume bleibe. Kühlendes Grün werde in Städten durch den Klimawandel schließlich immer wichtiger.

München "Hochhausstudie 2020" (PDF)


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