Schwarzarbeit im großen Stil auf deutschen Baustellen
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) habe allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 9.251 Ermittlungsverfahren wegen illegaler Beschäftigung im Bauhaupt- und Baunebengewerbe eingeleitet, teilte die IG Bau am 20. Dezember mit. Das sei rund ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum (7.430). Dabei beruft sich die Gewerkschaft auf Zahlen, die das Bundesfinanzministerium auf eine Anfrage des Abgeordneten Bernhard Daldrup (SPD) für alle 41 Hauptzollämter in Deutschland mitgeteilt hat. Zuvor hatte die "Neue Westfälische" über einen "Schwarzarbeit-Boom" berichtet.
Im ersten Halbjahr 2022 haben laut IG Bau mehr als elf Prozent der 82.558 Ermittlungsverfahren über alle Branchen hinweg illegale Beschäftigung, Sozialbetrug und Mindestlohnverstöße auf Baustellen betroffen. Die ermittelte Schadenssumme liege hier bei rund 161 Millionen Euro. "Die aufgedeckten Verstöße sind nur die Spitze des Eisbergs", so Vorstand Carsten Burckhardt.
Er warnte vor einer Zunahme illegaler Machenschaften und auch organisierter Kriminalität: "Die hohe Inflation, steigende Bauzinsen, hohe Material- und Energiekosten – alles führt zu einem wachsenden Kostendruck auf dem Bau." Burckhardt forderte eine stärkere Präsenz des Zolls auf Baustellen. Zudem sollten auffällig gewordene Firmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. So würden ganze Konstrukte von Schein-Subunternehmen gegründet, um illegale Beschäftigung zu verschleiern.
Organisierte Schwarzarbeit: ausgeklügelte Betrugssysteme
Zum Beispiel Anfang 2021 hatten Zollfahnder und Polizisten bei Großrazzien im Rhein-Main-Gebiet gegen mutmaßliche Betrüger am Bau ein dubioses Firmengeflecht aufgespürt.
Die Verdächtigen sollen Scheinfirmen eigens zu dem Zweck gegründet haben, um sogenannte Abdeckrechnungen auszustellen für Leistungen, die nicht erbracht wurden. Diese Rechnungen würden dann gekauft und eingebucht, erklärte eine Sprecherin des zuständigen Hauptzollamtes Schweinfurt das "Kettenbetrugsverfahren". Ein großer Teil des Betrages fließe bar zurück, meist unter Abzug einer Provision. So würden Bargeld für Schwarzarbeiter generiert, Sozialabgaben umgangen, Steuern nicht gezahlt. Eine Baufirma trat dabei als Rechnungskäufer der Scheinrechnungen auf. Den Gesamtschaden schätzte die Zollsprecherin allein hier auf 15 Millionen Euro.
Forscher: Mit der der Inflation steigt die Schwarzarbeit
Dass die hohe Inflation einen spürbaren Anstieg der Schwarzarbeit in Deutschland mit sich bringen könnte, geht auch aus Berechnungen des Linzer Finanzwissenschaftlers Friedrich Schneider hervor. Demnach wird die Schattenwirtschaft im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 22,1 Milliarden Euro auf 360,31 Milliarden Euro steigen. Das entspricht 10,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Über diese Zahlen schrieb zuerst das "Handelsblatt".
"Wir planen, Ende Januar oder Anfang Februar 2023 gemeinsam mit Herrn Schneider eine Prognose für das Jahr 2023 zu veröffentlichen", sagte Arbeitsmarktforscher Bernhard Boockmann vom Institut für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Tübingen der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Ursprünglich hatte Schneider zu Jahresbeginn infolge der guten Konjunkturentwicklung einen Rückgang der Schattenwirtschaft berechnet. "Energiekrise und hohe Inflationsraten haben dieses Ergebnis umgedreht", sagte Schneider der dpa. Die Berechnungen beruhen auf vier Annahmen: Inflationsrate bei zirka neun Prozent, kein kompletter Gaslieferstopp in diesem Jahr, keine Ausweitung des Krieges in der Ukraine und keine Verschärfung der Lieferkettenproblematik.
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