Stornierungswelle und Auftragsflaute beim Wohnungsbau

Fast jedes vierte Bauunternehmen hat derzeit zu wenig Aufträge – vor einem Jahr war es nicht einmal jedes zehnte, wie das Ifo-Institut berichtet. Im Februar wurden auch wieder mehr Aufträge storniert als bei der vorigen Umfrage. Die Prognosen sind düster.

Der Geschäftserwartungsindex für die Wohnungsbaubranche fiel im Februar 2023 auf minus 65,6 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut mitteilt. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991. Es wurden auch wieder deutlich mehr Aufträge storniert als im Januar. 14,3 Prozent der Firmen berichteten in der aktuellen Umfrage davon – im Januar waren es 13,6 Prozent.

Zinsanstieg und Baukosten: Auch das Neugeschäft leidet

Wie hoch der Wert ist, zeigt der Vergleich mit den Jahren 2012 bis 2019, als er kein einziges Mal über drei Prozent kam. Selbst auf dem Peak der Coronakrise 2020 ist der Wert noch einstellig geblieben. Das hat sich seit der ersten Jahreshälfte 2022 und mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine geändert: Die Stornierungen nahmen zu. "Im Wohnungsbau geht die Angst um", sagte Ifo-Forscher Felix Leiss.

Auch das Neugeschäft leidet Leiss zufolge stark unter den deutlich höheren Zinsen und den gestiegenen Baukosten: "Im Mittel sind die Auftragsbücher zwar immer noch gut gefüllt, aber etliche Unternehmen klagen bereits über einen Auftragsmangel." Aktuell berichten 23,4 Prozent der Unternehmen von einem Auftragsmangel. Vor einem Jahr waren es nur 9,5 Prozent.

Stornierungswelle beim Wohnungsbau nicht gestoppt

Im Januar 2023 wurden laut Ifo-Institut weniger Aufträge gestrichen als im Dezember 2022: Die Zahl der stornierten Wohnungsbauprojekte ging sogar leicht von 15,9 Prozent auf 13,6 Prozent zurück, aber das Niveau war auch zu Jahresbeginn außergewöhnlich hoch. Die Ifo-Experten sprachen von einer Stornierungswelle seit April 2022.

Die Geschäftserwartungen der befragten Unternehmen gaben in der Januar-Umfrage gegenüber Dezember 2022 um 1,5 Punkte nach und notierten bei minus 63,1 Punkten – die Erwartungen waren damals schon am Tiefpunkt, wie Leiss sagte. Die Betriebe planten zudem Preiserhöhungen, trotz des schwachen Neugeschäfts: Die Preispläne sanken nur leicht von 37,4 Punkten auf immer noch sehr hohe 34,6 Punkte.

Prognose: Wohnungsneubau geht deutlich zurück

Gestiegene Bauzinsen, hohe Realisierungskosten und wirtschaftliche Abkühlung – eine europäische Marktanalyse, an der das Ifo-Institut beteiligt war, gibt einen Ausblick darauf, wie es in Deutschland weiter geht.

"Dass der deutsche Bausektor im Zeitraum 2021 bis 2025 letztlich nur stagnieren wird, liegt am baldigen Auslaufen der langjährigen Aufwärtsentwicklung im Wohnungsbau", heißt es in dem Branchenausblick. Der Wohnungsneubau werde vorerst durch den großen Bauüberhang und die langen Zeiten der Realisierung der Projekte stabilisiert – ab dem Jahr 2024 dürften die Folgen der großen Zurückhaltung der Projektentwickler, privaten Bauherren und Wohnungsunternehmen aber immer stärker durchschlagen. Für das laufende Jahr sei im Wohnungssektor, der auch Baumaßnahmen an Bestandsgebäuden umfasst, noch ein kleines Plus denkbar, so die Prognose: "Danach geht es bergab."

Ifo-Institut "Branchenausblick Deutschland und Europa bis 2025"


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dpa